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ASYL/1508: Trotz Revolution im Iran - Anstieg der Asyl-Ablehnungsquoten (Pro Asyl)


Pro Asyl - Presseerklärung vom 13. Januar 2023

Trotz der Revolution im Iran:
Anstieg der Asyl-Ablehnungsquoten - PRO ASYL zu Asylzahlen 2022


PRO ASYL fordert Innenministerin Nancy Faeser und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf, für Menschen aus dem Iran einen sofortigen Entscheidungsstopp zu veranlassen.

Es darf nicht sein, dass das BAMF zwar auf Grundlage einer neuen Lagebewertung durch das Auswärtige Amt von Ende November 2022 seine Herkunftsländer-Leitsätze überarbeitet, aber unterdessen weiterhin Menschen ablehnt, weil sie im Iran nicht bedroht seien.

Anfang Dezember 2022 hat Bundesinnenministerin Faeser die Menschenrechtslage im Iran als desaströs bezeichnet, zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2022 hat sie sich mit den Protestierenden im Iran solidarisiert und Respekt für die Menschen geäußert, "die mit unglaublichem Mut ihr Leben riskieren, um für die Menschenrechte in ihrem Land einzutreten". Die Asylbehörde BAMF, die dem Innenministerium untersteht, scheint das hingegen kaum zu interessieren.

Im Zeitraum Januar bis August 2022 erhielten noch 46 Prozent der Asylsuchenden aus dem Iran Schutz im Asylverfahren, 54 Prozent wurden abgelehnt. Seit dem Beginn der Revolte (die mit der Ermordung Masha Aminis am 16. September begann) erhielten jedoch nicht mehr Menschen aus dem Iran Schutz in Deutschland, wie vielleicht zu vermuten. Im Gegenteil: Die Ablehnungsquote stieg zunächst sogar leicht an. Im September 2022 lag die Ablehnungsquote bei 61 Prozent, im Oktober bei 59 Prozent, im November bei 58 und im Dezember bei 51 Prozent. Das geht aus den heute veröffentlichten Asylzahlen hervor.

Auch wenn dieser Anstieg der Ablehnungsquoten noch im Bereich statistischer Schwankungen liegen mag, ist er angesichts der Menschenrechtslage im Iran ein Skandal. Ein sofortiger Stopp von Ablehnungen iranischer Asylsuchender ist nicht zuletzt auch deswegen angezeigt, weil bereits vor Beginn der iranischen Revolution unzählige Fehlentscheidungen des BAMF ergingen. So lag die Aufhebungsquote durch Verwaltungsgerichte in den inhaltlich entschiedenen Asylklagen im ersten Halbjahr 2022 bei 42 Prozent, das heißt, fast jeder zweite inhaltlich überprüfte BAMF-Bescheid zum Herkunftsland Iran wurde aufgehoben. Schutzbedürftige Menschen aus dem Iran dürfen nicht in jahrelang dauernde Gerichtsverfahren gedrängt werden.

Die Hälfte aller Asylsuchenden kommt aus Syrien und Afghanistan

Die Zahl der Asylerstanträge ist mit knapp 218.000 im Vergleich zum Vorjahr um 47 Prozent gestiegen. Mit 71.000 Asylerstanträgen aus Syrien und knapp 36.000 aus Afghanistan kam rund die Hälfte aller Asylsuchenden allein aus diesen beiden Herkunftsländern. Allerdings beinhaltet die Zahl der Asylerstanträge auch hier geborene Kinder von oftmals bereits vor Jahren eingereisten und teils längst anerkannten Flüchtlingen. Rund 11 Prozent oder 25.000 der Asylerstanträge entfallen auf in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr. Somit liegt die Zahl der neu eingereisten Asylsuchenden 2022 bei 193.000.

Fast drei Viertel erhalten Schutz vom BAMF

Auf Rekordhöhe ist die Schutzquote im Asylverfahren: Menschen aus Syrien und Afghanistan erhalten zu fast 100 Prozent Schutz in Deutschland, wenn der Asylantrag hier bearbeitet wird. Insgesamt liegt die Schutzquote für alle Herkunftsländer bei rund 72 Prozent, wenn man nur die inhaltlich überprüften Asylbescheide betrachtet. Das bedeutet, dass fast drei Viertel aller Schutzsuchenden bereits beim BAMF Schutz erhalten; dazu kommen Tausende von Verwaltungsgerichten aufgehobene unrechtmäßige Asylbescheide.

Die vom BAMF ausgewiesene "offizielle" Schutzquote von 56 Prozent verzerrt Aussagen über die festgestellte Schutzbedürftigkeit, da sie auch formelle Erledigungen beinhaltet: So sagt ein Dublinbescheid für einen afghanischen Asylsuchenden, für dessen Asylverfahren zum Beispiel Rumänien zuständig ist, wenig über dessen Schutzbedürftigkeit aus, da nur die Zuständigkeit, aber nicht die Asylgründe geprüft wurden. Von diesen Dublinentscheidungen gab es im vergangenen Jahr über 22.000.

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Quelle:
Pro Asyl - Presseerklärung vom 13. Januar 2023
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Internet: www.proasyl.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 13. Januar 2023

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