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ASYL/628: Aufkündigung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens gefordert (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 15. Januar 2010

Auswärtiges Amt legt ad hoc-Bericht zur abschiebungsrelevanten Lage in Syrien vor

Nach Abschiebung Haft und Verfolgung
PRO ASYL fordert Aufkündigung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens und Abschiebungsstopp


Dramatische Fakten zum Schicksal von aus Deutschland abgeschobenen Syrern erhält ein jetzt bekannt gewordener "Ad hoc Ergänzungsbericht zum Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien", der das Datum vom 28. Dezember 2009 trägt. PRO ASYL fordert das Bundesinnenministerium auf, unverzüglich Konsequenzen aus diesem Dokument zu ziehen und einen sofortigen Abschiebungsstopp nach Syrien zu verhängen. Das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen, das die Kooperation in Sachen Abschiebungen in den Folterstaat Syrien bilateral regelt, ist zu kündigen und ab sofort nicht mehr anzuwenden.

Das Auswärtige Amt berichtet in seinem Ergänzungsbericht über drei Fälle von Inhaftierungen unmittelbar bzw. kurz nach der Abschiebung aus Deutschland, die bekannt geworden sind. In allen drei Fällen wurden Anfragen des Auswärtigen Amtes an die syrischen Behörden mit der Bitte um Auskunft über Verbleib und Haftgründe gestellt - ohne Reaktion. Das alleine wäre schon Grund genug, das Abkommen aufzukündigen.

Einer der Abgeschobenen, der zunächst nach Überprüfung der Personalien an der Grenze nach Syrien einreisen durfte, wurde später inhaftiert. Ihm wird vorgeworfen, falsche Informationen über den syrischen Staat im Ausland verbreitet zu haben. "Erfahrungen aus der Beobachtung der Menschenrechtslage lassen eine Haftstrafe von zwei bis drei Jahren als realistische Erwartung erscheinen," so das Auswärtige Amt. Konkret stütze sich die Anklage auf den Vorwurf, der Betroffene habe in Deutschland an einer Demonstration gegen das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen teilgenommen. Wenn die Teilnahme an einer Demonstration gegen das Rückübernahmeabkommen, die der Betroffene im übrigen bestreitet, vom syrischen Regime de facto als staatsfeindliche Tätigkeit gewertet wird, dann macht dies deutlich, dass demokratische Staaten mit dem syrischen Regime keine Abkommen schließen dürfen, die Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben.

"Bereits der Abschluss des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens war ein in Deutschland weithin unterbewerteter Skandal, nahe an der Komplizenschaft mit dem syrischen Regime," so PRO ASYL-Referent Bernd Mesovic. Nach der aktuellen Bewertung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage durch das AA ist deutlich, was zu tun ist:

Abschiebungsstopp
Rücknahme des Abkommens
veränderte Anerkennungspraxis beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, nachdem das syrische Regime seinen Charakter als Verfolgerstaat durch seine Aktivitäten gegen Abgeschobene aus Deutschland erneut deutlich gemacht hat.


Zum Hintergrund:

Das Bundesministerium des Innern hat sich, nachdem Fälle der Inhaftierung rückgeführter Syrer bekannt geworden waren, im Dezember 2009 an die Innenministerien der Länder gewandt. Es hat mitgeteilt: "Aufgrund der derzeit unklaren Lage bei der Rückkehr abgelehnter Asylbewerber wird das BAMF gebeten, vorerst keine Ablehnungen von Asylanträgen als offensichtlich unbegründet auszusprechen und Entscheidungen über Folgeanträge vorläufig zurückzustellen. In diesen Fällen haben Rechtsbehelfe regelmäßig keine aufschiebende Wirkung. Die Betroffenen könnten daher ohne weiteres nach Syrien abgeschoben werden, was angesichts der derzeitigen Situation problematisch erscheint. Eine Entscheidung über diese Fälle soll erst nach einer aktualisierten Lagebewertung durch das AA erfolgen. Positive Entscheidungen sowie (nicht sofort vollziehbare) Ablehnungen von Asylanträgen als einfach unbegründet erfolgen weiterhin. Unabhängig davon werden die Länder gebeten, bis zu einer abschließenden Klärung (u.a.: aktueller Lagebericht AA) anstehende Abschiebungen nach Syrien mit besonderer Sorgfalt zu prüfen und mit Blick auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sich im Einzelfall ggf. mit BAMF abzustimmen."



Bewertung:

Nachdem der Bericht des AA vorliegt, muss dieser Eiertanz aufhören. Formulierungen wie, anstehende Abschiebungen seien mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, haben schon in der Vergangenheit in anderen Fallkonstellationen keine dauerhafte Wirkung gezeigt. Ein Großteil der syrischen Asylantragsteller müsste nach der aktuellen Informationslage auch im Folgeverfahren anerkannt werden. Abschiebungen nach Syrien sind inakzeptabel, weil die aktuellen Vorkommnisse lediglich die Fortsetzung und Bestätigung der bisherigen syrischen Politik der dauerhaften Menschenrechtsverletzungen sind.


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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 15. Januar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2010