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DEMOSKOPIE/881: Bundesweite Umfrage zur Corona-Pandemie (idw)


Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 19.05.2020

Bundesweite Umfrage zur Corona-Pandemie

Mehrheit fühlt sich belastet, vertraut den Gesundheitsmaßnahmen und ist für eine Vermögensabgabe für Reiche


Forschende der Universität Freiburg, Stuttgart und der Ludwig-Maximilians-Universität München haben vom 7. bis zum 17. Mai 2020 über 7.800 Personen in Deutschland zu ihren Erfahrungen und Einstellungen in der Corona-Pandemie online befragt. Die Ergebnisse stellen Prof. Dr. Uwe Wagschal, Dr. Sebastian Jäckle, Dr. Eva-Maria Trüdinger und Dr. Achim Hildebrandt nun vor: Nahezu jeder und jede Deutsche ist von der Pandemie in gewisser Weise betroffen. Nur fünf Prozent der Befragten sehen sich durch die Einschränkungen und Maßnahmen nicht beeinflusst. Dagegen fühlt sich jeder und jede dritte Befragte stark oder sogar sehr stark belastet, Frauen insgesamt stärker als Männer. Jüngere und ältere Menschen fühlen sich durch die Pandemie aber weniger belastet als Personen zwischen 30 und 60 Jahren.

Die gefühlte Belastung in einzelnen Regionen Deutschlands fällt sehr unterschiedlich aus, berichten die Forschenden. Besonders stark belastet fühlen sich die Befragten in den Regionen Chemnitz, Gießen, aber auch in Mittelfranken, Sachsen-Anhalt und der Region Dresden. Im Vergleich zu den offiziellen Fallzahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in den Regionen zeigt sich jedoch kein starker Zusammenhang zwischen den Zahlen der Infizierten und der gefühlten Belastung. Besonders die Menschen in Norddeutschland sind entspannter, aber auch in den am stärksten betroffenen Gebieten in Bayern und Baden-Württemberg fühlen sich die Befragten eher weniger stark belastet, trotz hoher Ansteckungszahlen und Todesfälle im Süden.

Neben der gefühlten Belastung gibt es auch Angst vor Beeinträchtigungen. Am stärksten ist die Furcht vor eigener Krankheit oder bei nahestehenden Personen: Für knapp 40 Prozent der Befragten ist das die größte Angst - neben der vor einem Einbruch der Wirtschaft sowie davor, ihre Lebensgewohnheiten einschränken zu müssen. Deutlich weniger Angst haben die Befragten dagegen vor Vereinsamung und eigener Arbeitslosigkeit. "Offensichtlich wird die Gefahr eigener Arbeitslosigkeit weniger dramatisch eingeschätzt als die gesamtwirtschaftlichen Folgewirkungen", erklärt Wagschal. "Insgesamt gibt es jedoch ein hohes Vertrauen in die Gesundheitsmaßnahmen des Bundes und der Länder", sagt der Freiburger Politikwissenschaftler: Über 60 Prozent der Befragten halten diese für geeignet, um die gesundheitlichen Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen. Deutlich skeptischer sind die Befragten hinsichtlich der Frage, ob die ergriffenen politischen Maßnahmen geeignet sind, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen. Davon sind nur knapp 35 Prozent der Befragten überzeugt.

Eine Mehrheit der knapp 7.800 befragten Personen hat eine klare Vorstellung davon, wer für die Kosten der Pandemie aufkommen soll: 51 Prozent halten eine Vermögensabgabe für Reiche für sehr sinnvoll, weitere 30 Prozent halten sie für teilweise sinnvoll. Dagegen halten nur knapp 3 Prozent generelle Steuererhöhungen für sehr sinnvoll. Die Idee, den Solidaritätszuschlag wiedereinzuführen, erachten nur rund 15 Prozent der Befragten für sehr sinnvoll.

"Insgesamt hält mit 59,9 Prozent eine deutliche Mehrheit der Befragten die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus nicht für übertrieben", betont Wagschal, "deutliche Unterschiede zeigen sich aber zwischen den Anhängerinnen und Anhängern der Parteien. Mehr als die Hälfte der FDP-Anhänger und fast drei Viertel der AfD-Anhänger halten die Maßnahmen für übertrieben, aber weniger als 15 Prozent der Anhänger von CDU/CSU, Grünen und SPD." Jedoch betrachtet auch die generell zustimmende Mehrheit die Maßnahmen differenziert: Schutzmaßnahmen wie die soziale Distanz zu erhöhen, betroffene Gemeinden abzuriegeln oder der Grenzen zu schließen, stimmt sie zu. Maßnahmen wie Telekommunikationsdaten elektronische zu überwachen oder parlamentarische Rechte einzuschränken, sieht sie deutlich kritischer.

Bei der Frage nach ihren Informationsquellen in Bezug auf die Corona-Berichterstattung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Anhängern der einzelnen Parteien: Die der CDU/CSU, der SPD und der Grünen vertrauen stark den offiziellen Webseiten wie der des Gesundheitsministeriums oder des RKI sowie den etablierten, öffentlich-rechtlichen Medien und Zeitungen. Die Anhänger der Linken und insbesondere der FDP weisen hier durchweg ein geringeres Vertrauen auf. AfD-Anhänger und die Anhänger anderer Parteien, darunter auch Befragte, die als Wahlpräferenz die neue Gruppierung "Widerstand 2020" angegeben haben, weichen deutlich vom Rest der Bevölkerung ab. Sie halten sämtliche Informationsquellen im Durchschnitt für eher nicht vertrauenswürdig und informieren sich am ehesten auf Internet-Blogs, YouTube sowie Sozialen Netzwerken - genau bei den Quellen, denen die restliche Bevölkerung am wenigsten Vertrauen entgegenbringt.


Ergebnisse der Online-Befragung "Politikpanel Deutschland"
https://www.politikpanel.uni-freiburg.de/

Originalpublikation:
https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2020/bundesweite-umfrage-zur-corona-pandemie?set_language=de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution69

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 19.05.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2020

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