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ENTWICKLUNGSHILFE/433: Rückgang der Entwicklungshilfe gefährdet Millenniumsziele (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2012

UN: Rückgang der Entwicklungshilfe gefährdet Millenniumsziele

von Thalif Deen



New York, 21. September (IPS) - Sollten die Entwicklungsländer die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) verfehlen, dann sind in erster Linie die westlichen Geberländer schuld. Diesen Vorwurf erhebt die Arbeitsgruppe 'MDG Gap Task Force', die jedes Jahr über den Stand dieser international vereinbarten Armutsbekämpfungsziele informiert. Ihrem Bericht zufolge haben die reichen Staaten ihren Teil der Vereinbarung nicht eingehalten.

Nachdem die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) 2010 einen Spitzenwert erreicht hatte, ging sie aufgrund finanzieller Sparzwänge im letzten Jahr in den 23 Geberstaaten um drei Prozent zurück. Von dem traditionellen Ziel dieser Länder, 0,7 Prozent ihrer Bruttonationaleinkommen (BNI) in die ODA zu investieren, haben sie sich weiter entfernt.

"Die sich hinziehende globale Wirtschaftskrise fordert mit Blick auf die internationale Entwicklungszusammenarbeit ihren Tribut", warnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon auf einer Pressekonferenz am 20. September in New York bei der Veröffentlichung des Reports 'The Global Partnership for Development: Making Rhetoric a Reality'. An die Adresse der Geberstaaten gewandt fügte er hinzu, dass die Sparmaßnahmen nicht zu Lasten der Entwicklungsländer gehen dürften.


ODA im Niedergang

Im letzten Jahr sei die ODA zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder gesunken, während gleichzeitig die handelsprotektionistischen Maßnahmen verstärkt worden seien, betonte Ban. Auch seien viel zu geringe Fortschritte beim Aufbau der globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und des Südens erreicht worden.

Dieses Ziel ist das einzige und letzte von acht übergeordneten Zielen, für dessen Umsetzung die Industriestaaten zuständig sind. Die übrigen MDGs, die im Anschluss an den New Yorker UN-Millenniumsgipfel im Jahr 2000 formuliert wurden, sehen bis 2015 die Halbierung von Hunger und Armut, Grundschulbildung für alle, die Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frau, die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern, die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria sowie die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit vor.

Der Bericht zeichne vielmehr das Bild einer geschwächten globalen Partnerschaft, so Ban im Vorwort der neuen Untersuchung. Die 23 Geberstaaten, die dem Ausschuss für Entwicklungshilfe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ((DAC/OECD) mit Sitz in Paris angehören, haben 2011 Entwicklungshilfe in Höhe von 133,5 Milliarden Dollar geleistet und damit eine Lücke von 167 Milliarden Dollar hinterlassen.

Vor allem Griechenland und Spanien - die die fortgesetzte Wirtschaftskrise besonders hart zu spüren bekommen, haben den Rotstift ansetzt. Sie kürzten ihre ODA um 39,3 respektive 32,7 Prozent. Doch auch Länder wie Österreich und Belgien strichen ihre Zuwendungen um 14,3 beziehungsweise 13,3 Prozent. Japan folgte mit einem Minus von 10,8 Prozent, nachdem es im Jahr zuvor einen signifikanten Zuschlag gegeben hatte.

Die einzigen Länder, die an ihrem UN-Ziel von 0,7 Prozent des BNE festgehalten haben, sind Schweden, Norwegen, Luxemburg, Dänemark und die Niederlande, wie der 84-seitige Bericht hervorhebt, demzufolge 2010 die fünf größten ODA-Empfängerländer Afghanistan (6,37 Milliarden Dollar), die Demokratische Republik Kongo (3,54 Milliarden Dollar), Äthiopien (3,52 Milliarden Dollar), Haiti (3,06 Milliarden) und Pakistan (3,01 Milliarden Dollar) gewesen waren.

Die Task Force hat die Geberländer aufgefordert, trotz aller finanziellen Probleme ihren ODA-Verpflichtungen nachzukommen und die für mehrere Jahre ausgelegten ODA-Finanzierungspläne transparent zu machen. Darüber hinaus forderte sie die Entwicklung neuer und innovativer Entwicklungshilfefinanzierungsinstrumente.

Auf die Frage, ob mit einem weiteren Rückgang der ODA zu rechnen sei, antwortete Rob Vos, Leiter der Abteilung für Entwicklungspolitik und Analyse der Hauptabteilung Wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (DESA): "Die Zeichen stehen nicht gut, denn viele Geberstaaten setzen auch weiterhin auf einen rigiden Sparkurs." In einigen Fällen, etwa den Niederlanden, sei bereits klar, dass die Hilfsetats in den kommenden Jahren betroffen sein werden.

Andererseits haben Länder wie Deutschland, Italien, Österreich, Schweden, die Schweiz und Südkorea zugesagt, trotz aller Sparzwänge die ODA zu erhöhen. Auch Großbritannien hat sich vorgenommen, das 0,7- Prozent-Ziel anzupeilen. "Wenn es also eine Frage der politischen Priorität ist, müssen Sparpläne nicht notwendigerweise die Entwicklungshilfe betreffen", meinte dazu Vos.

Der Bericht kann auch mit guten Nachrichten aufwarten. So ist es gelungen, trotz des globalen wirtschaftlichen Niedergangs die Ressourcen für wichtige Medikamente mit Hilfe einiger internationaler Gesundheitsfonds zu erhöhen. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria und die Globale Allianz für Vakzine und Immunisierung haben neue Mittel zugesagt. Auch in den Bereichen Armut, Wasser, Slums und Grundschulbildung konnten Zielvorgaben erreicht werden.

2010 hatten nicht-traditionelle Geber etwa sieben Milliarden Dollar an Entwicklungsgeldern zusammengebracht - ein Bruchteil des Betrages, den die OECD-Geber beigesteuert hatten. Im letzten Jahr waren es 133,5 Milliarden Dollar. Da bei der Rechnungsaufstellung China nicht berücksichtigt wurde, könnte der Beitrag der nicht-traditionellen jedoch deutlich höher ausfallen.

Vos zufolge haben auch die privaten Spenden zugenommen. Sie werden für 2010 auf zwischen 30 Milliarden und 56 Milliarden Dollar geschätzt. Darüber hinaus gibt es einige innovative Mechanismen wie die Internationale Finanzfazilität für Immunisierung (IFFIM) und das zur Bekämpfung von besonderen Seuchen (UNITAID), die aber nur in bescheidenem Maße Gelder anziehen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.un.org/en/development/desa/policy/mdg_gap/mdg_gap2012/mdg8report2012_engw.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/09/as-aid-shrinks-u-n-s-development-goals-under-threat/

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IPS-Tagesdienst vom 21. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2012