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KULTUR/383: Kulturmetropolen-Studie - Berlin auf Augenhöhe mit London, Paris, New York (idw)


Hertie School of Governance - 23.09.2015

Kulturmetropolen-Studie: Berlin auf Augenhöhe mit London, Paris, New York

• Berlins Kulturpolitik muss Zweiklassen-Förderung überwinden
• Digitaler Wandel und Diversität der Bevölkerung zu wenig beachtet


Berlin, 23. September 2015 - Berlin als Kulturmetropole ist heute mit London, Paris, New York und Toronto durchaus vergleichbar. Aber nicht nur, was die Vielfalt und die Bedeutung des Kultursektors angeht, auch mit Blick auf Herausforderungen und kulturpolitischen Reformbedarf können sich die Städte auf Augenhöhe vergleichen - und voneinander lernen. Die Studie "Berliner Kulturpolitik in international vergleichender Perspektive" des Centre for Cultural Policy der Hertie School of Governance stellt die genannten Städte und ihre Kulturpolitik erstmals systematisch einander gegenüber. Aus den Ergebnissen leitet Prof. Dr. Helmut K. Anheier, akademischer Direktor des Centres, unter anderem folgende Thesen ab:

In keiner Stadt ist die Ungleichbehandlung zwischen etablierten Einrichtungen der Hochkultur, in die 95 Prozent der Kulturausgaben fließen, und so genannter Freier Szene so ausgeprägt wie in Berlin. Um die kontraproduktive Abschottung der Sphären voneinander zu überwinden, sollte die Kulturpolitik auf eine permanente Schnittstelle setzen. Neben die klassische öffentliche Förderung sollten zivilgesellschaftlich organisierte Förderformen treten, wie es beispielsweise Toronto mit einem Arts Council und einer Arts Foundation vormacht.

Der Mangel von finanzierbarem Arbeits- und Wohnraum für Kulturschaffende ist in den Vergleichsstädten weit größer als in Berlin, doch auch hier ist er deutlich spürbar. Diesen Trend insgesamt aufzuhalten ist eine Illusion. Stattdessen sollte die Politik die innerstädtische Mobilität von Künstlern und das Entstehen neuer kultureller Hotspots fördern.

Auch die kulturelle Verarmung der Randbezirke und der Rückgang kultureller Bildungsangebote an Schulen sind Entwicklungen, mit denen alle Metropolen zu kämpfen haben. Berlin sollte diesem Trend jetzt entschieden entgegentreten, statt später verlorene Strukturen und niedrigschwellige Angebote mit weit höherem Aufwand wieder aufbauen zu müssen.

Der digitale Wandel und die wachsende Diversität der Stadtbevölkerung (23-50% mit Migrationshintergrund, Berlin: 27%) sind Phänomene mit unmittelbarer Bedeutung für Kunst und Kultur. Sie werden jedoch in den analysierten Städten allenfalls ansatzweise von der Kulturpolitik aufgegriffen. Berlin hat gute Voraussetzungen, um diese Themen auf seiner kulturpolitischen Agenda nach oben zu setzen.

Die Verteilung kulturpolitischer Aufgaben innerhalb der Verwaltung muss überdacht werden. Insbesondere die Trennung zwischen kulturpolitischer Zuständigkeit in der Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten und einer Zuständigkeit für Kultur- und Kreativwirtschaftspolitik beim Wirtschaftssenat erschwert ein Zusammendenken der Bereiche. Stattdessen sollte eine enge Verzahnung zwischen Kultur, Kreativwirtschaft und Wissenschaft gefördert werden.

London, New York und Toronto sammeln kulturpolitisch relevante Daten auf breiter Basis und unter Einbindung zahlreicher Akteure. Die öffentlich zugänglichen Daten erhöhen die Transparenz der Kulturpolitik und sind Vorstufe langfristiger strategischer Planung - ein Ansatz, der auch für Berlin empfehlenswert ist.


Die Studie "Berliner Kulturpolitik in international vergleichender Perspektive" von Janet Merkel, Postdoctoral Fellow, sowie begleitende Thesen von Helmut K. Anheier, Direktor des Centre for Cultural Policy, Hertie School of Governance, finden sich unter:
www.hertie-school.org/kulturstudie

Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen.


Weitere Informationen unter:
https://www.hertie-school.org/kulturstudie/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution855

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hertie School of Governance, Regine Kreitz, 23.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2015

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