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MENSCHENRECHTE/253: Mexiko - Menschenrechte großgeschrieben, nur nicht im eigenen Land (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2013

Mexiko: Menschenrechte großgeschrieben - Zu Hause nicht

von Daniela Pastrana



Mexiko-Stadt, 4. April (IPS) - Im Streit um die Reform der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) hat sich Mexiko stark dafür eingesetzt, dass die Machtbefugnisse der Kommission nicht beschnitten werden. Doch paradoxerweise könnte sich dieses Engagement negativ auf die Menschenrechtslage in Mexiko auswirken.

"Mexiko hat der Kommission nicht nur Rückendeckung gegeben, sondern dafür gesorgt, dass Regierungsvertreter der Kommission angehören", erläutert Simón Hernández vom Menschenrechtszentrum 'Miguel Agustín Pro Juárez'. "Wir befürchten, dass die Vertreter der mexikanischen Regierung Einfluss auf die Entscheidungen gegen Mexiko nehmen werden."

Hernández' Organisation hat sich bereits in mehreren Fällen an die Menschenrechtskommission gewandt: zum Beispiel nach dem Unglück in der Kohlemine 'Pasta de Conchos', als 65 Arbeiter im Jahr 2006 bei einer Methanexplosion ums Leben kamen, oder als im gleichen Jahr in San Salvador Atenco Polizisten im Zuge der Niederschlagung von Protesten mehrere Frauen vergewaltigten. "Mexikos Rhetorik auf internationalen Foren stand schon immer im krassen Gegensatz zur Praxis im eigenen Land", kritisiert Hernández.

Ein weiteres Beispiel dafür ist der sogenannte 'Baumwollfeld-Fall'. Im Jahr 2001 wurden acht Frauen im nordmexikanischen Ciudad Juárez umgebracht. Ihre Leichen wurden auf einer Müllhalde gefunden, die Baumwollfeld genannt wird. David Peña von der Nationalen Vereinigung Demokratischer Anwälte war einer der Rechtsvertreter, der den Fall vor den Interamerikanischen Menschenrechtshof brachte. Acht Jahre später wurde der mexikanische Staat schuldig gesprochen, bei drei der acht Morde ordentliche Gerichtsverfahren verhindert zu haben.

Im Jahr 2012 forderte die mexikanische Regierung das Gericht auf, anzuerkennen, dass sie ihren Verpflichtungen in dieser Frage nachgekommen sei. Doch tatsächlich ist die Zahl der Frauenmorde in den vergangenen Jahren sogar noch gestiegen und hat sich seit 2006 auch auf andere Teile des Landes ausgebreitet. Einer der Hotspots der Frauenmorde ist der Bundesstaat Mexico, in dem San Salvador Atenco liegt. Von 2005 bis 2011 stand der aktuelle Präsident Enrique Peña Nieto der Stadtregierung vor.

Seit der Gründung 1959 hat sich die CIDH zu dem wohl effektivsten Instrument der ansonsten weitgehend einflusslosen 35 Mitglieder zählenden Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) herausgestellt. Sie überwacht seit 1978 die Einhaltung der Menschenrechte in der Region und spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung von Meinungsfreiheit und Gleichheitsstandards.

Die Kommission verfügt über acht Sonderberichterstatter. Der Stab des Sonderberichterstatters für Meinungsfreiheit gilt als der dynamischste. Pro Jahr erhält dieser Bereich fast eine Million US-Dollar von externen Geldgebern.


Reformprozess umstritten

Gerade in den vergangenen Jahren haben sich einige Staaten - insbesondere Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Nicaragua und Venezuela - immer stärker von dem regionalen Menschenrechtssystem distanziert. Diese Entwicklung nahm im Januar 2012 Fahrt auf, als der OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza Forderungen nach einer Reform der CIDH-Verfahrensweisen nachgab. Venezuela, ein vehementer Kritiker, hat für September seinen Austritt aus dem System angekündigt. Ecuador will derweil ein paralleles System aufbauen.

Im Mai 2012 stellte dann Insulza selbst das System in Frage. "Wenn man sich die Statistiken anschaut, dann stehen nicht unbedingt die Länder, in denen die meisten Menschenrechtsverletzungen registriert werden, im Zentrum der CIDH-Untersuchungen, sondern die Staaten, in denen Nichtregierungsorganisationen das System zu nutzen verstehen."

Der umstrittene Reformprozess gilt als potenziell zerstörerisch für die interamerikanische Gerichtsbarkeit. Einige Länder scheren aus, andere versuchen, die Kommission zu schwächen. Kritik gibt es auch an der Finanzierung: Einerseits sind die USA mit einem Anteil von 1,3 Millionen US-Dollar an dem Jahresbudget von zehn Millionen Dollar der größte einzelne Geber der Menschenrechtskommission. Andererseits weigern sich die USA und Kanada seit Jahrzehnten, die Amerikanische Menschenrechtskonvention zu unterzeichnen. Ein Drittel des Budgets kommt darüber hinaus von der Europäischen Union, die ansonsten nichts mit dem System zu tun hat.

Bei einer Sitzung der OAS am 22. März verabschiedeten die 35 Mitglieder der Organisation eine Reihe von Reformen. Gravierende Einschnitte in ihre Befugnisse sind jedoch vorerst ausgeblieben. Der Dialog über die Reform geht jedoch weiter. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.centroprodh.org.mx/
http://anad1991.wordpress.com/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102586
http://www.ipsnews.net/2013/03/mexico-strong-on-human-rights-abroad-not-at-home/

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IPS-Tagesdienst vom 4. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2013