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MILITÄR/904: Irak - Waffen aus den USA, Abkehr von traditionellem Lieferanten Russland (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2011

Irak: Waffen aus den USA - Abkehr von traditionellem Lieferanten Russland

von Thalif Deen


New York, 15. Dezember (IPS) - Vor dem Abzug der 50.000 US-Soldaten aus dem Irak hat der Staatspräsident des seit fast neun Jahren besetzten Landes, Nuri al-Maliki, einen Abschiedswunsch. So soll Washington die irakischen Streitkräfte mit Waffen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar ausstatten.

Als langjähriger Verbündeter der ehemaligen Sowjetunion und später Russlands hatte der Irak unter Saddam Hussein keine militärischen Beziehungen zu den USA unterhalten. Nun jedoch werden die alten, vorwiegend aus russischen und französischen Beständen stammenden Rüstungsgüter ausgemustert und gegen US-amerikanische ausgetauscht.

Bei seinem Besuch im Weißen Haus am 15. Dezember erhielt al-Maliki die Zusage, dass Washington der schwachen irakischen Luftwaffe eine zweite Lieferung von 18 modernen F-16-Kampffliegern zukommen lassen werde. Die Iraker haben bereits mitgeteilt, dass sie an insgesamt 96 F-16-Kampfjets interessiert sind, die in vier Tranchen zugestellt werden sollen.

Seit Beginn des Golfkriegs im März 2003 hatten die USA einen Großteil der irakischen Hubschrauber und Raketen vernichtet. Wie al-Maliki gegenüber der Regierung von US-Präsident Barack Obama erklärte, braucht der Irak von Washington aber nicht nur neue Waffensysteme, sondern auch Unterstützung bei der Ausbildung der Soldaten. So hofft das Land auf eine Teilnahme seiner Soldaten am US-Militärausbildungs- und -trainingsprogramm IMET.

Zu Beginn des militärischen Wiederaufbaus hatten die USA die irakischen Truppen zunächst mit gebrauchten Kleinwaffen aus Sowjetbeständen und den Ländern des Warschauer Pakts ausgerüstet, da die irakischen Soldaten diese Waffen problemlos bedienen konnten. Seit 2005 jedoch ist man dazu übergegangen, das irakische Militär im Rahmen des Pentagon-Programms zur Finanzierung ausländischer Militärs (FMS) mit mehr US-Waffen auszurüsten.

Im August 2008 kam ein Waffendeal im Wert von 10,9 Milliarden Dollar zustande. Der Auftrag beinhaltete sechs Lockheed-C-130J Hercules-Transportflugzeuge, 24 mit modernen Hellfire-Lenkraketen und Raketenwerfen ausgestattete Bell-Hubschrauber, 140 Abrams-Kampfpanzer, 160 gepanzerte Sicherheitsfahrzeuge vom Typ Guardian-M1117, 392 leicht gepanzerte Fahrzeuge und 26 M72-Panzerbrecherwaffen.

Im Oktober 2010 kündigte das US-Verteidigungsministerium an, für den Irak ein weiteres Waffenpaket im Wert von 4,2 Milliarden Dollar zu schnüren, das 18 F-16-Kampfflugzeuge und AIM-9-Sidewinder-Luft-Luft-Raketen sowie lasergesteuerte Bomben und Überwachungsequipment enthielt.

Dem US-Verteidigungsministerium zufolge zielen die Rüstungslieferungen darauf ab, den Irak zu einem schlagkräftigeren Partner in einer wichtigen Weltregion zu machen und die "legitimen Bedürfnisse" des Iraks zu stützen. Auch gibt es von Seiten Washingtons Bestrebungen, die Waffenarsenale des Iraks mit Blick auf den benachbarten Iran aufzustocken, der einen großen politischen Einfluss auf al-Maliki ausübt.

Unter Saddam Hussein waren Armee und Marine vor allem mit russischen und französischen Waffensystemen ausgestattet. Dazu gehörten Aerospatiale- und Mi-17 Hubschrauber sowie T-55 und T-72 Kampfpanzer. Damals bestanden die irakischen Streitkräfte aus 900.000 Soldaten. Die Zahl ist inzwischen jedoch auf 250.000 zusammengeschmolzen. Die zunehmenden Erdöleinnahmen erlauben der Regierung inzwischen jedoch, alle Teilstreitkräfte - Armee, Luftwaffe und Marine - aufzumöbeln.

Wie aus jüngsten Zahlen des Forschungsdienstes des US-Kongresses hervorgeht, beliefen sich die irakischen Waffenkäufe zwischen 2002 und 2005 auf 8,1 Milliarden Dollar, wobei die USA die größten Lieferanten waren. Sie stellten Waffen im Wert von 5,2 Milliarden Dollar bereit.

Wie der Nahost-Rüstungsexperte Dan Darling gegenüber IPS erklärte, wurden viele der Geschäfte über Kredite von US-Programmen zur Finanzierung ausländischer Militärs und insbesondere über den Fonds für irakische Sicherheitskräfte (ISFF) des Pentagons abgewickelt. Die Fonds stehen für den Kauf von Equipment, den Aufbau der Infrastruktur sowie die Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte, Grenzposten, Polizisten und Geheimdienste bereit. Im Zeitraum von 2005 bis 2011 zahlte das Pentagon rund 20,6 Milliarden Dollar in den ISFF ein.

Seitdem die staatlichen Institutionen im Irak Form annehmen und das Vertrauen in die al-Maliki-Regierung zunimmt, werden immer mehr Bestellungen des Iraks - allein 2008 beliefen sie sich auf 16 Milliarden Dollar - via FMS abgewickelt. Darling, der für das Marktforschungsunternehmen 'Forecast International' (FI) mit Sitz in Connecticut arbeitet, beruft sich zudem auf irakische Medienberichte, wonach weitere Lieferungen im Wert von 26 Milliarden Dollar geplant sind. Die Hälfte soll bis 2013 via FMS abgewickelt werden. FI ist auf Weltraum- und Verteidigungsthemen spezialisiert.

In diesem Zusammenhang erinnert Darling daran, dass der Wiederaufbau der irakischen Streitkräfte in drei Phasen verläuft. In der ersten Phase (2006-2010) sei es darum gegangen, die militärischen Ränge personell aufzufüllen. In einer zweiten Periode (2011-2015) soll das erforderliche Rüstungsequipment beschafft werden. In Phase drei (2016-2020) geht es dann darum, die Ausrüstungslücken zu identifizieren und zu schließen.

Darling zufolge wird sich der Irak den Prognosen zufolge zu einem der wichtigsten Waffenmärkte in der Region Nahost entwickeln: hinter Saudi-Arabien und neben Israel, dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2011