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MILITÄR/913: Kasachstan - Ein neues Samarkand, Hafen Aktau soll Drehkreuz in Zentralasien werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Mai 2012

Kasachstan: Ein neues Samarkand - Hafen Aktau soll Drehkreuz in Zentralasien werden

ein Gastbeitrag von Joshua Kucera*



Astana, 30. Mai (IPS) - Die USA und Kasachstan führen Sondierungsgespräche über eine mögliche Ausweitung des Transports von Militärgütern von und nach Afghanistan durch das zentralasiatische Land. Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Hafenstadt Aktau am Kaspischen Meer.

Die kasachischen Behörden wollen Aktau in ein großes regionales Drehkreuz verwandeln. Dazu soll der Hafen vergrößert, das Frachtaufkommen am lokalen Flughafen erhöht und neue Schienenstrecken nach Turkmenistan und in den Iran gebaut werden.

Außerdem ist Kasachstan daran gelegen, dass seine Vorstellungen für Aktau in das US-unterstützte Konzept einer Neuen Seidenstraße einfließen. Geplant ist der Aufbau eines regionalen Transit-Straßennetzwerks, das helfen soll, Afghanistan nach dem Abzug der US- und NATO-Truppen zu stabilisieren.

Die politische Führung in Kasachstan betrachte die Militärkooperation mit den USA im Rahmen des Nördlichen Verteilungsnetzes als geeignetes Mittel, um das Ziel zu erreichen, meinte Birschan Keneschew, der stellvertretende Gouverneur der Region Mangistau, in der Aktau liegt. "Dem US-Militär bietet sich damit eine gute Gelegenheit, Waren über unseren Hafen und Flughafen zu verschicken", erklärte er.

"Wir werden Erfahrungen bei der Organisation multimodaler Transportgeschäfte sammeln, die es bisher in Kasachstan nicht gegeben hat, sagte Keneschew, der auf Joint Ventures mit US-Logistikunternehmen hofft. "Sie können Know-how und Technologien weitergeben, IT-Systeme aufbauen und Personal ausbilden."


Frühstück in Amritsar, Lunch in Aktau, Abendessen in Düsseldorf

US-Diplomaten, die über das Vorhaben einer Neuen Seidenstraßen diskutieren, zitieren oft den indischen Ministerpräsidenten, der im Scherz gesagt haben soll: "Ich träume von einem Tag, an dem wir in Amritsar frühstücken, in Lahore zu Mittag und in Kabul zu Abend essen können, während wir an unseren jeweiligen Identitäten festhalten." Dem kasachischen Botschafter in Washington, Erlan Idrissow, schwebt vor, das Frühstück in Amritsar, den Lunch in Aktau und das Abendessen in Düsseldorf einzunehmen.

Die Regierung des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew bewirbt Aktau als bessere Alternative für die NATO als die ebenfalls in Erwägung gezogene russische Stadt Uljanowsk. "Der kürzeste Weg (von Afghanistan) nach Europa führt über Aktau", sagte Keneschew. "Es ist ein langer Weg bis Uljanowsk". Wenn die USA Aktau nutzen, "können sie viel Geld sparen".

Ein Sprecher des kasachischen Außenministeriums wollte sich nicht direkt zu den Verhandlungen äußern. Der Informationsdienst 'EurasiaNet' zitiert das Ministerium aber mit den Worten: "Von 2009 bis 2011 sind bereits 15.430 Container aus den USA und Europa über den Hafen Aktau nach Afghanistan verschifft worden. Das war der größte Teil der Fracht, die das Nördliche Verteilungsnetz passiert hat."

Kasachstan sei bereit, durch neue Projekte zur Umsetzung der Initiative 'Neue Seidenstraße' beizutragen", hieß es weiter. Eines davon sei das Transport- und Logistikzentrum im Seehafen Aktau. Das Zentrum könne ein integraler Bestandteil der kasachisch-turkmenisch-afghanischen Route als Teil der Neuen Seidenstraße zwischen Zentral- und Südasien werden.

Die Planer im US-Verteidigungsministerium sind eifrig darum bemüht, ihre Optionen bezüglich des Nördlichen Verteilungsnetzes zu erweitern, nachdem Transitprobleme in Pakistan und in geringerem Maß in Usbekistan zu Verspätungen und Streckenunterbrechungen geführt hatten.


Alternativen in Russland und Indien

Als Alternativen werden Drehkreuze in Russland und Indien in Betracht gezogen. Angesichts der geografischen Lage Usbekistans und seiner unsicheren Beteiligung am Nördlichen Verteilungsnetz würde eine Aufstockung der Warentransporte über Aktau bedeuten, dass der Transitverkehr durch Turkmenistan und Afghanistan zunimmt.

US-Regierungsvertreter wollten keine Einzelheiten zu den Gesprächen mit Kasachstan über das Nördliche Verteilungsnetz nennen. "Wir sind bereit, mit allen Regierungen der Region über Optionen und günstige Gelegenheiten zu sprechen, um Transporte der USA und ihrer Alliierten von und nach Afghanistan zu erhöhen. Dies würde auch Aktau einschließen", sagte der Verteidigungsattaché in der US-Botschaft in Astana, Armeeoberst Robert Timm. "Es gibt einen Plan, hier ein multimodales Transit-Drehkreuz zu entwickeln." Insoweit diese Entwicklung für uns günstig ist. werden wir uns gern damit beschäftigen."

Sogar schon lange, bevor das Nördliche Verteilungsnetz konzipiert worden war, hatten US-Diplomaten das Potenzial von Aktau erkannt. Ein über Wikileaks veröffentlichter Diplomatenbericht von 2009 trug den Titel 'Die strategische Bedeutung des Seehafens Aktau'. In einem weiteren Report von 2008 wird die Bedeutung Aktaus für die Neue Seidenstraße mit der Rolle von Samarkand in dem ursprünglichen Netz von Karawanenstraßen zwischen dem Mittelmeer und Ostasien verglichen.

"Aktau ist verglichen mit Almaty und Astana noch eine verschlafene Stadt. Ihr Wachstumspotenzial ist jedoch beträchtlich, insbesondere wenn Öl aus Tengis und Kaschagan gen Westen verschifft wird", heißt es in dem Bericht. Die Kasachen sähen Aktau als potenzielle 'Hauptstadt' der kaspischen Region und als Zentrum für Transport, regionale Bildungszusammenarbeit und Tourismus. "Wenn die transkaspische Route die neue Seidenstraße für Zentralasien ist, könnte Aktau ihr Samarkand werden." (Ende/IPS/ck/2012)

* Joshua Kucera ist Experte in Fragen der militärischen Sicherheit. Der Artikel erschien zuerst auf EurasiaNet.org. Er wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung des 'Pulitzer Center on Crisis Reporting'.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2012