Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


MILITÄR/981: Im Schatten der Kriegshetze gegen Russland größtes NATO-Marinemanöver auf Sardinien (Gerhard Feldbauer)


Bisher größtes Marine-Manöver der NATO auf Sardinien

Im Schatten der Kriegshetze gegen Russland übten 65 Kriegsschiffe territoriale Okkupation

von Gerhard Feldbauer, 27. Mai 2022


Unter starken Protesten der Bevölkerung fand zwischen dem 3. und 27. Mai im Rahmen von Navy Open Sea 2022 das bisher größte Marinemanöver der NATO auf Sardinien statt. Am Kap Teulada an den südlichen Ausläufern der Ost- und Westküste der Insel übten mit Italien sieben weitere Mitgliedsländer mit 65 Kriegsschiffen, darunter U-Booten, und viertausend Soldaten Landeoperationen. Amphibieneinheiten trainierten auf schweren Landungsfahrzeugen, unterstützt von Jägern und Hubschraubern, die Eroberung fremder Territorien. Die Kräfte simulierten "hochintensive und sich schnell ändernde Szenarien, anhand derer die Interventionskapazitäten in verschiedenen Bereichen überprüft werden", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. Dazu gehörten "neue Kombinationen des Einsatzes", darunter die Expeditionary Advanced Base Operations der US-Marine, um den Aktionsradius der Seestreitkräfte und damit die Kontrolle strategischer Meere zu erweitern. Die sardische Zeitung Riformista verwies auf das unweigerliche Anwachsen der Spannungen zwischen "dem Atlantischen Bündnis und Moskau" im Ergebnis des Krieges in der Ukraine.

Höhepunkt der Widerstandes gegen das Großmanöver war am vergangenen Wochenende eine Demonstration von über 600 antimilitaristischen und pazifistischen Aktivisten und von Sozialzentren in Sant'Anna Arresi bei Teulada, die unter der Losung "Gegen Militärbasen, gegen Waffenfabriken, gegen die NATO und gegen Kriege" dagegen protestierten, dass während der Gefechtsübungen mit "scharfem Schuß" kilometerlang die Strände gesperrt wurden, Schiffen aller Art der Verkehr verboten wurde, echte Bomben und Raketen explodierten und die Strände verwüstet wurden. Die Aktivisten forderten ein Ende der Kriegsspiele, die stattfinden, während Europa in der Ukraine gerade einen kriegerischen Konflikt erlebt. Die Zeitung L'Unione Sarda sprach von einem von Militärschiffen "umringten" Sardinien, das "heute mehr denn je eine Kolonie und ein militärisches Gravitationszentrum Italiens und der NATO" ist. Kommunisten, darunter die Kommunistische Wiedergründungspartei PRC, prangerten an, dass Italien "zu einer militärischen Plattform der USA und der NATO im Mittelmeerraum" geworden ist und Sardinien darunter seit Jahren besonders leidet.

Mit den Militärpolygonen Capo San Lorenzo, Capo Frasca und Teulada bestehen dort die größten NATO-Stützpunkte Europas. Auf der Insel haben u. a. das NATO Joint Force Command Naples und das NATO Rapid Deployable Corps ihren Sitz. Die parteilose sardische Abgeordnete, Rechtsanwälin Mara Lapia, sprach im Parlament von einer "demütigenden Kriegssimulation" und forderte Premierminister Mario Draghi auf, "unser Land von diesem sinnlosen Akt der Gewalt", der die "kilometerlangen Küsten in eine Hölle verwandelt", zu befreien.

Die Einwohner Sardiniens erinnern sich noch gut daran, dass in den 60er Jahren die deutsche und die italienische Luftwaffe einen gemeinsamen Waffenstützpunkt in Salto di Quirra unterhielten. Auf einem etwa 120 Quadratkilometer großen Sperrgebiet wurde der militärische Ernstfall geprobt, beispielsweise der Einsatz in Afghanistan. Dabei wurden neue Waffensysteme getestet, die hochgiftige und krebserregende Stoffe freisetzten, die unter den Anwohnern zu hohen Krebsraten und Missbildungen bei Mensch und Tier führten. Die Zeitung Antimafia schrieb, dass im Zeitraum zwischen 2008 und 2016 in dem betreffenden Gebiet 860.000 Schüsse, davon 11.875 Raketen, abgefeuert wurden, was einer "Menge von 556 Tonnen hochgiftigem Kriegsmaterial" entspricht.

*

Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 27. Mai 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang