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REDE/743: Jung zur Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Kosovo, 13.05.09 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, zur Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der NATO-geführten Mission KFOR im Kosovo vor dem Deutschen Bundestag am 13. Mai 2009 in Berlin


Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wer zurückschaut und sich an den Prozess der deutschen Einheit erinnert - wir haben ja in diesem Jahr den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer -, nämlich dass wir die Einheit in Freiheit erreicht haben, ohne dass ein Tropfen Blut vergossen worden ist, dem wird die damals herrschende Euphorie wieder bewusst werden. Damals konnte man noch nicht ahnen - das nehme ich zumindest für mich in Anspruch -, dass wir ein paar Jahre später auf dem Balkan, also in Europa, wieder Massenhinrichtungen, Massenvergewaltigungen, Massenvertreibungen und kriegerische Auseinandersetzungen würden erleben müssen. Ohne den Einsatz der NATO und damit der Bundeswehr wären dort keine stabilen Verhältnisse eingetreten. Wir haben bisher rund 100.000 Soldatinnen und Soldaten in diesen Einsatz geschickt. Das zeigt, welchen Beitrag die Bundeswehr zur Stabilität und zu einer friedlichen Perspektive in Europa geleistet hat. Dafür möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten in dieser Debatte sehr herzlich danken.

Auch in der Frage der weiteren Stabilisierung sind wir einen weiteren Schritt vorangekommen. EULEX, die Rechtsstaats- und Polizeimission Europas, die im April dieses Jahres ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht hat, wird entscheidend zum Aufbau einer effektiven Polizei und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo beitragen. Wir leisten auch unseren Beitrag, um weiterhin die Kosovo Security Force aufzubauen. Im Zuge dessen wird das Kosovo Protection Corps abgebaut. Rund 1.500 Kräfte werden übernommen, weitere 400 werden hinzukommen. Dieser Großteil des Gesamtumfangs von 2.500 Kräften, die - davon gehen wir aus - im September der Kosovo Security Force angehören werden, befindet sich zurzeit in der Ausbildung. Mit EULEX und durch die Eigenverantwortung der Kräfte im Kosovo ist unserer Ansicht nach ein Übergang im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit möglich.

Kollege Stinner, ich kann Ihre Kritik nur zurückweisen. Wir sind in diesen Prozess sehr mit eingebunden, auch in der Frage, was die zukünftige Stärke betrifft; ich sage gleich noch etwas dazu. Wir dürfen aber aus meiner Sicht jetzt nicht durch Ad-hoc-Reaktionen und einen überschnellen Abzug die Stabilität und die friedliche Perspektive im Kosovo gefährden. Vielmehr müssen wir einen schrittweisen Übergang vollziehen.

Wir werden auch beim KSF-Trust-Fonds, also bei der Ausstattung und Ausrüstung dieser Kräfte, einen erheblichen Beitrag leisten. Wir werden uns mit zwölf Millionen Euro, ungefähr einem Drittel des Gesamtvolumens von rund 37 Millionen Euro, daran beteiligen. 204 Bundeswehrfahrzeuge werden an die Kosovo Security Force übergeben; 185 sind schon geliefert worden. Das zeigt, welchen Beitrag wir leisten, um den Kosovo in die Lage zu versetzen, selbst für seine Sicherheit und für Stabilität Sorge zu tragen.

Aber lassen Sie mich zu der Frage der zukünftigen Entwicklung, die Sie angesprochen haben, etwas sagen.

Erstens halte ich es für richtig, dass wir jetzt, da wir noch rund 2.300 Soldaten im Kosovo haben, die Obergrenze von 8.500 auf 3.500 reduzieren.

Zweitens haben wir uns vorgenommen, im Rahmen der NATO-Verteidigungsminister-Konferenz, die im Juni stattfindet, das Konzept "Deterrent Presence" - Sie haben es angesprochen -, "abschreckende Präsenz", zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Verantwortung der KFOR schrittweise auf die zivilen Strukturen und die eigenen Kosovo-Strukturen übergehen soll. Bisher ist beabsichtigt, die Zahl der Kräfte von 15.000 in der ersten Stufe auf 10.000 abzusenken und dann je nach Entwicklung der Lage einen weiteren Schritt in den Blick zu nehmen, um nicht letztlich das zu gefährden, was wir gemeinsam in den zurückliegenden Jahren aufgebaut haben.

Eins muss klar sein: Das Ziel von KFOR ist weiterhin, ein sicheres Umfeld für alle Bewohner des Kosovo zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Außenminister hat - zu Recht, wie ich finde - auf die eine oder andere kritische Entwicklung im Norden des Kosovo hingewiesen. Aber trotz größerer Demonstrationen in der letzten Zeit dort konnte die Lage bisher insgesamt stabil gehalten werden. Unser Auftrag wird weiterhin sein, die zivilen Missionen zu unterstützen - auch hier ist also das Konzept der vernetzten Sicherheit in der Umsetzung - und selbsttragende Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu schaffen.

Ab August dieses Jahres werden wir im Rahmen dieses Mandates wieder die Führungsverantwortung von KFOR übernehmen; auch das ist ein Beitrag zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes im Kosovo.

Wir müssen den Prozess der Stabilisierung und der Umstrukturierung in einem verantwortungsvollen Umfeld gestalten. Deshalb bitte ich um Zustimmung für die Verlängerung dieses Mandats. Wir müssen die weitere Entwicklung der politischen Lage im Blick behalten. Wir sollten über eine Reduzierung in einem abgestuften Verfahren nach einer entsprechenden Einschätzung der Lage entscheiden. Aber zunächst ist es notwendig, dass wir weiterhin unseren Beitrag zur Gewährleistung einer stabilen Entwicklung im Kosovo leisten. Damit schaffen wir eine europäische Perspektive, die in eine friedliche Zukunft führt. Das ist unser Auftrag, den wir weiterhin erfüllen wollen. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung.


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Quelle:
Bulletin Nr. 57-3 vom 13.05.2009
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, zur
Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der NATO-geführten
Mission KFOR im Kosovo vor dem Deutschen Bundestag am 13. Mai 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2009