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REDE/891: Minister Friedrich zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag, 06.09.2011 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers des Innern, Hans-Peter Friedrich, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 6. September 2011 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ist der islamistische Terror nach wie vor eine reale Bedrohung für Deutschland, für Europa und für die freie Welt. Es gilt aber auch: Terror und Angst haben nicht das letzte Wort. Unsere Werte, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, unsere freiheitlich-offene Gesellschaft und unser Rechtsstaat sind stärker.

In den vergangenen zehn Jahren seit 9/11 konnten unsere Sicherheitsbehörden mehrere ernstzunehmende Anschlagsversuche verhindern. Dies gelang ihnen aufgrund ihrer Professionalität, aber auch aufgrund der engen Kooperation mit unseren ausländischen Partnerbehörden. Aber es gilt auch: Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben, wie im Übrigen der tödliche Anschlag vom 2. März am Frankfurter Flughafen gezeigt hat. Unsere Sicherheitsbehörden geben jeden Tag ihr Bestes, um von den Bürgern unseres Landes Schaden abzuwenden. Dafür verdienen sie gerade an dieser Stelle den Dank und den Respekt dieses Hauses.

Nur in Sicherheit können die Menschen nach den Werten unseres Grundgesetzes in Freiheit leben. Sicherheit ist Grundlage von Freiheit und Demokratie. Sicherheit herzustellen, ist die Kernaufgabe eines jeden Gemeinwesens. Das Bundesministerium des Innern steht in besonderer Verantwortung, den Feinden der Demokratie, der Kriminalität, der Gewalt, dem Terrorismus und dem Extremismus entschlossen zu begegnen. Deutschland ist und bleibt eine wehrhafte Demokratie.

Die Bedrohung ist vielfältig. Die Anschlagsversuche mit Paketbomben aus dem Jemen im vergangenen Oktober haben deutlich gemacht, dass sich die Terroristen den neuen Sicherheitsstandards der Passagier- und Gepäckkontrollen bei Flugreisen angepasst und ihren Fokus jetzt auf die Luftfracht verlagert haben. Die Bundesregierung hat reagiert und einen Arbeitsstab "Luftfrachtsicherheit" eingerichtet. Der Maßnahmenkatalog, der erarbeitet wurde, wird in die Tat umgesetzt. Diese Umsetzung bedeutet auch einen deutlichen Aufgabenzuwachs für unsere Bundespolizei, verbunden mit erheblichen Personalaufstockungen. Das Fach- und Personalbedarfskonzept wurde vom Haushaltsausschuss gebilligt. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich. Der hierzu gefasste Beschluss ist aber nur ein erster Schritt für die Einleitung der notwendigen Maßnahmen. Ich hoffe sehr, dass wir bei den Beratungen dieses Thema gemeinsam angehen.

Die Gefährdungslage ist weiterhin auf einem hohen Niveau. Allerdings ändern sich die Bedrohungsmodalitäten. Es ist erforderlich, die staatlichen Instrumente zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus immer wieder den wandelnden Bedrohungen anzupassen. Dazu sind die Anti-Terror-Gesetze ein wesentliches Instrument. Die Bundesregierung hat am 17. August den Gesetzentwurf zur Verlängerung der nachrichtendienstlichen Befugnisse um vier Jahre beschlossen. Es geht dabei nicht darum, dass der Staat pauschal immer mehr Eingriffsbefugnisse bekommt, sondern darum, dass wir mit Augenmaß den Sicherheitsbehörden das für ihre Arbeit Notwendige ermöglichen. Verlängert wurde deswegen nur die Gültigkeitsdauer derjenigen Instrumente, die sich in der Praxis als erforderlich, notwendig und unabdingbar erwiesen haben. Ich hoffe sehr, dass auch für den Gesetzentwurf zur Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze Ihre Unterstützung im parlamentarischen Verfahren gesichert ist.

Auch unsere Sicherheitsstrukturen müssen den Herausforderungen sich wandelnder Kriminalität und terroristischer Bedrohung angepasst werden. Die geplante gemeinsame Ausbildung von Bundespolizei und Bundeskriminalamt dient dazu, Ressourcen zu bündeln und Synergien zu nutzen. Sie ist ein Beitrag dazu, die Sicherheitsarchitektur in Deutschland effizienter und effektiver zu gestalten.

Zu einer funktionierenden Demokratie gehört immer auch eine gut funktionierende Verwaltung. Gerade in Zeiten von Strukturanpassungen und Sparbemühungen sollten wir nicht vergessen, denen unser Augenmerk zu schenken, die unsere Entscheidungen vollziehen und in die Tat umsetzen sollen. Wir dürfen nicht vergessen, dass eine verlässliche Verwaltung Stabilitätsfaktor und Voraussetzung für Wirtschaft und Gemeinwesen gleichermaßen ist. Das Bewusstsein, an der Gestaltung des Gemeinwesens mitzuwirken, trägt zum hohen Arbeitsethos in unserem öffentlichen Dienst bei. Die Beamten und auch die Angestellten des öffentlichen Dienstes insgesamt verdienen unsere Wertschätzung.

Wir müssen darauf achten, dass der öffentliche Dienst auch in Zukunft attraktiv bleibt. Dazu ist es notwendig, dass wir den Angestellten und Beamten Perspektiven eröffnen, also Aufstiegsmöglichkeiten und finanzielle Ausstattung bieten. Dies gilt gerade im Bereich der Sicherheitsbehörden.

Die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden müssen sich immer wieder auf neue Herausforderungen einstellen, sich weiterqualifizieren und mit neuen technologischen Mitteln und Methoden Schritt halten. Es handelt sich hierbei wirklich um eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit.

Bei der Terrorismusabwehr spielt die Kriminalitätsbekämpfung im Cyberraum, also in der Gesamtheit aller verfügbaren Netze weltweit, eine zentrale Rolle. Wie die Anschläge vom Frankfurter Flughafen und von Norwegen in erschreckender Weise belegen, spielt das Internet bei der Radikalisierung von Einzeltätern eine wichtige Rolle. Es ist für unsere Sicherheitsbehörden wichtig, dass sie das Internet auf entsprechende Inhalte sichten und auswerten können. Im Bereich des islamistischen Terrorismus wird dies durch das Gemeinsame Internetzentrum in Berlin bereits jetzt erfolgreich praktiziert.

Die Schattenseiten der Internetnutzung werden allerdings nicht nur beim Terrorismus sichtbar. Täglich werden weltweit circa 21.000 Webseiten mit Schadprogrammen infiziert. Sicherheit im Cyberraum zu gewährleisten, ist eine der großen gemeinsamen Herausforderungen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Ich denke, es sollte auch der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit in der Innenpolitik der nächsten Jahre werden.

Die Bundesregierung hat diese Herausforderung durch den Beschluss der Cyber-Sicherheitsstrategie angenommen. Einer der Kernpunkte dieser Strategie ist der Aufbau des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums beim BSI in Bonn. Es ist seit dem 1. April 2011 online, und wir sind dabei, dieses Cyber-Sicherheitszentrum funktionsfähig zu machen. Es ist eine Informationsdrehscheibe zwischen den Sicherheitsbehörden und dient der besseren Koordinierung von Schutz- und Abwehrmaßnahmen gegen IT-Sicherheitsvorfälle. Es wird auch eine Möglichkeit bieten, entsprechende in der Wirtschaft vorhandene Kompetenzen zu nutzen und sie mit dem öffentlichen Bereich zu vernetzen.

Zur notwenigen und operativen Stärkung des Bundesamtes einschließlich des Aufbaus des Cyber-Abwehrzentrums sind für das kommende Jahr zehn Millionen Euro zusätzlich vorgesehen. Wir intensivieren den Schutz kritischer Infrastrukturen. Denn es ist wichtig, dass wir das, was für unsere tägliche Daseinsvorsorge notwendig ist, auch in der Zukunft funktionsfähig erhalten. Die Gewährleistung der Sicherheit im Cyberraum und der Schutz der kritischen Infrastruktur sind zu einer existenziellen Frage des 21. Jahrhunderts geworden. Sie erfordern ein hohes Engagement. Das muss uns unsere Sicherheit wert sein. Ich füge hinzu: Dafür benötigen wir entsprechende Finanzmittel, auch wenn Finanzmittel insgesamt knapp sind.

Wenn ich über knappe Finanzmittel rede, dann geht es auch um die Frage, wie wir mehr Menschen dazu bringen können, etwas zum Gemeinwesen beizutragen. Damit komme ich zu unserem Technischen Hilfswerk. Ohne die Mitwirkung von unzähligen ehrenamtlichen Helfern wäre die Sicherheitsvorsorge im Bereich unserer lebensnotwendigen Infrastrukturen nicht zu leisten.

Wir müssen kritische Infrastrukturen vor IT-Angriffen schützen. Aber Unwetter, Erdbeben oder Hochwasserkatastrophen können Auswirkungen von ähnlich verheerendem Ausmaß haben. Hier sind das Technische Hilfswerk und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verlässliche Partner. Sie sind zudem das Aushängeschild Deutschlands in der Welt - jetzt in Äthiopien, vor einem Jahr in Pakistan oder auch in Haiti. Ich glaube, wir haben allen Grund, den Menschen, die sich dort ehrenamtlich engagieren, dankbar zu sein und alles dafür zu tun, dass die Nachwuchsgewinnung auch nach Abschaffung der Wehrpflicht entsprechend vonstattengehen kann. Ich begrüße es deswegen sehr, dass für den Bereich des THW eine Ausnahmeregelung von der haushaltsgesetzlichen pauschalen Stelleneinsparung geschaffen werden konnte.

Wenn wir über das Ehrenamt reden, dann muss es zum Prinzip erklärt werden, dass ehrenamtliche Tätigkeit in der Gesellschaft nicht nur Wertschätzung erfährt, sondern dass dadurch auch konkret das Fortkommen der jungen Menschen befördert wird. Ich denke dabei an die Verbesserung des beruflichen Fortkommens durch die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen oder an die bevorzugte Vergabe von Praktikumsplätzen. All das muss auf den Weg gebracht werden, um den jungen Menschen zu signalisieren: Ihr werdet gebraucht. Eure Hilfe und eure Bereitschaft, euch für dieses Land einzubringen, werden gebraucht. Vonseiten der Gesellschaft sind wir dann bereit, euch zu unterstützen und Anerkennung zu zollen.

Sicherheit herzustellen, ist auch eine Kernaufgabe der Europäischen Union. Wir teilen einen gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. In diesem Zusammenhang spielte in den letzten Wochen und Monaten das Stichwort Schengen eine große Rolle. Schengen ist zu einem Synonym für Reisefreiheit in Europa und für das Zusammenwachsen Europas geworden. Deswegen wollen wir, dass Kontrollen im Schengen-Raum nur auf der Grundlage verbindlicher rechtlicher Vorschriften möglich sind.

Ich sage aber auch: Ich bin dagegen, dass wir Kompetenzen im Sicherheitsbereich auf die Europäische Union neu übertragen. Ein Staat - und somit auch unser Staat - hat als Kernaufgabe die Sicherstellung der Sicherheit seiner Bürger. Dazu muss er die notwendigen rechtlichen Grundlagen und Instrumente behalten; er kann sie nicht abgeben.

Wir sind uns einig, dass wir in diesem Land einen Fachkräftemangel haben, dem wir begegnen müssen. Wir sollten in erster Linie auf unser eigenes Potenzial setzen: auf das der deutschen Arbeitskräfte und der Menschen in Deutschland; aber auch auf das Potenzial, das wir in Europa zur Verfügung haben.

Wir sind uns in der Bundesregierung darüber einig, dass auch Hochqualifizierten aus Drittstaaten die Zuwanderung möglich gemacht werden muss. Deswegen werden wir die Hochqualifiziertenrichtlinie der EU, die sogenannte Blue Card, rasch umsetzen und damit diesem Bedürfnis Rechnung tragen, ohne zu übersehen, dass es schon heute eine Fülle von Möglichkeiten gibt, fleißige und tüchtige Arbeitskräfte, die wir in Deutschland brauchen, in unser Land zu holen.

Wenn es um die Aktivierung inländischer Fachkräfte geht, dann muss uns insbesondere die Familienpolitik am Herzen liegen. Zur Familienpolitik gehört auch, dass unsere Mütter und Väter ihre Familie und ihre Kinder sicher und geschützt wissen können. Deswegen dürfen wir nicht tatenlos und schulterzuckend daneben stehen, wenn Kinderwagen angezündet werden oder Autos brennen - auch in unserer Hauptstadt -, sondern wir müssen eingreifen.

Ich freue mich, dass wir über die Parteigrenzen hinweg - auch über die Grenzen der Gebietskörperschaften hinweg, Bund und Land gleichermaßen - gehandelt haben und dass hier in Berlin Bundespolizei und Berliner Polizei bei der Bekämpfung zusammengearbeitet haben.

Ich sage aber auch: Wir helfen als Bund gerne, aber wir können die Strukturversäumnisse, die in einigen Bundesländern sichtbar werden, langfristig natürlich nicht ausgleichen. Deswegen ist es dringend notwendig, sich darüber klar zu werden, dass Sicherheit ein Grundbedürfnis ist. Das muss man sich in allen Bereichen deutlich machen und dem Rechnung tragen.

Ich denke, dass dieser Haushaltsentwurf zum Ersten den klassischen Aufgaben des Innenministeriums gerecht wird,

zum Zweiten den neuen Herausforderungen - Stichwort: Internet - gerecht wird und

zum Dritten die richtigen Stellschrauben setzt, die für den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens wichtig sind.

In diesem Sinne wünsche ich für die nächsten Wochen und Monate gute Beratungen dieses Entwurfs.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 85-2 vom 06.09.2011
Rede des Bundesministers des Innern, Hans-Peter Friedrich,
zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 6. September 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2011