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SICHERHEIT/109: Abbau von russischen und US-Atomwaffenarsenalen verlangsamt sich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Dezember 2012

Abrüstung:
Abbau von russischen und US-Atomwaffenarsenalen verlangsamt sich

von Carey L. Biron



Washington, 18. Dezember (IPS) - Die USA und Russland haben die Anzahl ihrer Atomwaffen seit der Hoch-Zeit des kalten Krieges zwar massiv gesenkt. Doch hat sich die Reduzierung der Bestände verlangsamt. Dies ist das Ergebnis eines neuen Berichts der Vereinigung der Amerikanischen Wissenschaftler (FAS), denen zufolge beide Staaten zusammengenommen über 90 Prozent der weltweit existenten Kernwaffen verfügen.

"Die Geschwindigkeit, in der die Atomwaffenbestände verringert werden, nimmt ab", bestätigte Hans M. Kristensen, Leiter des Nuklearinformationsprojektes der FAS, am 17. Dezember in Washington. Sowohl die USA als auch Russland hielten sich inzwischen mit weiteren Reduktionen zurück und investierten Unsummen in die Modernisierung ihrer Atomwaffenarsenale.


Reduzierung der Arsenale um 16.000 Atomwaffen geplant

Seit 1991 haben die Vereinigten Staaten die Zahl ihrer Kernwaffen von etwa 19.000 auf 4.650 heruntergefahren, heißt es in dem von Kristensen verfassten FAS-Ausblick über die atomare Abrüstung für das kommende Jahrzehnt. Auch wenn keine offiziellen Zahlen zu den russischen Beständen vorliegen, geht die FAS davon aus, dass von den etwa 30.000 nur noch 4.500 übrig sind. (Allerdings gibt es in beiden Ländern zusammengenommen noch 16.000 Waffen, deren Zerstörung aussteht.)

Zwar zeigt die Verringerung der Atomwaffen den Erfolg internationaler Verhandlungen und Anstrengungen, doch fürchten die FAS-Analysten, dass der Trend auf lange Sicht an Fahrt und Relevanz verlieren wird.

Im letzten Jahr ist der zwischen beiden Seiten beschlossene Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen (START) in Kraft getreten. Doch sieht es dem FAS-Bericht zufolge ganz danach aus, dass bis zum Ablauf der im Abkommen vereinbarten Frist 2018 die Zahl der strategischen Waffen beider Länder nur "unwesentlich" abnehmen wird.

Kristensen appelliert an US-Präsident Barack Obama, die atomare Rüstungskontrolle, jetzt, nachdem die US-Wahlen gewonnen sind, wieder zu einer Priorität seiner Außenpolitik zu machen. Wie er betonte, wäre jetzt - angesichts der derzeitigen US-Schulden- und Ausgabendebatte - ein guter Zeitpunkt für eine unilaterale Reduzierung der US-Kernwaffenarsenale erreicht.

Der Pflugscharenfonds, eine Friedens- und Sicherheitsstiftung in Washington, hat auf US-Pläne hingewiesen, wonach in den kommenden zehn Jahren 640 Milliarden Dollar für das US-Atomwaffenprogramm ausgegeben werden sollen.

Präsident Obama hatte im April 2009 kurz nach Beginn seiner ersten Amtszeit in seiner historischen Rede in Prag erklärt, dass die USA als einzige Atommacht, die Atomwaffen gezündet haben, zum Handeln zugunsten einer atomwaffenfreien Welt moralisch verpflichtet seien. "Ich möchte heute also ganz deutlich und mit Überzeugung erklären, dass Amerika dazu bereit ist, Frieden und Sicherheit in einer Welt ohne Atomwaffen anzustreben", versicherte er.

In den darauffolgenden Jahren hielten sich die Aktivitäten der US-Legislativen in dieser Frage in Grenzen. Der wichtigste Schritt war die Ratifizierung des Neuen START-Abkommens. Doch Kristensen und andere halten auch diesen Vertrag für eine bescheidene Ausbeute, zumal Washington nach wie vor das Abkommen über ein umfassendes Atomtestverbot nicht ratifiziert hat.

Nach den US-Wahlen hat Präsident Obama sein "tief gehendes Interesse" an der atomaren Abrüstung bekräftigt. Erst kürzlich nahm er in einer längeren Rede zur US-Außenpolitik Bezug zu Äußerungen Russlands, wonach das derzeitige US-russische Abkommen mit den veränderten Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht Schritt gehalten habe. "Dazu sagen wir: Lassen wir uns das nachholen", meinte Obama.

Obamas Äußerung sei ein "wichtiges Signal an sein nationales Sicherheitsteam, den Kongress, die US-amerikanische Öffentlichkeit und die Welt, dass er vorhabe, die nicht erledigten Aufgaben zur Verringerung der Nuklearrisiken zum Abschluss zu bringen, meinte Daryl G. Kimball, Exekutivdirektor der Waffenkontrollvereinigung, in einer E-Mail an IPS. "Mit kühnen Schritten könnte Präsident Obama die globale atomare Bedrohung beträchtlich verringern, dem in Bedrängnis geratenen nuklearen Nichtverbreitungssystem wieder Auftrieb verleihen und für ein dauerhaftes internationales atomares Sicherheitserbe sorgen." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.fas.org/_docs/2012TrimmingNuclearExcess.pdf
http://carnegieendowment.org/files/beyond_treaties.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/12/rate-of-u-s-russian-nuclear-disarmament-slowing/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2012