Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 21.11.2016
DFG fördert 14 neue Sonderforschungsbereiche
• Forschungsverbünde erforschen Praktiken des Vergleichens, Neutrinos
und Dunkle Materie oder Robustheit des Sehens
• Rund 120 Millionen Euro Fördermittel für zunächst vier Jahre
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 14 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss auf seiner Herbstsitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 117,4 Millionen Euro gefördert. Hinzu kommt eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Forschungsprojekten. Sieben der 14 eingerichteten Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Forschungsstandorte verteilen. Alle neuen Sonderforschungsbereiche werden ab dem 1. Januar 2017 für zunächst vier Jahre gefördert.
Zusätzlich zu den 14 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 15 Sonderforschungsbereichen für jeweils eine weitere Förderperiode. Ab Januar 2017 fördert die DFG damit insgesamt 268 Sonderforschungsbereiche.
Über die Geschichte, die gesellschaftlichen und kulturellen Ursachen, über
die Funktionen und Wirkungen des Vergleichens ist bislang kaum etwas
bekannt - trotz häufiger Mutmaßungen über die Zunahme von Vergleichen in
bestimmten Epochen und in modernen Gesellschaften. Im
Sonderforschungsbereich "Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und
verändern" untersuchen Forscherinnen und Forscher aus Geschichts- und
Literaturwissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Politik- und
Rechtswissenschaft, wie sich die historisch variablen Praktiken des
Vergleichens zu Routinen, Regeln, Institutionen und Diskursen fügen - und
so Strukturen schaffen, aber auch Dynamiken mittlerer Reichweite oder
übergreifenden Wandel anstoßen können.
(Sprecherhochschule: Universität Bielefeld,
Sprecherin: Professor Dr. Angelika Epple)
In industriellen Umformprozessen von Metallen entstehen Schäden im Inneren
des Materials. Es ist nicht bekannt, wie die Schädigung durch
Umformprozesse, beispielsweise Walzen oder Tiefziehen, beeinflusst wird,
wie sie sich entlang der Prozesskette verändert und welchen Einfluss sie
später auf das Bauteilverhalten hat. Der
Sonderforschungsbereich/Transregio "Schädigungskontrollierte
Umformprozesse" will daher neue Methoden und Technologien zur Kontrolle
und Vorhersage der Schädigung wie auch der Bauteileigenschaften
entwickeln.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Dortmund,
Sprecher: Professor Dr.-Ing. A. Erman Tekkaya;
weitere antragstellende Hochschule: Rheinisch-Westfälische
Technische Hochschule Aachen)
Ziel des Sonderforschungsbereichs/Transregio "Mobile
Material-Charakterisierung und -Ortung durch Elektromagnetische Abtastung" ist es,
neuartige Ansätze für mobile Materialdetektoren zu erproben. So könnten
die Materialeigenschaften beliebiger Objekte bestimmt werden, selbst wenn
diese hinter einer Wand verborgen liegen; beispielsweise ließen sich in
verrauchten oder mit giftigen Gasen kontaminierten Gebäuden bewusstlose
Personen auffinden oder brennende Kabel innerhalb von Wänden aufspüren.
Dafür gilt es, mobile Detektoren zu entwickeln, die im Frequenzbereich von
mehreren Gigahertz bis hin zu Terahertz Daten erfassen, mit denen sich
eine komplexe Umgebung präzise orten und charakterisieren lässt.
(Sprecherhochschule: Universität Duisburg-Essen,
Sprecher: Professor Dr.-Ing. Thomas Kaiser;
weitere antragstellende Hochschule: Ruhr-Universität Bochum)
Myeloide Zellen - das sind die Immunzellen des Gehirns - spielen eine
wichtige Rolle für die Funktion des zentralen Nervensystems. Sie stehen im
Mittelpunkt der Arbeit des Sonderforschungsbereichs/Transregio
"Entwicklung, Funktion und Potenzial von myeloiden Zellen im zentralen
Nervensystem (NeuroMac)". Mithilfe neuester Methoden der molekularen
Immunologie und Neurowissenschaften, wie In-vivo-Mikroskopie oder Genome
Editing, werden Forscherinnen und Forscher die Rolle von myeloiden Zellen
bei Erkrankungen wie Schlaganfall, Multipler Sklerose und den
Alzheimerschen und Huntingtonschen Erkrankungen erforschen.
(Sprecherhochschule: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
Sprecher: Professor Dr. Marco Prinz;
weitere antragstellende Hochschulen: Freie Universität Berlin und
Humboldt-Universität zu Berlin)
Der Sonderforschungsbereich "N-Heteropolyzyklen als Funktionsmaterialien"
bewegt sich auf dem Feld der Organischen Elektronik und erforscht neue,
gänzlich organische Halbleiter. Als grundlegende Baueinheiten für die
Halbleiter verwendet der Verbund sogenannte N-Heteropolyzyklen und
untersucht deren Charakteristika. Die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler wollen das gesamte Spektrum von der synthesechemischen
Methodenentwicklung und der physikalischen und theoretischen
Charakterisierung der organischen Halbleiter bearbeiten - bis hin zur
Frage, wie sich die Materialeigenschaften der N-Heteropolyzyklen in
optoelektronischen Bauelementen, zum Beispiel einer Solarzelle, auswirken.
(Sprecherhochschule: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,
Sprecher: Professor Dr. Lutz H. Gade)
Moderne Hochleistungscomputer mit mathematischer Software haben gerade im
Bereich der Algebra, wo exakte Berechnungen unumgänglich sind, ein enormes
Rechenpotenzial, das bisher nur unzureichend genutzt wird. Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des
Sonderforschungsbereichs/Transregio "Symbolische Werkzeuge in der
Mathematik und ihre Anwendung" planen bestehende, zu großen Teilen von
ihnen selbst entwickelte Computeralgebrasysteme weiterzuentwickeln. Damit
sollen einerseits grundlagenwissenschaftliche mathematische
Fragestellungen beantwortet werden; andererseits soll die Software als
Open-Source-System allgemein verfügbar gemacht werden.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Kaiserslautern,
Sprecher: Professor Dr. Gunter Malle;
weitere antragstellende Hochschulen: Rheinisch-Westfälische Technische
Hochschule Aachen, Universität des Saarlandes)
Die symplektische Geometrie hat ihre Wurzeln in der klassischen Mechanik.
Sie erlaubt dort eine koordinatenfreie Formulierung der zentralen
Bewegungsgleichungen und damit ein tieferes Verständnis der zugrunde
liegenden Dynamik. Der Sonderforschungsbereich/Transregio "Symplektische
Strukturen in Geometrie, Algebra und Dynamik" untersucht symplektische
Strukturen und die Anwendungen symplektischer Techniken auf
Themenstellungen aus den Bereichen Geometrie, Algebra, Dynamische Systeme,
Topologie, Kombinatorik und Optimierung. Der Verbund knüpft dabei
Beziehungen zu Disziplinen, in denen das Potenzial eines symplektischen
Zugangs bislang kaum oder noch nicht voll realisiert ist, oder die
ihrerseits neue Methodologien zum Studium symplektischer Fragen beitragen
können, beispielsweise die Informatik.
(Sprecherhochschule: Universität zu Köln,
Sprecher: Professor Dr. Hansjörg Geiges;
weitere antragstellende Hochschule: Ruhr-Universität Bochum)
Wie wird Information in Sprache organisiert und strukturiert? Der Faktor
der "Prominenz" spielt eine zentrale Rolle beim Aufbau sprachlicher
Strukturen. Der Sonderforschungsbereich "Prominenz in Sprache" verbindet
anhand der formulierten Frage nicht nur verschiedenste Teilbereiche der
Linguistik wie Phonetik/Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik,
Pragmatik und Diskurs. Er untersucht auch die Beziehungen zwischen
linguistischer Prominenz und generellen kognitiven Mechanismen wie der
Akzentuierung von Aufmerksamkeit - so ergeben sich Anknüpfungspunkte an
die Psychologie und die Klinische Linguistik.
(Sprecherhochschule: Universität zu Köln,
Sprecher: Professor Dr. Klaus von Heusinger)
Bakterien sind entgegen einer lange vorherrschenden Auffassung
hochorganisierte Einheiten, deren Funktion durch die präzise
Positionierung von Biomolekülen in ihrem Innern garantiert wird. Der
Sonderforschungsbereich/Transregio "Räumlich-zeitliche Dynamik
bakterieller Zellen" nimmt unterschiedlichste Aspekte zellulärer
Organisation in den Blick, wie die räumlich-zeitliche Regulation der
Zellteilung, des Wachstums und der Morphogenese, die Organisation und
Segregation chromosomaler DNA und die Dynamik der Bildung von
(Membran-)Proteinkomplexen. So will der Sonderforschungsbereich/Transregio
die molekularen Systeme, die für die Kontrolle dieser zellulären Prozesse
verantwortlich sind, identifizieren und die räumlich-zeitliche Dynamik
bakterieller Zellen besser verstehen.
(Sprecherhochschule: Philipps-Universität Marburg,
Sprecher: Professor Dr. Martin Rudolf Thanbichler;
weitere antragstellende Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität
München)
Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio "Rationalität und
Wettbewerb: Die ökonomische Leistungsfähigkeit von Individuen und
Unternehmen" arbeiten Vertreterinnen und Vertreter der Verhaltensökonomie
und der neoklassischen Ökonomie zusammen. Sie wollen ergründen, wie
Verzerrungen und Anomalien im Verhalten von Individuen und Unternehmen
zusammenhängen und welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen Konsumenten und
Arbeitnehmer wirksam vor Fehlentscheidungen und Ausbeutung schützen
können.
(Sprecherhochschule: Ludwig-Maximilians-Universität München,
Sprecher: Professor Dr. Klaus Schmidt;
weitere antragstellende Hochschule: Humboldt-Universität zu Berlin)
Die titelgebenden "Neutrinos und Dunkle Materie in der Astro- und
Teilchenphysik (NDM)" untersucht ein Sonderforschungsbereich in München.
Er beschäftigt sich vor allem mit Neutrinos, den häufigsten
Materieteilchen des Universums, und Dunkler Materie, die für die kosmische
Dynamik auf galaktischen und noch größeren Skalen verantwortlich ist.
Dabei geht er unter anderem der bislang offenen Frage nach, ob Neutrinos
ihre eigenen Antiteilchen sind und ob sie sterile Partner haben. Die
Antwort auf diese Frage könnte klären, weshalb unsere Welt mit mehr
Materie als Antimaterie erschaffen wurde.
(Sprecherhochschule: Technische Universität München,
Sprecherin: Professor Dr. Elisa Resconi)
Der hohe Ressourcenbedarf des Bauwesens, eine insbesondere im urbanen Raum
rapide wachsende Weltbevölkerung und sich ändernde Bedürfnisse der
Bewohnerinnen und Bewohner verlangen nach grundlegend neuen
architektonischen Konzepten. Der Sonderforschungsbereich "Adaptive Hüllen
und Strukturen für die gebaute Umwelt von morgen" will deshalb Konzepte
für anpassungsfähige Gebäude entwickeln. Dazu untersucht der Verbund das
Potenzial adaptiver Elemente für tragende Strukturen, Hüllsysteme und
Innenausbauten. Bauwerke werden so von einer Immobilie zu einer "Mobilie",
die auf äußere Einflüsse aktiv reagieren kann.
(Sprecherhochschule: Universität Stuttgart,
Sprecher: Professor Dr.-Ing. Werner Sobek)
Mithilfe unseres Sehsinns können wir Objekte selbst unter sehr
unterschiedlichen Bedingungen verlässlich identifizieren, wir besitzen
daher eine robuste visuelle Inferenz. Diese Fähigkeit erfordert komplexe
Berechnungen, die die Nervenzellen unseres visuellen Systems vornehmen.
Ziel des Sonderforschungsbereichs "Robustheit des Sehens - Prinzipien der
Inferenz und neuronale Mechanismen" ist es, die Prinzipien und Algorithmen
aufzudecken, die robustes Sehen ermöglichen. Dabei sollen auch von
technischen Algorithmen des menschlichen Lernens und der
Computer-Vision-Forschung Rückschlüsse auf das biologische Sehen erzielt
werden.
(Sprecherhochschule: Eberhard Karls Universität Tübingen,
Sprecher: Professor Dr. Matthias Bethge)
Vorherzusagen, in welchem Ausmaß Schadstoffe unsere Landschaften
langfristig belasten und verändern, stellt eine große Herausforderung für
die Geo- und Umweltforschung dar - zumal die äußerst komplexen Prozesse
mit Laborexperimenten nur schwer erfassbar sind. Der
Sonderforschungsbereich "CAMPOS - Stoffumsatz in Einzugsgebieten:
Metabolisierung von Schadstoffen auf der Landschaftsskala" untersucht
deshalb den Transport und Umsatz von Schadstoffen in den großräumigen und
langfristigen Prozessketten, wie sie in der Natur vorherrschen. Er tut
dies mithilfe neuartiger Beobachtungssysteme sowie numerischer
Landschaftsmodelle; so möchte der SFB die Grundlage für zuverlässigere
Voraussagen der zukünftigen Boden- und Wasserqualität unter den
Bedingungen des Klima- und Landnutzungswandels schaffen.
(Sprecherhochschule: Eberhard Karls Universität Tübingen,
Sprecher: Professor Dr. Peter Grathwohl)
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten
Sonderforschungsbereichen auch unter:
www.dfg.de/sfb
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Magdalena Schaeffer, 21.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2016
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