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INTERNATIONAL/041: Entwicklungsländer - Billionen-Verlust durch Korruption, Steuer- und Kapitalflucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Dezember 2012

Finanzen:
Billionen-Verlust für Entwicklungsländer durch Korruption, Steuer- und Kapitalflucht

von Jim Lobe



Washington, 18. Dezember (IPS) - Die Entwicklungsländer haben einem neuen Bericht zufolge im Jahr 2010 fast eine Billion US-Dollar durch Korruption, Steuerflucht und andere Kapitaltransferdelikte verloren.

Nach Berechnungen der Non-Profit-Organisation 'Global Financial Integrity' (GFI) auf der Grundlage von Handels- und Finanzdaten büßten die Entwicklungsländer trotz beispielloser Gegenmaßnahmen von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen insgesamt rund 859 Milliarden Dollar ein.

Der Betrag übersteigt die im gleichen Jahr geleistete öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) in Höhe von 88 Milliarden um das Zehnfache. "Das heißt, dass auf jeden Dollar, der für die wirtschaftliche Entwicklung des Südens aufgebracht wurde, zehn Dollar kommen, die unrechtmäßig aus den Entwicklungsländern abgeflossen sind", sagte der Ko-Autor des Berichts, Dev Kar, bei der Vorstellung der Untersuchung am 17. Dezember in Washington.

Da dem Betrag eher konservative Zahlen bis 2010 zugrunde lagen, die vorwiegend von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) stammen, und Bargeld-Transaktionen nicht berücksichtigt wurden, hält die GFI die 2010 durch illegale Transaktionen verursachten Verluste in Höhe von 1,14 Billionen Dollar für realistisch.

Die den Ländern des Südens verursachten Einbußen, die durch manipulierte Rechnungen, Hawala-Transaktionen und illegale Bargeldabwicklungen entstehen, wurden ebenso wenig berücksichtigt wie die Einnahmen aus dem internationalen Drogen- und Menschenhandel.


Größter illegaler Mittelabfluss aus China

Dem 80 Seiten starken Bericht 'Illegale Finanzflüsse aus den Entwicklungsländern: 2001-2010' ('Illicit Financial Flows From Developing Countries: 2001-2010') zufolge verbucht China die größten Verluste infolge illegaler Finanztransaktionen. GFI schätzt die jährlichen Einbußen der Volksrepublik auf durchschnittlich 274 Milliarden Dollar. Für den Zeitraum 2001 bis 2010 ergibt sich demnach ein Gesamtverlust von 2,74 Billionen Dollar. Allein 2010 lagen die Einbußen bei 420,36 Milliarden Dollar.

Mexiko folgt mit jährlichen Verlusten in Höhe von 47,6 Milliarden. 51,2 Milliarden Dollar waren es allein 2010. Malaysia verlor durchschnittlich 28,5 Milliarden Dollar pro Jahr, 2010 sogar 64,38 Milliarden Dollar. Saudi-Arabien und Russland mussten jährliche Verluste von 21 Milliarden beziehungsweise 15,2 Milliarden Dollar hinnehmen, die allein 2010 38,2 Milliarden respektive 43,6 Milliarden Dollar erreichten.

Die übrigen Länder, die zu den Top Ten der Länder zählen, die 2010 durch gesetzeswidrige Finanztransaktionen geschädigt wurden, sind der Irak (22,2 Milliarden Dollar); Nigeria (19,66 Milliarden Dollar); Costa Rica (17,51 Milliarden Dollar), die Philippinen (16,62 Milliarden Dollar) und Thailand (12,37 Milliarden Dollar).

Wenngleich die am stärksten betroffenen Staaten aus den Reihen der Länder mittleren oder hohen Einkommens wie Katar und den Vereinigten Arabischen Staaten stammen, waren auch einige der ärmsten Länder der Welt betroffen. Neben Nigeria und den Philippinen sind dies der Sudan (8,58 Milliarden Dollar) und Äthiopien (5,64 Milliarden Dollar). Indien nimmt mit einem jährlichen Durchschnittsverlust von 12,3 Milliarden Dollar den achten Platz auf der Skala der am stärksten durch illegale Finanztransaktionen betroffenen Staaten ein.

"Astronomische Summen an schmutzigem Geld fließen auch weiterhin von den Entwicklungsländern in Steueroasen und die Banken der Industriestaaten", so der GFI-Chef Raymond Baker. "Entwicklungsländer bluten in einer Zeit, in der sich reiche und arme Länder um Wirtschaftswachstum bemühen, immer weiter aus. Der Bericht sollte ein Weckruf an die internationalen Entscheidungsträger sein, mehr gegen diese schädlichen Mittelabflüsse zu unternehmen."

Dem GFI-Bericht zufolge waren Fehlbewertungen für den Großteil der illegalen Abflüsse aus Entwicklungsländern im letzten Jahrzehnt verantwortlich. Der illegale Transfer wird auch durch Korruption einschließlich Bestechung, illegal kassierte Provisionen und Diebstahl ermöglicht, heißt es in dem Bericht. Im letzten Jahrzehnt gingen den Entwicklungsländern auf diese Weise durchschnittlich 586 Milliarden Dollar pro Jahr verloren - 5,86 Billionen Dollar waren es über den gesamten Untersuchungszeitraum.


Lateinamerika und Karibik weniger stark betroffen

Effektiv sind die illegalen Finanzflüsse trotz der globalen Finanzkrise Ende 2008 jährlich um 8,6 Prozent gestiegen, wobei alle Entwicklungsregionen gleichermaßen betroffen waren. Der Nahe Osten und Nordafrika verbuchten mit durchschnittlich 26,3 Prozent pro Jahr die größten illegalen Finanzströme. Subsahara-Afrika folgte mit 23,8 Prozent. Der durchschnittliche jährliche Anstieg für Asien, auf das fast 61 Prozent der illegalen Finanzströme aus den Entwicklungsländern entfiel, betrug fast acht Prozent. In Lateinamerika und der Karibik fiel der Anstieg mit 2,65 am niedrigsten aus.

Der neue Report hat sich nicht mit den illegalen Transaktionen befasst, die in der Regel bar abgewickelt werden. Jedoch schätzte die GFI die jährlichen Profite des Drogenhandels in den Entwicklungs- und Industrieländern in einem vorangegangenen Bericht auf 320 Milliarden Dollar. Ein weiterer illegaler Industriezweig - der Handel mit gefälschten Produkten und Falschgeld - generiert jedes Jahr Einnahmen in Höhe von 250 Milliarden Dollar. Die Gewinne aus dem Menschenhandel werden auf jährlich 31,6 Milliarden Dollar geschätzt.

Um mit dem Problem der illegalen Finanzabflüsse fertig zu werden, empfiehlt die GFI unter anderem neue Übereinkünfte und Gesetze, die eine Erfassung aller Begünstigten sämtlicher Banken- und Sicherheitskonten und aller "wahren" Eigentümer von Unternehmen, Trusts und Stiftungen bei deren Gründung ermöglichen. Auch müssten die Zoll- und Handelsprotokolle reformiert werden, um illegale Handelsflüsse besser aufspüren zu können. Zudem müssten alle grenzüberschreitenden Verkäufe, Profite und Steuerzahlungen erfasst werden. Darüber hinaus sollen Länder steuerrechtliche Hinweise zu den Konten von Einzelpersonen und Unternehmen automatisch austauschen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://iff.gfintegrity.org/documents/dec2012Update/Illicit_Financial_Flows_from_Developing_Countries_2001-2010- HighRes.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/12/financial-crimes-cost-developing-world-at-least-a-trillion-dollars/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2012