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INTERNATIONAL/067: El Salvador - Weltbank-Tribunal entscheidet in Konflikt mit australischem Multi (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. September 2014

El Salvador: Weltbank-Tribunal entscheidet in Konflikt mit australischem Multi

von Carey L. Biron



Washington, 17. September (IPS) - Im langjährigen und verfahrenen Streit zwischen einem transnationalen Bergbaukonzern und der Regierung von El Salvador ist in Washington die letzte Runde von Anhörungen vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) der Weltbankgruppe angelaufen.

Das australische Unternehmen 'OceanaGold' hat das Verfahren mit der Begründung angestrengt, dass ihm eine seit einem Jahrzehnt überfällige Genehmigung verweigert werde, in dem zentralamerikanischen Land nach Gold zu schürfen. Die Regierung von El Salvador hingegen beruft sich auf eigene nationale Gesetze und Bestimmungen zum Schutz von Mensch und Umwelt. Darüber hinaus würde das Projekt die Wasserversorgung des Landes gefährden.

El Salvador argumentiert weiter, dass sich OceanaGold nicht an die grundlegenden Anforderungen gehalten habe, um als Goldproduzent in Frage zu kommen. 2012 hatte die Regierung ein Moratorium für alle Bergbauprojekte im Lande erneuert. Doch OceanaGold ist es dank einer umstrittenen Klausel im Freihandelsabkommen DR-CAFTA gelungen, das kleine Land am Isthmus auf die Zahlung von mehr als 300 Millionen US-Dollar für entgangene Profite zu verklagen.


Staatliche Souveränität gefährdet

"Der Fall bedroht die Souveränität und Selbstbestimmung des salvadorianischen Volkes", meint dazu Hector Berrios. Der Koordinator von MUFRAS-32 gehört dem Nationalen Runden Tisch El Salvadors gegen den Metallbergbau an. "Die Mehrheit der Bevölkerung hat sich gegen dieses Projekt entschieden und räumt dem Wasser Priorität ein", schreibt er in einer Mitteilung zur Aufnahme der Anhörungen durch ICSID am 15. September.

Das OceanaGold-Projekt sieht unter anderem vor, dass die kleineren Goldmengen mit Hilfe von Zyanidlauge und - wie die Kritiker sagen - mit Unmengen von Wasser aus dem Gestein gelöst werden sollen. Diese Aussichten haben die Anrainer des Bergbauprojekts in Aufruhr versetzt, zumal die Vereinten Nationen herausgefunden haben, dass 90 Prozent des salvadorianischen Oberflächenwassers bereits verseucht sind.

Am 15. September, dem Tag der Unabhängigkeit von El Salvador, fanden sich rund 100 Demonstranten vor dem Weltbank-Hauptquartier in Washington ein, um zum einen ihre Solidarität mit dem zentralamerikanischen Land und zum anderen ihr Misstrauen gegenüber dem ICSID-Prozess als solchen zum Ausdruck zu bringen.

"Wir feiern die Unabhängigkeit, doch was wir wirklich feiern sollten, wäre die Würde und Möglichkeit aller Menschen und nicht nur einiger weniger, ein gutes Leben führen zu können", meinte der Franziskanerpater Eric Lopez in der Nähe einer Washingtoner Kirche, die eine größere Gemeinschaft salvadorianischer Migranten mit Lebensmitteln versorgt.

"Bei diesem Bergbauverfahren kämen einige wirklich giftige Substanzen - Zyanid und Arsen - zum Einsatz. Letztendlich sind es die Menschen, die die Folgen zu spüren bekommen. Sie bleiben arm, werden krank und schwangere Frauen leiden", meinte Lopez gegenüber IPS.

Die Rechtsprechung in dem Fall ist kompliziert und zeigt nach Ansicht einiger Analysten vor allem, dass sich das ICSID im Zusammenhang mit dem salvadorianischen Projekt auf sehr dünnem Eis bewegt.

Ursprünglich war es ein anderer Multi, 'Pacific Rim' mit Sitz in Kanada, gewesen, der die lukrativen Mineralienvorkommen längs des salvadorianischen Flusses Lempa im Jahr 2002 entdeckt hatte. Die damalige investorenfreundliche Regierung in San Salvador hatte, bis sie abgewählt worden war, das Unternehmen dazu ermuntert, sich um eine Genehmigung zu bemühen. Doch aufgrund des öffentlichen Widerstands geriet der Prozess ins Stocken.

Erbost über den Verlauf der Entwicklungen strengte Pacific Rim auf der Grundlage einer Klausel im DR-CAFTA zwischen USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik ein Verfahren gegen El Salvador an. Diese Klausel sieht vor, dass Unternehmen Regierungen verklagen können, wenn diese mit ihren Entscheidungen Einfluss auf ihre Profite nehmen. Da Kanada, der Sitz von Pacific Rim, kein Vertragsstaat von DR-CAFTA ist, eröffnete das Unternehmen eine Niederlassung in den USA.


El Salvador reformiert eigene Investitionsgesetze

2012 beschloss das ICSID mit dem Hinweis auf einen Passus im salvadorianischen Investitionsgesetz die Fortsetzung des Rechtsverfahrens. Seither hat das zentralamerikanische Land seine Gesetze geändert, um zu verhindern, dass Unternehmen die nationale Gerichtsbarkeit umschiffen und internationale Schiedsstellen wie das ICSID anrufen können.

Im letzten Jahr hat OceanaGold das Unternehmen aufgekauft und angekündigt, an dem Schiedsverfahren festzuhalten, sich gleichzeitig jedoch um eine "Verhandlungslösung" als Ausweg aus der Sackgasse zu bemühen.

Von Seiten der salvadorianischen Regierung ist zu hören, dass sie den Genehmigungsprozess nicht allein aus gesundheitlichen und ökologischen, sondern auch aus Verfahrensgründen gestoppt habe. So habe Pacific Rim nicht nur versäumt, gewissen Auskunftsverpflichtungen nachzukommen, sondern auch die erforderlichen lokalen Zustimmungen einzuholen.

Nach salvadorianischem Recht müssen sich Rohstoffunternehmen um Titel beziehungsweise lokale Genehmigungen für die Gebiete bemühen, in denen sie tätig werden wollen. Pacific Rim hatte sich diesen Zugang zu lediglich 13 Prozent der Projektgebiete beschafft, wie die Entwicklungsorganisation Oxfam-Amerika berichtete.

Angesichts des fehlenden kommunalen Rückhalts in einem Land, das eine jüngere Geschichte sozialer Unruhen aufweist, gibt es etliche kritische Stimmen, die warnen, dass ein Schiedsspruch des ICSID zugunsten von OceanaGold in El Salvador in Gewalt münden könnte.

"Dieses Bergbauprojekt hat eine Vielzahl von Wunden geöffnet, die es schon während des Bürgerkrieges gab. Und einem Land zu sagen, es müsse einen zivilen Konflikt riskieren, nur um Investoren zufriedenzustellen, ist problematisch", meinte Luke Danielson, Experte für soziale Konflikte im Zusammenhang mit der Entwicklung natürlicher Ressourcen. "Das Schiedssystem dient als Plattform, damit zwei konkrete Parteien - nationale Regierung und Investor - ihre Interessen darlegen können. Doch keine der beiden Parteien spricht für die (betroffenen) Gemeinschaften, und das ist ein grundlegendes Problem."

Bilaterale und regionale Investitionsabkommen wie DR-CAFTA sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Und immer mehr der Investor-Staats-Verträge beinhalten Streitbeilegungsklauseln, wie sie im derzeitigen Fall gegen El Salvador ins Feld geführt werden.


Investor-Staat-Klauseln auf dem Vormarsch

Nach Aussagen von ICSID beinhalten derzeit rund 2.700 internationale Verträge solche Klauseln. Mit deren Zunahme in den letzten Jahren ist auch die Relevanz der seit den 1960er Jahren existierenden Schiedsstelle gestiegen. ICSID entscheidet allerdings nicht über die Art und Weise, Konflikte beizulegen, sondern gibt den Rahmen vor, unter dem Fälle von drei externen Schlichtern angehört werden: einem, der vom jeweiligen Investor, einem, der vom jeweiligen Staat und einem, der von beiden Parteien ernannt wird.

Doch vor dem Weltbank-Hauptquartier in Washington kritisierten die Demonstranten insbesondere die Undurchsichtigkeit der ICSID-Verfahren. Viele wandten ein, dass die letzten Erfahrungen gezeigt hätten, dass das Tribunal in höchstem Maße zugunsten von Investoren entscheide. "Es handelt sich um Verfahren, die komplett hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das bedeutet, dass das Tribunal tun und lassen kann, was es will", monierte Carla Garcia Zendejas, Leiterin von 'Menschen, Land & Ressourcen', einem Programm der in Washington angesiedelten Umweltgruppe 'Center for International Environmental Law'.

"Bisher sind uns keine Beispiele bekannt, in denen dieses Gremium im Sinne der lokalen Gemeinschaften geurteilt oder auf grundlegende Menschenrechtsverletzungen oder ökologische und soziale Auswirkungen reagiert hätte", fügte sie hinzu. Die Zunahme der Rechtsverfahren zwischen Investoren und Staaten in den letzten Jahren habe viele Regierungen insbesondere in Entwicklungsländern veranlasst, sich den Unternehmensforderungen zu beugen, da die Rechtsverfahren nicht nur langwierig, sondern auch extrem teuer seien.

"Regierungen fürchten sich zunehmend davor, verklagt zu werden. Deshalb sind sie eher geneigt, ihre eigenen Gesetzesbestimmungen trotz aller Widerstände in den Gemeinden fahren zu lassen oder zu verändern", erläuterte Garcia Zendejas. "Es gibt Fälle, in denen Staaten Widerstand leisten, doch hängt das vor allem von den Machthabenden ab. Leider ist die irrige Annahme, dass Entwicklung ausschließlich von ausländischen Investitionen abhänge, bei vielen politischen Entscheidungsträgern tief verwurzelt." (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/world-bank-tribunal-weighs-final-arguments-in-el-salvador-mining-dispute/

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IPS-Tagesdienst vom 17. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2014