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INTERNATIONAL/068: Neuer Fonds zur Stärkung indigener und kommunaler Landbesitzrechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. September 2014

Indigene: Fonds zur Stärkung kollektiver Landbesitzrechte

von Carey L. Biron


Bild: © Milagros Salazar/IPS

Paraguayische Indigene haben im Kampf um ihre Landrechte den Interamerikanischen Gerichtshof eingeschaltet
Bild: © Milagros Salazar/IPS

Washington, 22. September (IPS) - Im kommenden Jahr wird ein neuer Fonds seine Arbeit aufnehmen, um sich einer seit Jahrzehnten überfälligen Aufgabe zu widmen: der Finanzierung internationaler Maßnahmen zur Stärkung indigener und kommunaler Landbesitzrechte.

Das Projekt wird den indigenen Gruppen und Waldgemeinschaften finanzielle Mittel und Knowhow bereitstellen, damit sie ihre Ansprüche auf ihr Traditionsland besser konsolidieren können. Die Befürworter der Initiative argumentieren, dass ein substanzielles Handeln zur Stärkung indigener Landrechte die Zahl der Landkonflikte im Zusammenhang mit Bergbau-, Rohstoff- und Landentwicklungsvorhaben verringern wird. Auch wird der Fonds als wirksames Instrument gegen den Klimawandel erachtet.

Treibende Kraft hinter der Internationalen Land- und Waldeigentumsfazilität ('International Land and Forest Tenure Facility') ist die 'Rights and Resources Initiative' (RRI), eine in Washington ansässige unabhängige Koalition aus Entwicklungs- und Umweltorganisationen. Die schwedische Regierung hat sich bereit erklärt, die Initiative mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 15 Millionen US-Dollar zu fördern. Eine entsprechende Ankündigung wird auf dem Weltklimagipfel am 23. September in New York erwartet.


Drei Fliegen mit einer Klappe

"Das Fehlen eindeutiger Landbesitz- und Landnutzungsrechte gefährdet die Existenz von Millionen Waldbewohnern und hat dem illegalen Holzeinschlag und dem Waldverlust Vorschub geleistet", erklärte die Generaldirektorin der schwedischen Entwicklungsbehörde, Charlotte Petri Gornitzka, am 17. September. "Die Gemeinschaften mit eindeutigen und gesicherten Landrechten auszustatten, wird eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung möglich machen, die Auswirkungen des Klimawandels verringern und die Grundvoraussetzung für dringend erforderliche nachhaltige Investitionen schaffen."

Gornitzka berief sich auf jüngste wissenschaftliche Untersuchungen, wonach Gebiete, die einer strikten Kontrolle der Gemeinschaften unterliegen, geringere Entwaldungsraten als solche aufweisen, die unter Aufsicht von Regierungen oder privaten Institutionen stehen. Intakte Wälder sind gerade mit Blick auf die zunehmende Erderwärmung extrem wichtig, um die klimaschädlichen CO2-Emissionen abzufangen und somit den Klimawandel zu entschleunigen.

Es ist nicht so, dass Regierungen und internationale Organisationen die Frage der Landrechte nicht auf ihrem Schirm hätten. Doch ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema noch relativ jung. Nach Ansicht von Entwicklungsexperten gingen die Bemühungen zur Stärkung der Landrechte zudem nicht weit genug.

"Es gibt in diesem Zusammenhang eine beispiellose Annäherung und Unterstützung von Seiten von Regierungen, privaten Investoren und lokaler Bevölkerung. Doch ein spezielles Instrument zur Förderung kollektiver Landrechte fehlt", bedauerte der RRI-Koordinator Andy White gegenüber IPS.

"Die Weltbank, die Vereinten Nationen und andere befassen sich sehr oberflächlich mit dem Thema. Es fehlt der zentrale Hebel, um zu mobilisieren, zu koordinieren und sicherzustellen, dass wir aus den diesbezüglichen negativen Erfahrungen lernen", erläuterte White. "Und, ganz wichtig: Es gibt keine Entität, die sich einer strategischen Form der Projektfinanzierung widmet."

Wie aus einer Untersuchung hervorgeht, die RRI und 'Tebtebba', eine Organisation für indigene Rechte auf den Philippinen, gemeinsam erstellt haben, sind die von Gebern und multilateralen Organisationen finanzierten Programme finanziell viel zu unbedeutend. Die Weltbank gehört zwar zu den führenden multilateralen Akteuren, die in den Bereich investieren. Dennoch hat sie mit ihren Landrechtsprogrammen gerade einmal zu sechs Prozent zur Finanzierung von Maßnahmen zur Stärkung der Landbesitzrechte der Gemeinschaften beigetragen.

"Viel von der historischen und gegenwärtigen Unterstützung der Geber zur Sicherung von Waldbesitzrechten hebt auf Individualrechte, städtische Gebiete und Agrarflächen ab und ist inadäquat, um die derzeitige Nachfrage der unterschiedlichen Akteure nach gesicherten Eigentumsverhältnissen zu decken", heißt es in dem Report. Die Menge an Kapital, die in die Umsetzung von Initiativen zur Reform kommunaler Landeigentumsrechte fließt, muss erhöht werden. Ebenso müssen gezielte und strategische Instrumentarien geschaffen werden."


Staaten beanspruchen drei Viertel der Wälder

Nach dem Stand von 2013 kontrollieren indigene und lokale Gemeinschaften ein Waldgebiet von insgesamt 513 Millionen Hektar. Doch Regierungen verwalten beziehungsweise beanspruchen die Besitzrechte über drei Viertel der Wälder, insbesondere in armen Staaten und Ländern mittlerer Einkommen.

"Zwischen 2002 und 2013 wurden 24 rechtliche Bestimmungen rund um die Stärkung der Kontrolle der Gemeinschaften über ihre Wälder eingeführt", heißt es beim RRI. Doch waren es seit 2008 gerade einmal sechs, wobei die kürzlich beschlossenen besonders schwach sind. Nach Ansicht von Experten haben die jüngsten globalen Trends in Verbindung mit einer weitgehenden Tatenlosigkeit von Seiten internationaler Akteure viele Entwicklungsländer in Versuchung geführt, die Ausbeutung der verfügbaren natürlichen Ressourcen so aggressiv wie möglich voranzutreiben.

"Sicher, die Wälder und andere nicht-industrialisierte Gebiete haben einen Wert", meinte Victoria Tauli-Corpuz, die UN-Sonderberichterstatterin für indigene Völker und Mitglied der Beratergruppe der Internationalen Land- und Waldeigentumsfazilität in einer Mitteilung. "Doch müssen wir auch den Rechten derjenigen, die in diesen Gebieten leben und die natürlichen Ressourcen verwalten, einen Wert beimessen. Hier versagt zu haben, hat zu einem erheblichen Teil zu den lokalen Konflikten beigetragen, die der heutigen wirtschaftlichen Entwicklung zu schaffen machen."

Experten zufolge sind meisten ländlichen und zunehmend begehrten Gebiete dieser Welt nicht kartografiert. Es sei höchste Zeit, die Landbesitzverhältnisse zu regeln. Doch ein solcher Vorstoß erfordert nicht nur den politischen Willen, sondern auch beträchtliche finanzielle Mittel. Während neue Technologien das mühselige Unterfangen, Gemeinschaftsland zu erfassen, preiswerter und umsetzbarer gemacht haben, könnte die Klärung der indigenen Rechte in Indien und Indonesien neuen Zahlen zufolge jeweils 500 Millionen Dollar kosten.

Die Internationale Land- und Waldeigentumsfazilität soll bis Ende 2015 vollständig funktionsfähig sein. Solange wird sie mit dem schwedischen Zuschuss und möglichen Geldern anderer Regierungen arbeiten. Anfang nächsten Jahres wird ein halbes Dutzend Pilotprojekte in Ländern wie Indonesien, Kamerun, Kolumbien und Peru gestartet.

Jedes einzelne dieser Länder sieht sich mit größeren Gefahren für seine Wälder konfrontiert. Peru beispielsweise hat fast zwei Drittel seines Amazonasgebiets an Öl- und Gasunternehmen verpachtet. Die Konzessionen überlappen sich mit den Gebietsansprüchen von mindestens 70 Prozent der indigenen Gemeinschaften des südamerikanischen Landes.


Konflikte ohne Waldbesitzrechte programmiert

"Wenn wir dieses Problem nicht angehen, werden wir jedes Mal, wenn wir Rohstoffe abbauen oder Land entwickeln wollen, Konflikte erleben", warnte White vom RRI. "Wir schieben das Problem seit Jahrzehnten auf die lange Bank. Doch jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem das globale Kapital in die entferntesten ländlichen Gebiete vordringt, um sich die Rohstoffe zu sichern, die wir alle brauchen, und an dem überall Konflikte ausbrechen."

Auch der Privatsektor wird in der Internationalen Land- und Waldeigentumsfazilität eine wichtige Rolle spielen. So sollen Vertreter von Schlüsselunternehmen im Beratungsausschuss sitzen. Allerdings wurde von vornherein festgelegt, dass die Firmen die Arbeit der Fazilität nicht finanziell unterstützen. Vielmehr sollen sie White zufolge an der Entwicklung von Unternehmensmodellen mitwirken.

"Der Privatsektor ist für einen großen Teil der Schäden verantwortlich, doch sehen sich diese Konzerne mit einem enormen Ansehensverlust und finanziellen Risiken konfrontiert, wenn sie in Gegenden mit armseligen Landrechten investieren", unterstrich White. "Dass sich diese Erkenntnis auch bei privaten Investoren durchsetzt, dürfte eine der wichtigsten, heute stattfindenden Veränderungen sein. Unternehmen werden ihre eigenen Wachstumsziele sowie ihre Sozial- und Umweltzusagen kaum erreichen, wenn sie sich nicht aktiv um eine Klärung der Frage der lokalen Landrechte bemühen." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/09/new-fund-to-build-on-unprecedented-convergence-around-land-rights/

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IPS-Tagesdienst vom 22. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2014