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FRIEDEN/1010: Entwarnung - Keine Heere von Klimaflüchtlingen (SB)



Das globale Klima verändert sich viel rascher, als Wissenschaftler des Weltklimarats (IPCC) noch vor wenigen Jahren angenommen haben. Der als Schwellenwert gehandelte durchschnittliche Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius gegenüber dem Beginn des industriellen Zeitalters kann nicht mehr eingehalten werden, selbst wenn unverzüglich massive Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen eingeleitet würden. Wissenschaftlichen Prognosen zufolge wird der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um einen Meter oder noch mehr steigen. Weite, dicht besiedelte und landwirtschaftlich genutzte Landstriche werden in Meeresboden umgewandelt. Die Trinkwasserversorgung riesiger Regionen in Südamerika und Asien wird wegen der rapiden Gletscherschmelze irgendwann kollabieren, was die betroffenen Gebiete nahezu unbewohnbar macht.

In den meisten Studien wird davon ausgegangen, daß als Folge des Klimawandels mehrere hundert Millionen bis zu eine Milliarde Menschen im Laufe des Jahrhunderts aus ihrem Lebensraum vertrieben werden und migrieren müssen. Häufig wird in diesem Zusammenhang das düstere Bild gezeichnet, daß das klimatisch begünstigte Europa zum Zielgebiet ganzer Horden von Klimaflüchtlingen werden könnte.

Nun gibt ein britischer Think Tank Entwarnung. Das International Institute for Environment and Development (IIED) berichtete diese Woche laut Reuters (24.6.), daß seiner Einschätzung nach die entwurzelten Menschen in den Entwicklungsländern keine große Strecken zurücklegen, wenn sie verdrängt werden, sondern daß sie statt dessen versuchen würden, möglichst in relativer Nähe zu dem Gebiet, aus dem sie abwandern mußten, unterzukommen. In der Studie, die auf einer von der IIED und den Vereinten Nationen organisierten Klimakonferenz in London vorgestellt wurde, wird den alarmistischen Prognosen eine klare Absage erteilt. In vielen Fällen seien "die sehr armen und verletzlichen" Menschen gar nicht mehr in der Lage, sich wegzubewegen.

Das Ergebnis könnte natürlich die Bewohner der privilegierten Regionen Europas beruhigen. Wenn die Klimaflüchtlinge zu schwach sind, um überhaupt die weiten Strecken hierher zurückzulegen, braucht man sich um sie genauso wenig Sorgen zu machen wie beispielsweise um die gegenwärtig über eine Milliarde Menschen, die nicht genügend zu essen haben, geschwächt sind und uns ebenfalls nicht "bedrohen" können. Insofern können die Vertreter der westlichen Industriestaaten recht gelassen den für Dezember in Kopenhagen angesetzten Verhandlungen über ein neues internationales Klimaschutzabkommen, das ab dem Jahre 2012 gültig sein soll, entgegensehen und sich vollständig auf das konzentrieren, was sie sowieso schon tun, nämlich ihre wirtschaftlichen und politischen Vorteilspositionen im weltweiten Vergleich absichern und womöglich noch ausbauen, um auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin "erste Welt" zu bleiben.

26. Juni 2009