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HEGEMONIE/1654: Transatlantische Beziehungen pflegen heißt Kriege befürworten (SB)



Eine gute Wahl hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem neuen Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen getroffen. Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose hat hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit als Sachwalter transatlantischer Zusammenarbeit niemals einen Zweifel an seinen Prioritäten aufkommen lassen. Der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages galt stets als eine Art Exponent Washingtons in Berlin, wie er etwa im März 2001 bewies, als er unter Berufung auf den BND behauptete, von "unberechenbaren Staaten" wie dem Irak und Afghanistan ginge "aufgrund ihrer Neigung zu irrationalem Handeln eine extrem hohe Bedrohung für Westeuropa und Rußland aus". Dies sagte der ehemalige Hamburger Bürgermeister wohlgemerkt vor den Anschlägen des 11. September 2001, die ihn in seiner Auffassung allemal bestätigt haben dürften. Daß die Angriffspläne, die gegen beide Staaten später in Wirkung traten, damals längst in den Schubladen des Pentagons lagen, läßt natürlich auch eine andere Deutung dieses rhetorischen Säbelrasselns zu.

So votierte der SPD-Politiker im Vorfeld des Irakkriegs stets für die mögliche Beteiligung der Bundesrepublik an diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Indem er sich gegen den eigenen Bundeskanzler stellte, stand er schon damals fest an der Seite der künftigen Nachfolgerin Gerhard Schröders. Sein Werben für das Errichten einer überzeugenden "Drohkulisse" gegenüber dem Irak lag ganz auf der Linie der Bush-Administration, die die angeblich nur zur Beeindruckung des irakischen Präsident Saddam Hussein gedachte Demonstration militärischer Stärke als konkrete Angriffsvorbereitung nutzte. Einwänden von Kriegsgegnern, die etwa darauf verwiesen, daß hinsichtlich der Einhaltung von UN-Resolutionen im Falle Israels und des Iraks mit zweierlei Maß gemessen werde, hielt er entgegen, daß man in der Politik nicht immer alles für bare Münze nehmen müsse:

"Es ist halt so in der Politik schwer zu vermitteln, weil anrüchig und mißdeutbar, sie können nicht immer geradlinig operieren, sondern sie müssen Nebenwege gehen, um irgendwann doch zu dem Punkt zu kommen, wo sie vielleicht einen politischen Ansatzpunkt finden, um eine Lösung herbeizuführen."
(Deutschlandfunk, 07.05.2002)

Der Ratio machtpolitischer Winkelzüge ist der Raum demokratischer Willensbildung eine bloße Bühne, auf der je nach Lust und Laune inszeniert wird, was dann ganz anders als behauptet Gestalt annimmt. Dankenswerterweise machte der SPD-Politiker niemals ein Hehl daraus, daß gerade die Außenpolitik ein Geschäft ist, das am besten in den Hinterzimmern betrieben wird, während man in der parlamentarischen Öffentlichkeit die Aufgabe verfolgt, die Unvereinbarkeiten zwischen ethischem Anspruch und interessenpolitischer Wirklichkeit auf möglichst elegante Weise glattzubügeln.

Als der 50. Jahrestag der Neugründung des Auswärtigen Amts im "Weltsaal" des Ministeriums am 14. März 2001 feierlich begangen wurde, relativierte Klose als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestags die humanitären Ideale deutscher Außenpolitik mit der Anmerkung: "Da läuft im praktischen Tun vieles anders". Mit diesem machiavellistischen Politikverständnis ist der SPD-Politiker der Entwicklung stets einen kleinen Schritt voraus, wie seine im Februar 2008 erhobene Forderung zeigte, man solle die Quick Reaction Force (QRF) "stark genug machen, dass sie im Notfall in ganz Afghanistan eingesetzt werden kann - auch im Süden". Wer sich gegen die Aufstockung der deutschen Besatzungstruppen aussprach, dem lastete Klose an, für Massaker an der afghanischen Zivilbevölkerung insgeheim mitverantwortlich zu sein. Wer keine Kampftruppen am Boden wolle, der müsse akzeptieren,

"dass die Amerikaner deshalb meistens aus der Luft operieren und massiv 'reinballern', weil sie nicht genügend Kräfte am Boden haben. Wenn man nicht genügend Kräfte am Boden hat, was bleibt dann anderes übrig, als aus der Luft und flächendeckend mit hohen Trefferquoten in die falschen Richtungen zu operieren." Das Parlament
(18.02.2008)

Daß man das Land auch verlassen könnte, um nicht noch mehr Schaden anzurichten, lag zumindest vor zwei Jahren jenseits der Vorstellungskraft dieses SPD-Politikers. Heute dürfte es nicht viel anders sein, kündigte doch schon sein Vorgänger im Amt des Koordinators der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Beziehungen, Karsten Voigt, an, daß der Druck auf die Bundesregierung, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken, bei Amtsübernahme durch einen Demokraten in Washington zunehmen werde. Nun, nachdem sich diese Prognose mit der Präsidenschaftschaft Barack Obamas voll und ganz bewahrheitet hat, wird Voigts Stab an einen Parteikollegen weitergereicht, der am 10. November 2006 im Bundestag bekannte: "Ich will, daß die NATO-Länder in Afghanistan erfolgreich sind, damit Afghanistan an Zukunft gewinnt und die NATO ihre Glaubwürdigkeit behält. Die NATO darf nicht scheitern."

Mit derartigen Durchhalteparolen gewinnt man zwar keine Wahlen, aber das spielt, wie die Fortsetzung des Afghanistankriegs unter Beteiligung der Bundeswehr zeigt, bei Entscheidungen, die für die globale Vormachtstellung westlicher Staaten elementar sind, auch nicht die wichtigste Rolle. Die Glaubwürdigkeit der NATO ist am Überfall auf Jugoslawien nicht gerade genesen. Für weitere Exempel der praktischen Vereinbarkeit von humanitärem Anspruch und bellizistischer Aggression scheint gesorgt, so daß Klose als feiner Mann fürs Grobe die richtige Wahl ist.

24. März 2010