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HEGEMONIE/1679: Deutschland, drittgrößter Rüstungsexporteur, im UN-Sicherheitsrat (SB)



Puh, das war ein hartes Stück Arbeit. Deutschland hat einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ergattert und wird dort für zwei Jahre vertreten sein. Glaubt man Außenminister Guido Westerwelle (FDP), hat die Regierung bis kurz vor der Abstimmung für Deutschland geworben. Heute morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk meinte er, auf diese Ernennung könnten alle Bundesbürgerinnen und -bürger stolz sein. "Wir Deutsche sind ja drittgrößter Beitragszahler bei den Vereinten Nationen", sagte der Minister und wollte damit wohl eigentlich sagen, daß Deutschlands Anspruch auf diesen Sitz, bitte schön, nur allzu berechtigt sei - auch wenn die beiden Mitbewerber Portugal und Kanada schon länger keinen Sitz mehr erhalten haben.

Stichwort Verantwortung im Weltgremium: Nicht thematisiert wurde, warum Deutschland im Unterschied zu anderen Industriestaaten seine Zusage, den Anteil an Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des BSP bis 2015 zu erhöhen, absehbar nicht einhalten wird. Es müßte heute bei 0,51 Prozent liegen, dümpelt aber um 0,4 Prozent herum, und hiervon fließt ein erheblicher Anteil ins Kriegsgebiet Afghanistan.

Unter Westerwelles FDP-Parteikollegen, Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der vor seiner Amtsübernahme die Abschaffung eben dieses Ministeriums vorschlug, wird die sogenannte Hilfe noch enger an wirtschaftliche und militärische Interessen gebunden. Da erhält die Aussage, Deutschland sei der drittgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen, einen ganz anderen Geschmack.

Wir wollen "bei der Gestaltung der internationalen Beziehungen, insbesondere auch bei der Konfliktlösung" mitwirken, kündigte Westerwelle an. Man habe damit geworben, "daß wir für Frieden und Sicherheit eintreten". Auch den Einsatz für Abrüstung zählte der Außenminister zu den Tugenden der Bundesrepublik.

Wie aber kommt es dann, daß ein Tugendbold wie Deutschland drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt ist, nur übertroffen von Rußland und den USA? Will die deutsche Regierung etwa Frieden schaffen durch immer mehr Waffen? Dem noch nicht genug, hat die Bundesregierung keine Skrupel, Hightech-Rüstungsgüter in Spannungsgebiete zu entsenden. Würde man eine weltweite Umfrage durchführen und fragen, zwischen welchen Ländern die Kriegsgefahr derzeit am größten ist, würde ein Krieg zwischen USA/Israel gegen Iran mit Sicherheit einen der oberen Plätze einnehmen. Deutschland hat jedoch U-Boote an Israel geliefert. Gehört es zum Konfliktlösungskonzept des Außenministers, daß solange militärische Mittel eingesetzt werden, bis sich der Stärkere durchsetzt und den Widersacher niederringt?

Und was soll man davon halten, daß sich laut Westerwelle die Regierung für die "nukleare Nichtverbreitung" starkmacht, es aber die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß jene U-Boote umgebaut und atomar bewaffnet werden können? Somit verfügt nun ein Land, das den Nichtverbreitungsvertrag nicht unterzeichnet hat, aber über insgeheim hergestellte Nuklearwaffen verfügt, dank deutscher Hilfe über ein hochgefährliches Trägersystem für dieses ultimative Zerstörungsmittel.

Zwar setzt sich die Bundesregierung dafür ein, daß auf deutschem Boden keine Nuklearwaffen mehr gelagert werden, aber die nukleare Teilhabe gibt man nicht preis und behält deshalb noch einige der ansonsten für die Ausmusterung vorgesehenen Tornado-Kampfflugzeuge in der Reserve. Konfliktlösung durch Waffenexporte in Spannungsgebiete und Begünstigung des Ausbruchs eines Kriegs mit Atomwaffen - sieht so die Lösung der Bundesregierung für die Bedrohungen dieser Welt aus?

Deutschland tritt auch "für den Klimaschutz" ein, behauptet Westerwelle. Doch vor kurzem hat die Regierung mit den großen Energiekonzernen eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken um zwölf Jahr vereinbart und die Absicht zur Förderung von Kohlekraftwerken angekündigt. Damit wurde dem aus Klimaschutzgründen dringend erforderlichem Strukturwandel, der einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien möglich macht, eine klare Absage erteilt.

Die auch von Westerwelle wieder einmal beschworene "Verläßlichkeit" Deutschlands besteht primär hinsichtlich seines in NATO- und EU-Bündnisses eingebundenen Strebens nach globaler Hegemonie. Da kommt ein Sitz im Sicherheitsrat wie gelegen, und auch die Forderungen Berlins nach einer Reform dieses Gremiums von Weltführungsnationen ist dem Wunsch geschuldet, im Rahmen der Europäischen Union mehr Einfluß zu gewinnen, als wenn man im Abstand von vielleicht fünf bis zehn Jahren eine Zeitlang einen nichtständigen Sitz erhält. Als stark exportorientierte Nation ist Deutschland nicht nur auf den ständigen Zustrom an Waren angewiesen, sondern auch auf die Bereitschaft von Absatzmärkten. Wenn Westerwelle von "werteorientierter Außenpolitik" und "Sicherheit" spricht, dann meint er damit offenbar den Wert, der auf wirtschaftlichen Feldern mit militärischer Überlegenheit gegen andere erstritten und über Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat global durchgesetzt wird.

13. Oktober 2010