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HEGEMONIE/1687: Afrika-EU-Gipfel - Kolonialismus im 21. Jahrhundert (SB)



Am Montag werden die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) und der EU zum zweitägigen Afrika-EU-Gipfel in Tripolis zusammenkommen. Ob inoffiziell oder offiziell, unvermeidlich werden dann die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs), über die die Europäer seit 2002 mit den AKP-Staaten verhandeln, zum zentralen Thema werden. Geht es nach der EU sollen beide Seiten ihre Zollschranken und Subventionen abbauen. Die AKP-Staaten erhalten für bestimmte Produkte freien Zugang zum europäischen Markt und im Gegenzug dürfen europäische Unternehmen ungehindert auf afrikanischen Märkten tätig werden. Ein Lob auf die ausgleichende Gerechtigkeit ...

Nichts könnte falscher an dieser Vorstellung sein. Wenn der kleine Krämer um die Ecke mit der transnationalen Lebensmittelkette konkurriert, geht er unter. Bei Freihandelsabkommen zwischen den relativ armen afrikanischen und den kapitalstarken europäischen Staaten herrscht eben solch ein Verhältnis vor. In der Vergangenheit hat das bereits dazu geführt, daß subventionierte Agrarprodukte aus Europa (Schweinefleisch, Hühnerklein, Milchpulver, etc.) preiswerter auf den Märkten Kameruns, Ghanas oder auch der Elfenbeinküste angeboten wurden als heimisch erzeugte Ware und die lokalen Produzenten pleite gegangen sind.

Mit den EPAs bzw. der Bildung von Freihandelszonen, wie sie derzeit seitens der EU-Staaten als Anpassung an die WTO-Antidiskriminierungsdoktrin vorgeschlagen werden, würde dieses Dumping nicht beendet. Vielmehr besteht die Gefahr, daß die europäischen Handelsriesen sich in sämtlichen Branchen durchsetzen, wo ihnen keine Grenzen gezeigt werden. Selbst der Dienstleistungssektor soll liberalisiert und damit der staatlichen Aufsicht entzogen werden, was darauf hinausliefe, daß der Abzug der Fachkräfte aus Afrika - brain drain genannt - fortan nicht mehr in ungeordneten, sondern in geregelten Bahnen verliefe, indem die afrikanischen Bildungseinrichtungen von europäischen transnationalen Unternehmen finanziert werden. Wahrscheinlich würden eines Tages Curricula durchgesetzt, die sich ausschließlich an den Verwertungsinteressen des europäischen Kapitals orientierten.

So würde die Kolonialisierung Afrikas an ihren Ausgangspunkt, den sie eigentlich nie verlassen hat, zurückkehren. Einst errichteten im Gefolge der mörderischen Unterwerfung des Kontinents europäische Missionare und andere selbsternannte Weltverbesserer Schulen und brachten den "Primitiven" die Zivilisation. So, wie die Herrenrasse Zivilisation verstand: Mal wurden die widerspenstigen Einheimischen mit Waffengewalt niedergemacht - wie in Namibia (ehemals Deutsch Südwest) nach dem Motto "Pardon wird nicht gegeben" -, mal wurden sie zur Sklavenarbeit erpreßt, was im Kongo, der sich einst im Privatbesitz des belgischen Königs befand, mindestens 18 Millionen Menschen das Leben kostete. Zahllosen Einwohnern waren damals die Hände abgehackt worden, wenn sie das ihnen abverlangte Soll an Kautschuk nicht ablieferten.

Wer glaubt, diese Zeiten der vernichtenden Verwertung von Menschen seien überwunden, schaut nicht so genau hin, auf welchen Voraussetzungen der relative Reichtum Europas beruht. Wenn beispielsweise hierzulande Medikamente gegen Aids hergestellt und durch Patente geschützt werden und gleichzeitig in Afrika Menschen an Aids sterben, weil ihnen die lebenserhaltenden Medikamente vorenthalten werden, ist das Mord. Das gleiche gilt, wenn die EU ihren Wohlstand durch ein komplexes Grenzregime gegenüber Afrika verteidigt und Menschen in für sie lebensgefährliche Verhältnisse abschiebt und die Betroffenen umkommen.

In der gemeinsamen, von einseitigem Raub und hegemonialer Zurichtung geprägten Geschichte Europas und Afrikas wurde das hierarchische Verhältnis zwischen der Ersten und der Dritten Welt zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Auch die Freihandelsabkommen, über die noch bis Dienstag auf dem Afrika-EU-Gipfel in Libyen gesprochen werden wird, sollen zu keiner Umverteilung von politischem Einfluß und wirtschaftlicher Macht von Europa nach Afrika beitragen ... geschweige denn, daß dort auch nur im Ansatz über nicht der Ausbeutung verpflichteten alternative Produktionsweisen gesprochen würde.

28. November 2010