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HEGEMONIE/1833: Trumps WHO-Attacke - eigene Fehler zu verschleiern ... (SB)



Von Trumps Green New Deal ist nur eine Sorte im Angebot: Soylent.
Jeffrey St. Clair - Roaming Charges: Always Look on the Bright Side of Death [1]

In der zweiten Februarwoche hatte die Zahl der an COVID-19 Gestorbenen in China die Tausendermarke überschritten, erste Erkrankungen in den USA und anderen Ländern traten auf, was am pandemischen Charakter der Ausbreitung des neuen Coronavirus immer weniger Zweifel ließ. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung versuchte US-Präsident Donald Trump, den unter seiner Administration bereits zusammengestrichenen Haushaltsposten für Globale Gesundheit im Budgetentwurf für 2021 um ein weiteres Drittel von 9,1 auf 6 Milliarden Dollar zu kürzen. Das hätte den US-Anteil an der Finanzierung der World Health Organization (WHO) um mehr als 50 Prozent reduziert [2]. Zwar wird sein Vorstoß bei den Haushaltsberatungen für nächstes Jahr voraussichtlich mit Stimmen aus der eigenen Partei abgewehrt werden, aber er ist symptomatisch für die systematische Schwächung von US-Programmen und -Institutionen, die Menschen aus anderen Ländern zugute kommen können und mit der Untersuchung und Abwehr von Infektionskrankheiten befaßt sind, durch diesen US-Präsidenten.

Nun, da Trump angekündigt hat, daß die US-Regierung der WHO keinerlei Finanzmittel mehr zur Verfügung stellen werde, wird vollends sichtbar, wie wichtig ihm die Suche nach einem neuen Feindbild zu sein scheint. So habe die WHO nicht schnell genug auf die drohende Gefahr reagiert, wirft jener Staatschef der internationalen Organisation vor, der die Verharmlosung der Coronapandemie viele Wochen lang wie ein sich wiederholendes Ritual auf seinen Pressekonferenzen und in seinen Tweets zelebriert hat. Zwar gibt es Anlaß dafür, das frühe Krisenmanagement der WHO zu kritisieren, doch was Trump im Kern an ihrer Politik stört, ist die gute Zusammenarbeit, die die Weltorganisation mit China pflegt. Das ist durchaus verständlich, liefert die produktive Rolle der Volksrepublik in der internationalen Seuchenbekämpfung und der Erfolg der nach ersten Vertuschungsversuchen massiv einsetzenden Quarantänemaßnahmen im eigenen Land [3] weit mehr Anhaltspunkte für eine wirksame Eindämmung der Pandemie als das, was in den USA in dieser Hinsicht erfolgt.

Bezeichnenderweise lastet Trump der WHO Versagen in Fällen an, die seine Regierung nicht anders gehandhabt hat, wie zum Beispiel beim Verhängen eines Einreisestopps für aus China kommende Reisende. Nachdem der erste Fall einer Coronavirusinfektion am 20. Januar an der US-Westküste identifiziert worden war, dauerte es noch zwei Wochen, bis ein vollständiges Einreiseverbot für Flugzeugpassagiere aus China ausgesprochen wurde, die über keine US-amerikanische Staatsangehörigkeit verfügten. Auf diese Weise sind Zehntausende potentiell infizierte Personen aus der Volksrepublik in die USA eingereist [4], was die gegen die WHO und China gerichteten Vorwürfe der US-Administration, nicht früh für eine effiziente Eindämmung der Pandemie gesorgt zu haben, nicht eben glaubwürdiger macht.

Ohnehin bleibt die Frage offen, wieso der notorische China-Basher Trump die angeblich frühzeitig erfolgten Warnungen seiner Nachrichtendienste vor der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus eher heruntergespielt hat, anstatt sie wie üblich politisch zu instrumentalisieren. Man kann nur mutmaßen, daß er damit das eigene Vorgehen, die sich anbahnende Pandemie zu verharmlosen und die immer dringlicheren Warnungen als eine gegen seine Person gerichtete Wahlkampfstrategie der Demokraten darzustellen, unterlaufen hätte. Womöglich läßt die narzißtische Konstitution des Immobilienmagnaten, die eigene Person als Mittelpunktsereignis zu inszenieren und alles um sie herum als Reaktion auf ihre Präsenz zu deuten, auch keine andere Sicht der Dinge zu.

Während Trump keine Krise ungenutzt läßt, um die eigenen Zustimmungsraten nach oben zu treiben, gibt er nach lang anhaltendem Leugnen der Bedrohung nun den tatkräftigen Krisenmanager. Wenn er noch in tiefster Nacht ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen meint, das nicht aus den Scheinwerfern des ihm entgegenrasenden Zuges stammt, dann ist das so kalkuliert daneben wie alles andere, was er in der Sache zu sagen hat. Was wäre das Leben ohne den Besuch von Gottesdiensten und Footballspielen, dachte sich der Erste Entertainer der Nation und kündigt noch am 31. März, als sich im COVID-19-Hot Spot New York die Tore der Hölle geöffnet hatten, für Ostern volle Kirchen an und stellte das Abhalten großer Sportevents in Aussicht.

Nun wäre Trump nicht Trump, wenn er in dieser Situation weniger ignorant und selbstbezogen agierte als in jeder anderen Krise auch. In dieser Hinsicht ist auf ihn Verlaß, das trifft auch auf die Regelmäßigkeit zu, mit der er Tweets absetzt, die auf irreführenden oder bewußt täuschenden Informationen fußen. All das kann ihm nichts anhaben. Die Souveränität, unbehindert von Recht und Gesetz fast nach Belieben schalten und walten zu können, wird von seiner Anhängerschaft als ultimativer Beweis für Stärke und Führungsqualität betrachtet, anders sind die dauerhaft hohen Zustimmungsraten zu seiner Regierungsführung kaum erklärbar.

Trump ist die Summe all dessen, was ihm an Zuspruch zugute kommt und was er eins zu eins reflektiert, wie irrational oder haßerfüllt dies auch immer sein mag. Als Personifikation allen Übels taugt er dennoch nur bedingt. Bei der Annahme, das Weiße Haus sei identisch mit dem Machtzentrum der USA, wird die Rechnung ohne das Industrie- und Finanzkapital gemacht, ohne deren Unterstützung niemand ins Global Office einrückt, der nicht im Sinne der einflußreichsten Gruppen des Landes handelt. Seine Abneigung gegen internationale Organisationen teilt er mit einem Großteil der Bevölkerung, wie das zu seinen ersten Amtshandlungen gehörende Verdikt zeigte, internationalen Hilfsorganisationen alle US-Mittel zu streichen, wenn sie Abtreibungen finanzieren, und sei es mit eigenen Geldern [5]. Das bescherte Trump viel Zustimmung im Lager der evangelikalen Christen, die ein wesentliches Machtzentrum darstellen. Nationalchauvinistisch und antifeministisch, dem Kapital und Patriarchat verpflichtet - dieser US-Präsident hat einen Ruf zu verlieren, ohne den die bis heute ungebrochene Zustimmung eines relevanten Teils der US-BürgerInnen zu seiner Politk jäh in sich zusammenfiele.

America First! - in absoluten wie relativen Zahlen führen die USA die Liste der COVID-19 Toten an [6]. Der mit der Coronapandemie nicht gestartete, nun jedoch mit großer Beschleunigung voranschreitende soziale und ökonomische Niedergang des Landes trifft wie üblich diejenigen am meisten, die am wenigsten für diese Entwicklung verantwortlich sind. Es geht nicht darum, den Desaster-Kapitalismus in der EU oder der Bundesrepublik anhand des Negativbeispiels Trump schönzureden oder zu legitimieren, ganz im Gegenteil. Zur Person hat Michael Moore alles notwendige gesagt [7], ansonsten gilt für die USA, was jedes Land im Stadium spätkapitalistischer Destruktivität auszeichnet - dort tritt besonders deutlich hervor, was zur Solidarität mit den davon betroffenen Menschen und zum Widerstand gegen die Inwertsetzung all dessen, was nichts als Tod bedeutet, wenn es erst einmal zur Ware gemacht wird, allen Anlaß gibt.


Fußnoten:

[1] https://www.counterpunch.org/2020/03/20/always-look-on-the-bright-side-of-death/

[2] https://abcnews.go.com/Politics/trump-budget-proposes-cuts-global-health-amid-global/story?id=68911515

[3] https://www.counterpunch.org/2020/04/15/how-china-broke-the-chain-of-infection/

[4] https://www.nytimes.com/2020/04/04/us/coronavirus-china-travel-restrictions.html

[5] https://reproductiverights.org/press-room/trump-orders-global-gag-rule-cuts-off-vital-safe-abortion-services-for-women

[6] https://ourworldindata.org/grapher/total-confirmed-deaths-due-to-covid-19-vs-population

[7] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/herr1878.html

16. April 2020


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