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HERRSCHAFT/1575: Mit der CCS-Technologie den Kapitalismus retten (SB)



Mit einer dezentralen Energieproduktion, gesellschaftlichen Abkehr vom wirtschaftlichen Wachstumszwang und strikten Ausrichtung auf Effizienzsteigerung würde noch nicht die Mehrwert generierende Warenproduktion an sich in Frage gestellt. Aber der Mensch könnte sich ein wenig Luft verschaffen, um einen gesellschaftlichen Kurswechsel einzuleiten, der angesichts der gegenwärtig rasanten Umformung der Geosysteme als Folge anthropogener Treibhausgasemissionen dringend erforderlich wäre.

Die Bundesregierung schlägt allerdings eine andere Richtung ein. Auf der Titanic wird ein flotter Rhythmus angestimmt und weitergetanzt. Abgesehen von der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken setzt die schwarz-gelbe Regierungskoalition auf die CCS-Technologie. Mit der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS - Carbon Dioxide Capture and Storage) soll der Bau und Betrieb von Kohlekraftwerken, die besonders starke Emittenten des Treibhausgases Kohlendioxid sind, legitimiert werden.

Grundsätzlich geht es hierbei um die Sicherung der bestehenden Produktionsverhältnisse, in denen menschliche Arbeit ausschließlich aufgrund ihrer Ausbeutbarkeit gesellschaftliche Anerkennung findet. Von dieser Ordnung profitiert nicht allein der Unternehmer, sondern auch der Staat, dessen Existenzberechtigung auf dem Spiel stände, sollten sich die Menschen von den Versorgungssystemen befreien. Sie könnten beispielsweise beginnen, sich von der zentralistischen Energieversorgung abzukoppeln und innerhalb von überschaubaren Gemeinschaften Konzepte des elektrischen Strommanagements entwickeln und umsetzen. Dadurch würde der Staat zwar nur partiell ausgegrenzt - seine Zugriffsmöglichkeiten reichen viel weiter -, aber es wäre ein Keim ausgebracht, der bei entsprechender Pflege gedeihen könnte, so daß immer mehr gesellschaftliche Bereiche sowohl dem staatlichen Verfügungsanspruch als auch der unternehmerischen Ausbeutbarkeit entzogen werden.

Kein Themenwechsel: Auf dem Land von Cameron und Jane Kerr im Osten der kanadischen Provinz Saskatchewan blubbert das Grundwasser wie Sprudel aus dem Boden, und in ihrer Kiesgrube nahe einer Quelle finden sie häufiger tote Kaninchen, Katzen und Ziegen. Nachts wurde das Paar schon mal von einer kanonenartigen Explosion aufgeschreckt, da war ein Stück vom Hang der Kiesgrube weggesprengt worden, und dahinter schäumte es kräftig.

Ein Zusammenhang zwischen diesen Phänomenen und dem Einpressen von mittlerweile 16 Millionen Tonnen flüssigen Kohlendioxids in den Untergrund seit dem Jahr 2000 durch den Energiekonzern Cenovus drängt sich auf. Die Kerrs wohnen über dem Weyburn-Erdölfeld, bei dem die CCS-Technologie zum Einsatz kommt. Genauer gesagt, sie wohnten dort, haben aber aus Sicherheitsgründen ihre Farm verlassen. Allem Anschein nach kontaminiert das CO2 das Grundwasser und tritt mittlerweile an der Oberfläche aus. Das ist für die dort lebenden Menschen und Tiere lebensgefährlich, nicht jedoch für das Unternehmen und den Staat. Weswegen sie nicht aufhören werden, CO2 in den Untergrund zu pressen - solange sie von ihrem Tun nicht abgehalten werden.

Bei der CCS-Technologie handelt es sich um ein typisches Münchhausen-Märchen: Am eigenen Schopf wollen sich die industriellen CO2-Produzenten aus dem Sumpf ziehen, indem sie durch die Erzeugung einer erheblichen Menge an zusätzlichen Treibhausgasen selbige abscheiden, verflüssigen und unterirdisch lagern. Die Politik nickt dies ab und schanzt den Unternehmen steuergelderfinanzierte Subventionen zu. Das Verfahren funktioniert zwar offenbar nicht, wie die Kerrs unfreiwillig bezeugen können, aber das interessiert die herrschende Kräfte nicht, solange nur das kapitalistische Verwertungssystem mit solchen Green New Deals für das 21. Jahrhundert betriebstauglich gemacht werden kann.

19. Januar 2011