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HERRSCHAFT/1609: CCS-Gesetz - Schützenhilfe für klimaschädliche Kohlekraftwerke (SB)



Der Bundesrat hat am Freitag über ein Gesetz zur Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid (CCS - Carbon Dioxid Capture and Storage) beraten. Sollte es angenommen werden, wird das Treibhausgas womöglich nach einer Erprobungsphase bis zum Jahr 2017 in alten Bergwerken, ausgeschöpften Erdgasfeldern und ähnlichen unterirdischen Hohlräumen gespeichert. Systemimmanent umstritten an dem Gesetz ist die Länderklausel, die nicht eindeutig klärt, ob die Bundesländer das Verpressen von Kohlendioxid in den Untergrund kategorisch untersagen dürfen oder nicht.

Umstritten ist das Gesetz aber auch deshalb, weil es sich im Kern um eine Maßnahme zur Verschleierung und Verharmlosung der Zerstörungen, auf denen der technologische Fortschritt beruht, handelt. Die als lebensnotwendig angesehene Wärme (wozu auch Elektrizität gerechnet werden kann) wurde und wird stets über die Verbrennung und damit über die unwiederbringliche Vernichtung der Ausgangssubstanz erzeugt. Aus der kleinen Holzfeuerstelle des Homo erectus in der Savanne wurde das in Eisen und Beton gefaßte Großkraftwerk der Neuzeit. Der Preis des vermeintlichen Fortschritts: Die Atmosphärenzusammensetzung der Erde verändert sich, der rasant steigende Kohlendioxidgehalt trägt zur globalen Aufheizung bei - eine Katastrophe vor allem für die flachen Inselstaaten und Küstengebiete, da der Meeresspiegel steigt, aber auch für die heute schon in unwirtlichen Regionen lebenden und in der Regel ärmeren Menschen, die kaum Chancen haben, sich eine neue Heimat zu suchen; nicht zuletzt deshalb, weil sie von den Bewohnern der Wohlstandsregionen gewaltsam daran gehindert werden.

Mit der CCS-Technologie, die sich noch im Erforschungsstadium befindet, würde der auf Verbrennung und Zerstörung basierenden technologischen Entwicklung nicht etwa ein Riegel vorgeschoben, sondern sie würde fortgesetzt, quasi legitimiert. Übersehen wird dabei, daß der zunehmende Energieverbrauch der Menschheit keineswegs mit einer allgemeinen Erleichterung der Lebensbewältigung einherging, sondern daß der Verbrauch ein Wachstum befördert, das im wesentlichen die Funktion hat, die Menschen immer enger den vorherrschenden Produktions- und Reproduktionsbedingungen zu unterstellen.

Die Entscheidung für das Abscheiden und Lagern von Kohlendioxid, so die CCS-Technologie denn in Deutschland eingeführt wird, ist eine Entscheidung unter zahllosen, die fortwährend auf dem immer gleichen Kurs getroffen werden. Nicht auf die zunehmende Befreiung des Menschen von den ihn bedingenden Zwängen der Existenzsicherung und Lebensbewältigung treibt die technologische Weiterentwicklung zu, sondern auf die Vertiefung seiner Verfügbarmachung bis hin zur finalen Verwertung der Physis.

27. Mai 2011