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HERRSCHAFT/1674: Elefant Steinbrück - Verschmähte Liebe Linkspartei (SB)




Als sich der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder damit brüstete, daß er zum Regieren nur die Bild-Zeitung und die Glotze brauche, tat das seiner Popularität und Durchsetzungsfähigkeit keinen Abbruch. Hemdsärmlig mit Basta-Rhetorik und Macker-Gehabe, pragmatisch im Schulterschluß mit der Wirtschaft, chauvinistisch gegen den Balkan wetternd, definierte er die ewige Rolle der Sozialdemokratie neu. Im Jahr 1998 verkörperte Schröder eine SPD, die skrupel- und prinzipienlos den sogenannten Reformstau nach sechzehn Jahren CDU-Regierung unter Helmut Kohl durchbrach, die Bundeswehr in den Krieg führte, die Steuern der Reichen senkte und jene sozialen Grausamkeiten auf den Weg brachte, die zu massenhafter Verelendung und Ausgrenzung führten.

Im Jahr 2013 gibt der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Elefanten im Porzellanladen. In der Hoffnung, daß nicht der Scherbenhaufen, sondern die identifikationsheischende Wucht des Riesentiers in der Wahrnehmung der gebeutelten Bürger hängenbleibe, nimmt er sich ungeniert all jene zur Brust, die aus Perspektive deutscher Suprematie leichterdings als Prügelknaben herhalten. In seiner Zeit als Finanzminister wollte er die "Kavallerie" in die Schweiz schicken, um dort aufzuräumen. Anfang der Woche drohte er, den berüchtigten Seeräuber "Störtebeker" nach Zypern zu senden, sollte das Land seine Probleme mit den Banken nicht auf die Reihe kriegen. Nun qualifiziert er zwei Spitzenpolitiker Italiens, die dort immerhin fast die Hälfte der Wähler repräsentieren, als "Clowns" ab.

Man wird doch wohl noch scherzen dürfen und reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist, appelliert der ruppige Sozialdemokrat an die niedrigsten und gerade deshalb wirkmächtigen Selbstbehauptungsinstinkte der Wählerschaft. Prompt bricht eine hitzige Debatte los, was deutsche Politiker dürfen, sollten oder besser bleiben ließen. Was soll's, wenn das Abendessen mit Italiens Präsidenten Giorgio Napolitano ausfällt, wo doch Parteifreund Thomas Oppermann meint, ein Steinbrück rede "Klartext" und bringe die Sache auf den Punkt, wenn er politische Ergebnisse auch noch politisch kommentiere. Selbst wo der Freidemokrat Volker Wissing höhnt, der SPD-Kanzlerkandidat mutiere "zunehmend zu einem deutschen Peerlusconi" [1], adelt das den Geschmähten, sofern er Anleihen bei der Teflonbeschichtung des italienischen Nashorns zu nehmen hofft.

Träumt Steinbrück davon, all das vergessen zu machen, wofür er seit jeher als Hardliner des rechten SPD-Flügels steht? Schon als Finanzminister in der Großen Koalition war er für Hunderte Milliarden Euro verantwortlich, die den Banken im Zuge der Finanzkrise 2008 zum Geschenk gemacht wurden und die nun bei der Bevölkerung wieder eingetrieben werden. Im Februar 2012 versicherte er bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen mit einem guten Dutzend Vorständen und Geschäftsführern großer Konzerne, es werde mit einer SPD-Regierung in der Steuerpolitik "keine Wende nach links geben". Auf einem Sonderparteitag der SPD im Dezember warnte er, daß mit der Einschränkung von sozialen Leistungen auch der gesellschaftliche Zusammenhalt abnehme, und forderte einen starken Staat, um Gefahren für jene abzuwenden, die "eher in den Penthousewohnungen leben". Außenpolitisch vertritt er die Auffassung, daß man nicht mit Sanktionen drohen dürfe, "wenn man nicht bereit ist, sie auch zu vollziehen". In einer Rede im Bundestag kritisierte er Kanzlerin Merkel, die in Europa für einen strikten Sparkurs stehe, doch die "Empfehlungen" der EU an Krisenländer selbst nicht umsetze: "Es gibt von dieser Bundesregierung keine Vorreiterrolle in Europa beim Schuldenabbau" [2], empfahl sich Steinbrück als der härtere Hund.

Nimmt man die Führungsriege der Linkspartei zum Maßstab, scheint das Kalkül des Kanzlerkandidaten aufzugehen. Mag die SPD auch hundertmal in Stein meißeln, daß sie mit Der Linken nie ins Bett gehen wird, ficht das die verschmähte Liebe auf ihrem Kurs zur Mitte offenbar nicht an. Im Gegenteil: Im Oktober 2012 erklärte die Parteivorsitzende Katja Kipping, SPD, Grüne und Linke sollten sich "von den kindischen Abgrenzungsritualen" lösen. Vor wenigen Tagen unterstrich ihr Kollege Bernd Riexinger, eine Wahl Steinbrücks und eine rot-rot-grüne Koalition werde ausschließlich von Inhalten abhängen, alles andere sei "kindisch". Spitzenkandidat Gregor Gysi sieht das alles "ganz pragmatisch. Wenn wir einen Kompromiss mit der SPD in zentralen Fragen wie Sozial-, Finanz- und Außenpolitik hinbekommen würden, scheitert die Wahl eines SPD-Kanzlers nicht an uns." Geradezu euphorisch jubelte Lothar Bisky in Beantwortung der Frage, ob Rot-Rot-Grün eine Option sei: "Selbstverständlich. Das wäre eine Chance für Die Linke, aus ihrer Enge herauszukommen. Die Vorstellung, man dürfe eine bestimmte andere Partei auf keinen Fall berühren, ist doch unglaublich kindisch." Würde die Linke auch einen Kandidaten Steinbrück wählen? "Wenn sie klug ist, ja. Ich jedenfalls kann es mir vorstellen, warum denn nicht?"

Wer klug ist, tut alles für die erhoffte Regierungsbeteiligung, mag sie auch so fern sein wie der Mond. Wer kindisch bleiben will, verkrieche sich weiter in Berührungsängste mit Steinbrück und seiner SPD. Die Botschaft des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten ist angekommen: Mit mir seid ihr stark, alles andere hat uns nicht zu interessieren. Wer wollte nicht wie er herumtrampeln, laut trompeten, Stammtischwitze über Schwächere reißen, Italiener abwatschen, mit Wirtschaftsbossen kungeln und den sozialen Firlefanz vergessen, wenn man fast schon den erhebenden Druck der Regierungsbank unter dem Langen-Marsch-Hinterteil zu spüren glaubt! Träumt weiter, Genossen, wie Steinbrück in Schröders viel zu großen Schuhen. Wenn nicht einmal mehr die Sozialdemokraten gebraucht werden, weil die Grünen die Deutungshoheit bei der Entsorgung des Klassenkampfs von unten übernommen haben, kräht kein Hahn nach einer Linkspartei, die lieber ihr letztes Profil preisgibt, als ihre Avancen an Steinbrück.

Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/napolitano-kritisiert- steinbruecks-clowns-aeusserung-a-886125.html

[2] http://www.wsws.org/de/articles/2013/feb2013/link-f28.shtml

28. Februar 2013