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RAUB/0961: Superreiche retten die Welt ... karitativer Kapitaleinsatz sichert Eigentumsordnung (SB)



"Tue Gutes und sprich darüber" - der Leitsatz des Social Sponsoring bildet den sozialen Affront der Wohltätigkeitsoffensive, der die Sachwalter öffentlicher Interessen gleich reihenweise erliegen, nur unzureichend ab. Indem deutsche Politiker bis hinein in die Grünen die gute Tat devot loben und deutsche Superreiche zur Nachahmung auffordern, belegen sie die Durchschlagskraft einer politischen Demonstration, mit der die hierarchische Klassenordnung Triumphe feiert. Der vermeintliche Altruismus der Spender oder der spezifische Charakter des US-amerikanischen Mäzenatentums erklären nichts, sondern dienen dem Zweck, den Neofeudalismus als Gesellschaftsprinzip moralisch zu verankern.

Allein die Partei die Linke bemüht sich, der Verkehrung einer sozialfeindlichen Gesellschaftsordnung in eine Wohltat für ihre Insassen dadurch entgegenzutreten, daß sie fordert, die angemessene Beteiligung der Superreichen an der Finanzierung des Gemeinwesens fiskalpolitisch durchzusetzen, anstatt aus Dankbarkeit ob dieses generösen Aktes devot vor ihnen auf die Knie zu gehen. Großzügig an der Ankündigung, den größeren Teil ihres Vermögens philanthropischen Zwecken zuzuführen, ist vor allem das Kalkül, damit die eigene Einflußnahme auf Staat und Gesellschaft zu mehren.

So bescheiden sich die Sprachregelung, man wolle mit der Aktion "The Giving Pledge" ("Das Versprechen zu geben") der Welt etwas von dem Reichtum zurückgeben, den man von ihr erhalten hat, anhört, so berechenbar sind die Vorzüge der privaten Wohltätigkeit für die Geber. Abgesehen von dem steuerlichen Vorteil, der aus der karitativen Verwendung ihres Eigentums erwächst, stehen Personen, die große Kapitalmengen angehäuft haben, vor dem grundlegenden Problem, diese auf eine Weise anzulegen, die diese nicht nur mehren, sondern auch die Grundlagen der sie begünstigenden Eigentumsordnung sichern. Die anwachsende Empörung über die extreme Polarisierung der Weltbevölkerung in eine kleine Schicht von Eignern, die nicht wissen wohin mit ihrem Geld, und Milliarden Menschen, denen es am nötigsten fehlt, verlangt aus Sicht der Kapitalmacht und ihrer Funktionseliten nach Lösungen, die neue Glaubwürdigkeit generieren, anstatt die kapitalistische Verteilungsordnung grundlegend in Frage zu stellen.

So bedroht eine Entwicklung, die immer wieder zu Hungeraufständen führt, diese Ordnung nicht nur in legitimatorischer, sondern auch herrschaftstechnischer Hinsicht. Wenn ein Finanztycoon wie George Soros, der sich dieser Initiative nicht anschließen mußte, weil er sein Vermögen bereits seit langem in Stiftungen und NGOs gesellschaftsstrategisch einsetzt, die postsowjetische Transformation Osteuropas mit Institutionen der Demokratie- und Medienförderung begleitet, die sich aktiv an der Initiierung bunter "Revolutionen" beteiligen, dann macht er sich um die Stabilisierung der ihn begünstigenden Verwertungsordnung verdient. Das hat Soros nicht davon abgehalten, ganze Volkswirtschaften mit ruinösen Währungsspekulationen an die Wand zu fahren, ganz im Gegenteil. Er setzte das daraus geschöpfte Kapital allerdings auf so intelligente Weise ein, daß er heute als glaubwürdiger Weltverbesserer und nicht als rücksichtsloser Finanzspekulant gilt.

Bill und Melinda Gates gehören mit ihrer Stiftung zu den bekanntesten Initiatoren karitativer Projekte im allgemeinen und des "Giving Pledge" im besonderen. Um das Ziel zu erreichen, innerhalb von 20 Jahren die Kindersterblichkeit zu halbieren, haben sie große Mittel in die Pharmaforschung gesteckt. Kritiker des Projekts halten die dabei vorgenommene Entwicklung neuer Impfstoffe nicht nur für hochriskant, sondern bezweifeln, daß dieses Ziel auf diesem Weg überhaupt zu erreichen ist. Hohe Mortalitätsraten unter Neugeborenen und Kindern sind Folgen sozialer Defizite, die es in allererster Linie zu beheben gälte. Das durch das von den USA und Britannien dauerhaft durchgesetzte Wirtschaftsembargo gegen den Irak hat zu einem Massensterben unter Neugeborenen und Kindern geführt, das ausschließlich durch den Wegfall bis dahin verfügbarer medizinischer Leistungen, sauberen Trinkwassers und angemessener Ernährung bedingt war.

Es ist nicht bekannt, daß sich der Softwaretycoon damals gegen diese Politik aussprach, noch setzen sich Bill und Melinda heute dafür ein, eine Wiederholung dieser Tragödie im Iran zu verhindern. Als Gewinner der kapitalistischen Globalisierung favorisieren sie eine Weltordnung, die den nationalen Standortwettbewerb durch unbeschränkten Kapitalverkehr und internationale Arbeitsteilung mit desaströsen Folgen für alle Menschen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, anheizt. Die expansive Durchsetzung eigener Profitinteressen und US-amerikanischer Ordnungspolitik erklärt auch die Bevorzugung technokratischer Lösungen gegenüber Entwicklungen, die den von Armut betroffenen Menschen Verfügungsgewalt über ihr eigenes Geschick an die Hand gäbe.

Während Bill Gates behauptet, gegen den Hunger vorgehen zu wollen, befürwortet er den Einsatz von Agrotreibstoffen, mit denen Nahrung für Mobilität verbrannt wird, und propagiert den Emissionshandel zur CO2-Senkung, der lediglich in arme Länder umlastet, was generell reduziert werden müßte. Das von der Gates und Rockefeller Foundation gemeinsam betriebene Projekt AGRA zur Revolutionierung der Landwirtschaft Afrikas zeichnet sich durch intensive Investition in innovative technische Entwicklungen aus. Die Nähe der Gates Foundation zu großen US-Konzernen ist im Falle des AGRA-Projekts besonders prekär, betreibt der Saatgutkonzern Monsanto doch weniger die Bekämpfung des Welthungers, als daß er neue Abhängigkeiten schafft und diese als Weidegrund eigener Profite nutzt.

Wie die kanadische Journalistin Joan Baxter berichtet [1], propagiert AGRA agrarindustrielle Lösungen, die auf dem Import von Düngemittel und Saatgut wie der Entfernung von Kleinbauern von ihrem Land basieren. Baxter kriktisiert die Initiative der Gates Foundation auch deshalb, weil sie die neoliberale Handelspolitik, die in erster Linie zur Verarmung afrikanischer Kleinbauern führt, nicht in Frage stellt und weil sie den zerstörerischen Auswirkungen kapitalintensiver agroindustrieller Bewirtschaftung auf die kleinbäuerliche Produktion nicht entgegentritt. Vor allem jedoch wirft sie AGRA vor, ihre Ziele auf paternalistische Weise durchzusetzen. Die betroffenen Bauern werden nicht gefragt, sondern Funktionäre der US-Stiftungen verfügen über sie nach Maßgabe eigener Vorstellungen. Das veranlaßte Simon Mwamba vom Kleinbauernforum Ost- und Südafrikas dazu, dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, diese entwürdigende Situation auf plastische Weise vorzuführen: "Ihr kommt. Ihr kauft das Land. Ihr macht einen Plan. Ihr baut ein Haus. Jetzt fragt ihr mich, in welcher Farbe ich meine Küche haben will. Das ist keine Partizipation" [1].

Das selbstherrliche Vorgehen im kleinen entspricht den undemokratischen Auswirkungen der Arbeit der karitativen Großstiftungen aufs Ganze. Privatwirtschaftliche Initiativen, ob nun ins Gewand einer Stiftung, einer NGO oder eines Wirtschaftsunternehmens gekleidet, reflektieren die Interessen der Gründer und Eigner, und das müssen nicht die aller Menschen sein. Mit der erheblichen Kapitalkraft, die sogenannte Philantrophen freisetzen, wird das Agendasetting auf entwicklungspolitischen und sozialen Feldern, auf denen zuvor demokratisch legitimierte Regierungsbehörden und supranationale Institutionen wie die Vereinten Nationen Entwicklungspolitik betrieben, dominiert. Die Großstiftungen der Superreichen binden mit ihren karitativen Projekten personelle Ressourcen, die dem öffentlichen Sektor verloren gehen, und setzen, wie in der Bundesrepublik am Beispiel der Bertelsmann-Stiftung zu studieren, politische Vorstellungen in gesellschaftlichen Entscheidungsfeldern durch, mit denen die neoliberale Leistungs- und Konkurrenzideologie fortgeschrieben wird. Zudem legen sie ihr Stiftungsvermögen auch in Fonds an, in denen es alles andere als "ethisch" zugeht, wenn diese etwa in Rüstungsfirmen oder Immobilienprojekte, die Menschen obdachlos machen, investieren.

All das findet außerhalb der Mechanismen demokratischer Willensbildung statt und glorifiziert das neoliberale Primat des Entrepreneurs, der mit erfolgreicher Kapitalakkumulation bewiesen habe, am besten dafür geeignet zu sein, die Geschicke des Gemeinwesens zu lenken. Die von deutschen Politikern nun nach dem Vorbild der US-Almosengesellschaft bejubelte Freiwilligkeit seligen Gebens ist dem unseligen, da unter ökonomischem Zwang erfolgenden Nehmen der lohnarbeitenden und versorgungsbedürftigen Bevölkerung unbedingt äquivalent. Die Frage, wie das viele Geld erwirtschaftet wurde, das als Ausweis eines angeblich humanen Kapitalismus eingesetzt wird, zu untersuchen deckte vollends auf, daß es sich bei dieser Legitimationsoffensive um die Fortsetzung des Raubes und nicht seine Aufhebung handelt. Der der Mehrwertproduktion und der darauf aufsetzenden finanzkapitalistischen Akkumulation abgerungene Reichtum setzt die Gewalt und das Elend, ohne die die Aneignung des Produkts der Arbeit anderer nicht funktioniert, voraus. Sich anschließend dafür feiern zu lassen, daß man die Betroffenen mit bunten Wundpflastern versorgt, ist Aufgabe der integralen Konsensproduktion ökonomisch verfügter Organe der Politik und Medien.

Fußnote:

[1] http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=17694

6. August 2010