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RAUB/0987: Bankirrtum zu unseren Gunsten - NATO-Pakt plündert Libyens Auslandskonten (SB)



Falls Sie planen, demnächst einen Bankraub zu begehen - wozu hier keineswegs aufgerufen werden soll -, nennen Sie Ihr Unterfangen doch einfach "temporärer Finanzmechanismus", dann dürfte das okay sein. Das muß man zumindest annehmen, wo sich doch unsere höchsten politischen Entscheidungsträger dieser Wortwahl bedienen. Allerdings greifen sie im ganz großen Stil ab. Der Raubzug beschränkt sich nicht auf eine einzelne Bank und geplündert werden pro Bank nicht sämtliche Konten, sondern nur die der libyschen Regierung. Aber die haben es in sich. Deutschland hat bereits sechs Milliarden Dollar einkassiert - auf Neusprech "eingefroren" genannt. Vorausgegangen war dem Manöver eine Verordnung der Europäischen Union - nur damit alles rechtens ist, versteht sich. Auch die US-Regierung will Gelder von Libyen "einfrieren", aber zuvor hat sie noch ihre Winkeladvokaten beauftragt, einen Dreh zu finden, damit der Raubzug rechtlich abgesichert erscheint.

Aber die USA und EU, respektive Deutschland, sind doch keine Räuber, glauben Sie? Gewiß, die Gelder werden nicht unmittelbar einbehalten, sondern werden in den "Nationalen Übergangsrat" investiert, jenen undurchsichtigen Zusammenschluß von Personen und Interessenvertretern, die, seit längerem finanziert und angestachelt von westlichen Geheimdiensten, den Aufwind der arabischen Revolten nutzen wollen, um die libysche Regierung zu stürzen. Da es sich im Falle Libyens genau nicht um einen ungesteuerten, allein von der emanzipatorischen Dynamik einer Revolution getragenen Volksaufstand handelt, mangelt es den Milizen an dem, was beispielsweise die Aufstände in Tunesien und Ägypten gar nicht nötig hatten, an Waffen und Geld. Für beides sorgt nun der Große Bruder.

Der Nationale Übergangsrat soll die auf libyschen Auslandskonten angelegten Gelder erhalten, um den Sturz der Regierung zu vollenden. Auch die Einnahmen aus der Ölförderung sollen an die Milizen fließen, so daß sie, falls sie irgendwann an den Schalthebeln der Macht sitzen, mit saftigen Schulden starten. Aus der Sicht des von der NATO angeführten Pakts - auch hier sei wieder das Neusprech bemüht: der Libyen-Kontaktgruppe -, der unter dem Deckmantel eines UN-Mandats zum Schutz der Zivilbevölkerung einen glasklaren Umsturz betreibt, beginnt die Zeit der Ernte. Dann sollen sich die Investitionen amortisieren, was darauf hinausläuft, daß das neue Libyen mehr als das Gaddafi-Libyen als Ressourcen- und Absatzraum sowie als Bollwerk gegen Flüchtlinge nach der Pfeife des Westens tanzt.

Welchen ursprünglichen Verwendungszweck die eingefrorenen Gelder auf den Auslandskonten der heutigen libyschen Regierung hatten, ist nicht bekannt. Die Vorstellung, sie dienten sicherlich der persönlichen Bereicherung des libyschen Machthabers Muamar Gaddafis und seiner Verwandtschaft, ist eine bloße Vermutung. Vielleicht stammen die Gelder aus dem Erdölexport und es handelt sich um Staatseinnahmen, die genauso für zukünftige Generationen angelegt wurden wie die Erdölexport-Gelder der norwegischen Regierung, die das Volkseigentum verwaltet. Falls das zutrifft, bedeutete das, daß der Nationale Übergangsrat zur Zeit das Erbe für zukünftige Generationen ausgibt. Handelt es sich jedoch um Konten, die vom "Gaddafi-Klan" rein privat genutzt werden sollten, so könnte man sagen, daß dem aktuellen Raub durch die Libyen-Kontaktgruppe ein Raub am libyschen Volk vorausging. In beiden Fällen unterläge der "Gaddafi-Klan" dem allerdings verbreiteten Irrtum, daß die einer Bank überlassenen Gelder sicher sind. Das könnte man als den ursprünglichsten Bankirrtum bezeichnen. Und die Lehre daraus könnte sein, daß sich der kleine Räuber stets vor dem großen zu hüten hat, insbesondere dann, wenn sich dieser zu den Guten zählt ...

6. Mai 2011