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REPRESSION/1305: EU plant neues Verkehrsüberwachungssystem (SB)



Die in Britannien schon länger im Rahmen eines Mautsystems geplante Totalüberwachung des Fahrzeugverkehrs könnte, glaubt man einem Bericht der Tageszeitung The Guardian (31.03.2009), auf der höheren Ebene einer EU-weiten Regelung realisiert werden. Unter dem Titel einer Maßnahme zur Verkehrssicherung, bei der der jeweilige Standort eines Autos, seine Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung mit bislang ungekannter Exaktheit an die elektronische Infrastruktur anderer Verkehrsteilnehmer kommuniziert wird, soll ein flächendeckendes technisches System installiert werden, daß diese Daten auch für administrative Zwecke überall in Europa verfügbar machen soll.

Das als Cooperative Vehicle-Infrastructure Systems (CVIS) von der EU, der Auto- und der IKT-Industrie aufgelegte Projekt soll laut dem Guardian aufgrund der Fähigkeit, die Lokalisation eines Fahrzeugs mittels einer Funkinfrastruktur, die alle halbe Sekunde über Frequenzen der Mobiltelefonie, des WLAN sowie der Mikrowellen- und Infrarottechnik die Bewegungsdaten abfragt und weiterprozessiert, zu jeder Zeit auf einen Meter genau bestimmen zu können, erhebliche Datenschutzprobleme aufwerfen. Anders gesagt, die totale Fahrzeugüberwachung rückt in greifbare Nähe, und sie wird sich, geht man von der bisher dokumentierten Durchsetzbarkeit staatlicher Überwachungssysteme aus, kaum vermeiden lassen.

So könnten bereits installierte System, die die Kennzeichen der Fahrzeuge registrieren oder die im Rahmen der LKW-Maut Standortdaten via GPS-Technik verfügbar machen, wirksam ergänzt oder gar überflüssig gemacht werden. Zudem könnten die Fahrzeugdaten mit denen des Mobilfunks korreliert werden, so daß man über die jeweilige Zulassung hinaus wüßte, welche Personen sich in dem Auto aufhalten. Weitere Innovationen von grundstürzender Art wie eine elektronische Automatisierung des Verkehrs, die menschliche Fahrer weitgehend überflüssig macht, zeichnen sich bereits am Horizont ab.

Die Krise der Autoindustrie wirft ohnehin Fragen über die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs auf, die bisherige Prognosen über das weitere Anwachsen der Verkehrsdichte auf europäischen Straßen eher auf gegenteilige Weise wahr werden lassen. Da sich immer weniger Menschen überhaupt ein Auto leisten können und eine wirtschaftliche Erholung zweifellos mit einer starken Verteuerung fossiler Treibstoffe einherginge, ist eine reduzierte Nutzung eigener Autos absehbar. Der Straßenverkehr der Zukunft könnte also nicht nur besser organisiert und überwacht sein, vor allem könnte die Doktrin allgemeiner Mobilität durch das exklusive Vorrecht der Besitzenden abgelöst werden, sich im Kraftfahrzeug von Ort zu Ort zu bewegen. Je tiefer sich der sozialöknomische Einschnitt im Straßenverkehr bemerkbar macht, desto größer sind die Chancen auf Durchsetzung technologischer Innovationen, mit denen die individuelle Freiheit, die aufgrund der Straßenverkehrsordnung und des vorgezeichneten Verlaufs der Wege ohnehn relativ war, durch übergeordnete Regulative gänzlich aufgehoben wird.

1. April 2009