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KULTUR/0790: Michael Jackson ... verlaufen im Traum weißer Suprematie (SB)



Was haben Guantanamo, Abu Ghraib und Bagram mit dem verstorbenen King of Pop zu tun? Sehr viel, denn in beiden Fällen fungierten die Erniedrigung des Körpers zur Verhöhnung der damit vorgeführten Schwäche und der Zugehörigkeit zu einer implizit minderwertigen Klasse von Menschen als gut sichtbare Merkmale der politischen und kulturellen Suprematie weißer Männlichkeit. Die Folterlager des Terrorkriegs sind nur bedingt Zentren der Informationsbeschaffung durch Aussageerpressung, sie sind vor allem Schaufenster einer imperialistischen Willkür, deren Wirkmächtigkeit gerade dadurch unterstrichen wird, daß die beanspruchten Werte, für die die Terroristen "uns" angeblich hassen, in der Beliebigkeit ihrer Aufhebung zum Ausdruck eines besonders perfiden Machtmittels werden. Weiße Herrschaft, an deren maskulinem Charakter teilzuhaben Frauen keineswegs unmöglich gemacht wird, wenn sie die in Krieg, Büro und Fabrik etablierten Praktiken und Codes der Verfügungsgewalt nur bereitwillig genug adaptieren, exemplifiziert ihre Überlegenheit am farbigen Menschen nicht von ungefähr mit sexuell aufgeladener Grausamkeit, wie zahlreichen Beispiele aus den Folterprotokollen der US-Regierung belegen. Was im Popsexismus als Lohn für die Unterwerfung unter das Kapitalverhältnis in Aussicht gestellt wird, verweist in Form sexueller Erniedrigung politischer Gegner darauf, daß der Krieg der Körper keineswegs nur an geschlechtsspezifischen Fronten ausgetragen wird.

In Michael Jackson spiegelte sich der Wunsch des in den Staub der Nichtigkeit getretenen Objekts weißer Suprematie nach Teilhaberschaft an deren Sieg auf geradezu idealtypische Weise. Indem er seinen Körper zum Labor der Transformation seiner ethnischen und geschlechtlichen Eigenart erklärte, zelebrierte er die Freiheit eines warenförmigen Identitätsspektakels, mit dem sich auf dem Maskenball konsumistischer Freuden hervorragend tanzen läßt, solange man über die dafür erforderlichen Mittel verfügt. Daß der Popstar sich mit chirurgischen Mitteln der Attribute einer schwarzen Physiognomie entledigte, um zu einem androgynen Kunstprodukt eines popkulturellen Gewerbes zu werden, das, in einem von weißen Kapitaleignern dominierten Geschäft verankert, Profite auf dem Rücken der Menschen und Länder des Südens erwirtschaftet, läßt seine persönliche Form der Unterwerfung als kapitale Trophäe rassistischer Siege erscheinen.

Unterwerfung unter einen Kapitalismus, dessen Aufstieg untrennbar mit der Ausbeutung schwarzer Sklaven und der Ausplünderung südlicher Kontinente verknüpft ist, und unter eine medizinaltechnische Verwertungsform, die die Verfügbarkeit der Körper für fremdnützigen Gebrauch durch eine immer weitreichendere Formbarkeit der individuellen Gestalt gewährleistet. Das inzwischen selbstverständlich verlangte, zum Ausweis klassenspezifischer Zugehörigkeit avancierte medizinische Korrektiv als unästhetisch oder gar "unappetitlich" empfundener Abweichungen verwandelt den dabei erlittenen Schmerz in die Lust an einer gesellschaftlichen Entwicklung, deren hierarchischer Ordnung die Belohnung der Schönen und Reichen und die Bestrafung der Häßlichen und Armen nicht nur als Merkmal ihres Klassencharakters inhärent ist, sondern die mit dieser sozialdarwinistischen Wertigkeit über ein zentrales Element ihrer Betriebsmechanik verfügt.

Indem dem sogenannten Terrorverdächtigen unter körperlichen Qualen eingebleut wird, sich nicht mit den Herren der Welt anzulegen, erklären sie ihre Definitionsgewalt über Gut und Böse zur Bibel aller davon Betroffenen. Da Michael Jackson sich freiwillig - so fern dieser Begriff im Rahmen popkultureller Inszenierung überhaupt von Belang ist - den Eingriffen der weißen Medizinfabrik aussetzte, erbot er dem System, das die administrativen Möglichkeiten des berufsständisch organisierten Zugriffs auf die Körper zu einem Apparat komplexer Sozialkontrolle ausgebaut hat, jenen vorauseilenden Gehorsam, der im modernen Krieg als offener Zwang und grausame Gewalt einer jeden Menschen potentiell treffenden Präventivlogik in Erscheinung tritt. Die Jackson mit dem Mittel des medienaffinen Gerüchts unterstellten Obsessionen zeigten, daß derjenige, der sich zum Warenfetisch erklärt, auch als solcher verbraucht wird.

So ist der King of Pop als exponiertes Markenzeichen der Unterhaltungsindustrie stets Sklave von Interessen geblieben, die zu durchschauen ihm aufgrund des Versprechens auf Erlösung im Himmel einer Zugehörigkeit, die Hautfarben zu Klassenmerkmalen transzendiert, nicht möglich war. Sich davon zu emanzipieren ist keine Frage einer neuen Kostümierung im Ringelreihen marktförmiger Identitäten, sondern der Nichtakzeptanz aller Beteiligung an einem System des Raubes, das den Eigentumanspruch am andern wie ein Brandzeichen in das Fleisch einer Bedürftigkeit setzt, die zu eigenen Gunsten zu maßregeln Sinn und Zweck aller Torturen ist.

27. Juni 2009