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KULTUR/0891: Augiasstall - Ausmisten restauriert mediengestützte Staatsräson (SB)



Nach der griechischen Sage wurde der Stall mit 3.000 Rindern des Königs Augias in dreißig Jahren nicht gereinigt bis Herakles auf den Plan trat und ihn in einem einzigen Tag ausmistete. Ungefähr dreißig Jahre brauchte Rupert Murdoch, um sein krakenartig wucherndes Medienimperium mit den politischen Eliten zu verzahnen, bis seine von ihnen hochgeschätzte Brachialgewalt die öffentliche Meinung zum unerschütterlichen Pendant staatlichen Handelns deformiert hatte. Wo immer die herrschenden Klassen der einheimischen Bevölkerung soziale Grausamkeiten aufbürdeten oder andere Völker mit bellizistischen Raubzügen heimsuchten, waren Murdochs Medien zur Stelle, um ihren Segen zu geben. Nun ist der Bogen überspannt, bricht der Tag der Säuberung an. Man sucht Schuldige, Sündenböcke werden zum Opferaltar getrieben, Köpfe rollen - denn wer wollte die Gunst der Stunde nicht nutzen, sich in die Heldenbrust zu werfen, um an der Neuverteilung des Kuchens nach Kräften zu partizipieren. Die Konkurrenz wittert fette Beute, nun da das Alphatier auf die Knie gesunken ist. Wer in politischen Kreisen den Eindruck erwecken kann, er sei nie mit den Murdochs ins Bett gegangen, ist fein raus. Bei soviel Schmutz, der jetzt aus allen Ecken quillt, lohnt es sich allemal, sich an der vielversprechenden Schlammschlacht zu beteiligen.

Herakles, so heißt es in der Mythologie, habe Flüsse umgelenkt, worauf deren Fluten das für unmöglich gehaltene Vorhaben in Tagesfrist bewältigen halfen. Damit hatte der Held sein Werk getan. Der Mist war verschwunden, die Ställe blieben und natürlich auch König Augias. So ähnlich wird es auch diesmal laufen. Wenngleich noch längst nicht ausgemachte Sache ist, wer am Ende auf der Strecke bleibt, zeichnet sich doch unübersehbar ab, was gestärkt aus der allseits proklamierten Säuberung hervorgehen soll. Wenn Krokodilstränen in Strömen vergossen werden, weil das Vertrauen in Politik, Medien und Polizei erschüttert sei, setzt man die Restauration mediengestützter Staatsräson auf die Tagesordnung. Daß Murdochs Macht die Medienlandschaft vortrefflich gestutzt und vom Unkraut kritischer Meinungsvielfalt befreit hat, ohne daß es dazu allzu viel staatlicher Zensur bedurft hätte, wird man schwerlich preisgeben. Volkes Stimme im Sack gilt es nun, Empörung zu schüren und zu kanalisieren, damit am Ende alle aufatmen können, weil ein hoffnungsvoller Neubeginn gemacht ist.

Im Unterschied zur antiken Heldenfigur brauchen die modernen Protagonisten der Stallhygiene allerdings länger als einen Tag, um den Gestank zu vertreiben. Das hängt damit zusammen, daß erst noch in erbitterten Grabenkämpfen ausgefochten werden muß, wer die Guten und wer die Bösen sind. Der 80jährige Rupert Murdoch und sein Sohn James wiesen vor dem Medienausschuß des britischen Parlaments jede Mitwisserschaft an kriminellen Machenschaften von Journalisten des mittlerweile eingestellten Boulevardblatts News of the World entschieden zurück. Sie mimten Bestürzung über das Abhören Tausender Mobiltelefone sowie Schmiergeldzahlungen an die Polizei und boten eine Entschuldigung an. Zweifellos fürchten sie um ihr Imperium und versuchen die Schuld auf ihre schwer ins Kreuzfeuer geratenen machthungrigen Leutnants und skrupellosen Doppelagenten abzuwälzen, als wären sie niemals deren gestrenge Lehrmeister gewesen.

Unschuldig ist nach eigener Diktion auch der britische Premierminister David Cameron. Vor dem zu einer Sondersitzung einberufenen Parlament schloß er ein Fehlverhalten seines Hauses in der Abhör- und Korruptionsaffäre aus. Seine Mitarbeiter hätten sich im Zuge der polizeilichen Ermittlungen "vollkommen richtig" verhalten, behauptete der Regierungschef, wofür er den jüngst veröffentlichten E-Mail-Verkehr zwischen seinem Stabschef und dem inzwischen zurückgetretenen stellvertretenden Polizeichef John Yates als Beleg anführte. Zugleich wies Cameron den Vorwurf der Opposition zurück, er habe mit seinen zahlreichen Kontakten zu Managern und Journalisten des Medienkonzerns News Corp gegen Verhaltensregeln des Parlaments verstoßen. [1]

Dumm ist für den Premierminister natürlich der Umstand, daß er mit Andy Coulson einen ehemaligen Chefredakteur des Boulevardblatts News of the World vorübergehend zu seinem Medienberater ernannt hatte. Rückblickend bereue er dessen Anstellung, erklärte Cameron und behauptete zugleich forsch, das wäre nie geschehen, hätte er damals gewußt, was ihm heute bekannt sei. Er übernehme dafür die Verantwortung, wobei aber zunächst einmal festgestellt werden müsse, ob Coulson tatsächlich schuldig sei. Dann trat Cameron die Flucht nach vorn an und verkündete, auch andere Medien hätten sich unlauterer Recherchemethoden bedient. Deshalb werde der geplante richterliche Ausschuß, dem auch frühere Journalisten großer Medienhäuser angehören sollen, weitere Zeitungen und Fernsehsender unter die Lupe nehmen. Dazu gehörten auch der Sender BBC sowie weitere renommierte Medien. Der erste Bericht soll in zwölf Monaten erscheinen, beschloß der Premier, im Glashaus erst recht mit Steinen zu werfen, wilde Drohungen auszustoßen und die Sache wenn irgend möglich auszusitzen.

Das will Oppositionsführer Ed Miliband verhindern, der das opportune Gespür besaß, sich in der Affäre so frühzeitig von Murdoch zu distanzieren, daß er sich nun als Saubermann gerieren und den Tories an den Karren fahren kann. Die schießen allerdings mit der Retourkutsche zurück, daß mit Tony Blair und Gordon Brown zwei Labour-Premiers mehr oder minder innige Freunde Murdochs waren und sich Miliband selbst noch vor wenigen Wochen mit großem Gefolge beim Sommerfest des anrüchigen Medienkonzerns gütlich tat. Miliband reitet in erster Linie auf Coulson sowie den engen Beziehungen Camerons zur Murdoch-Vertrauten Rebekah Brooks herum, um dem Regierungschef eine "katastrophale Fehleinschätzung" zu attestieren. [2] Die konservative Regierung zu Fall zu bringen, wie es der Oppositionsführer auf solchem Wege versucht, bestätigt durchaus die Vermutung, daß auch in diesem Fall eine Krähe der andern nicht wirklich ein Auge aushackt. Alles ist derzeit erlaubt - außer natürlich die Eliten des Landes zu beschädigen.

Fußnoten:

[1] http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2011/07/20/International/Cameron-will-Untersuchung-nach-Abhoerskandal-ausweiten

[2] http://www.welt.de/aktuell/article13498093/Abgeordnete-greifen-britischen-Premier-Cameron-an.html

20. Juli 2011