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KRIEG/1397: Anschlag auf CIA-Basis - Geheime Kriegführung in Afghanistan (SB)



Das Selbstmordattentat auf eine US-Geheimdienstbasis in der ostafghanischen Provinz Khost lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Form der Kriegführung, die signifikant für die Durchsetzung neokolonialistischer Besatzungsregime ist. Mit dem operativen Einsatz von Geheimdiensten wird das Feld kriegerischer Gewaltanwendung auf denkbar brutale Weise bestellt, bewegen sich diese Akteure doch im Dunkelfeld einer weder demokratisch kontrollierten noch an kriegsvölkerrechtliche Maßgaben gebundenen Vorgehensweise. Unter der Überschrift Counterinsurgency wird verschleppt, gefoltert, hingerichtet und was der Methoden dieses besonders schmutzigen Krieges mehr sind, ohne daß die breite Öffentlichkeit davon allzuviel erführe. Dies wäre jedoch erforderlich, um die Mär von einer wohlwollenden Schutz- und Aufbaumission, die im mehrheitlichen Interesse der Afghanen stattfinden soll, wirksam zu widerlegen.

Die CIA hat eine lange Tradition der geheimen Kriegführung, wie etwa das Phoenix-Programm im Vietnamkrieg belegt, in dessen Rahmen Zehntausende Mitglieder der Nationalen Befreiungsbewegung (NLF) Südvietnams unter Leitung der CIA von US-Spezialstreitkräften und Einheiten der Regierungsarmee Südvietnams gefoltert und ermordet wurden. Bei der Eroberung Afghanistans gehörten CIA-Agenten zu den ersten US-Amerikanern, die im Land kämpften. Seitdem hat der Auslandsgeheimdienst vor allem durch seine Rolle bei der Verschleppung und Folterung angeblicher Terrorverdächtiger von sich reden gemacht. Auch wenn US-Präsident Barack Obama versprochen hat, diese Praxis zurückzunehmen, hat die Bedeutung der CIA für den Afghanistankrieg stetig zugenommen. Es ist kein Zufall, daß der Befehlshaber der ISAF und der US-Truppen in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, seine Karriere im Milieu der Militärgeheimdienste und Special Forces absolviert hat. Seiner Doktrin, man müsse mehr Rücksicht auf die afghanische Zivilbevölkerung nehmen, liegt die Verschärfung der geheimen Kriegführung gegen die Besatzungsgegner durch Spezialkommandos und Geheimdienstoperationen zugrunde.

Die dafür notwendige Anwerbung einheimischer Informanten eröffnet, wie das Selbstmordattentat vom Mittwoch zeigt, den Taliban die Möglichkeit, ihrerseits zu versuchen, die Streitkräfte und Geheimdienste der Besatzer zu unterwandern. Der seit längerem von der CIA umworbene Attentäter, der eine Uniform der afghanischen Regierungstruppen getragen haben soll, wurde beim Betreten der Basis nicht durchsucht, weil man sein Vertrauen gewinnen, sprich den Mann mit hochgefährlichen Aufträgen betrauen wollte. Da es sich um eine Art Doppelagent handelte und es allgemein bekannt ist, daß viele Afghanen der Regierungsarmee aus ökonomische Gründen beitreten und nicht selten gleichzeitig für die Taliban kämpfen, dürften die Besatzer den einheimischen Soldaten künftig mit noch größerem Mißtrauen begegnen. Die von der Bundesregierung propagierte Afghanisierung des Krieges krankt daher daran, daß es keine Verläßlichkeit unter den Truppen einheimischer Statthalter gibt, basiert das Verhältnis der Besatzer zur Bevölkerung doch von Anfang an auf Gewalt.

Je unklarer die Fronten in diesem Krieg werden, desto mehr werden die Besatzer auf jene Verhörmethoden zurückgreifen, die sie angeblich einstellen wollten. Die Bevölkerung selbst gerät zusehends ins Visier ihrer Waffen, weil die Taliban sich aus ihren Reihen rekrutieren und von ihr unterstützt werden. Kurz gesagt, die sogenannte Aufstandsbekämpfung wird mit all den Grausamkeiten einhergehen, zu denen Aggressoren schon immer gegriffen haben, um den durch ihre Kriegführung entstandenen Widerstand zu brechen. Hier ist an die Beteiligung des BND, des KSK und der CIA bei der Entscheidung über den Bombenangriff auf zwei Tanklaster am 4. September 2009 zu denken. Gerade weil die Bundeswehr als sogenannte Parlamentsarmee in einem vergleichsweise hohen Ausmaß der öffentlichen Kontrolle unterworfen ist, ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Bundesregierung zusehends auf die Mittel der geheimen Kriegführung zurückgreifen wird, um ihre angeblichen Bündnispflichten erfüllen zu können, groß.

1. Januar 2010