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KRIEG/1424: Mehr Rechtssicherheit für Bundeswehr, mehr Unsicherheit für Afghanen (SB)



Auf die Bundesanwaltschaft ist Verlaß. Ebensowenig, wie sie die Beteiligung der Bundeswehr am Überfall auf Jugoslawien als Rechtsbruch verfolgen wollte, will sie nun gegen Bundeswehroberst Georg Klein ermitteln. Sein Befehl, am 4. September 2009 zwei Tanklaster in der Nähe von Kunduz bombardieren zu lassen, die in einem Flußbett steckengeblieben waren, war mit dem Völkerstrafgesetzbuch und dem Strafgesetzbuch vereinbar. Klein und der ihm zur Seite stehende Unteroffizier wären nicht davon ausgegangen, daß sich Zivilisten im Umfeld der Tanklaster aufgehalten hätten, als sie den Angriffsbefehl gaben. Laut der Bundesanwaltschaft konnten sie "nach gewissenhafter und immer wieder aktualisierter Prüfung aller ihnen zum Geschehensablauf bekannten Fakten und Umstände annehmen, dass ausschließlich Aufständische vor Ort waren", so die Presseerklärung der Bundesbehörde laut Spiegel Online (19.04.2010).

Die Entscheidung kann nicht überraschen, denn es war im Voraus bekannt, daß die Beweise für ein vorsätzlich gegen Zivilisten gerichtetes Handeln des deutschen Befehlshabers kaum zu erbringen wären. Die Fragen, wieso er gegenüber den US-Kampfpiloten irreführenderweise eine akute Bedrohung der Bundeswehr behauptete, ohne die der Angriff nicht möglich gewesen wäre, und wieso er ihr Angebot nicht annahm, zur Warnung eventuell anwesender Zivilisten das Ziel vor dem Angriff tief zu überfliegen, spielen für den in Frage stehenden Vorsatz keine Rolle. Da es sich bei der Bombardierung auch ohne unmittelbare Bedrohung der Bundeswehr laut der Bundesanwaltschaft um eine völkerrechtlich zulässige Kampfhandlung handelte, begünstigt die unterbliebene Anklageerhebung die Wiederholung derartiger Massaker.

Dementsprechend erfreut zeigte sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Mit dieser Entscheidung werde größtmögliche Rechtssicherheit nicht nur "für die direkt betroffenen Soldaten" geschaffen. Der CSU-Politiker darf sich darüberhinaus in seiner ursprünglichen Einschätzung, daß der Angriff "militärisch angemessen" gewesen sei, bestätigt fühlen. Indem er Oberst Klein von der später erfolgten Revision dieser Gutheißung explizit ausnahm und ihm widersinnigerweise den Rücken für etwas stärkte, das er nun verwarf, demonstrierte er gegenüber all denjenigen, denen die Bundeswehr in Afghanistan nicht aggressiv genug vorgeht, daß seine Korrektur vor allem auf öffentlichen Druck zustandekam.

Auch andere Politiker und Militärs freuten sich nach der Entscheidung der Bundesanwaltschaft über die damit gewonnene "Rechtssicherheit" für die "Soldaten im Einsatz". Im Klartext wird damit ein Freibrief für zerstörerische Angriffe zu Lasten der Sicherheit der afghanischen Bevölkerung erteilt. Wohl wissend, daß die Hände der Justiz des Landes, in dem die International Security Assistance Force (ISAF) eben keinen Krieg führt, hinter dem Rücken jener von den Besatzern völlig abhängigen Regierung gefesselt sind, die die NATO-Truppen - angeblich in souveräner Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Funktion - ins Land gerufen hat, läßt sich künftig mit noch größerer Entschiedenheit gegen diejenigen vorgehen, die von vornherein jeden Rechtsstatus eingebüßt haben, weil es sich um Terroristen handeln soll.

19. April 2010