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KRIEG/1451: Korruption kommt in den besten Familien vor ... CIA sponsort afghanische Politiker (SB)



Eines der Hauptübel, an denen die Befriedung und der Wiederaufbau Afghanistans scheitern sollen, sei die Korruption, heißt es allenthalben. Sie mache eine geordnete und verläßliche Regierungstätigkeit unmöglich und sorge dafür, daß sich kontraproduktive Partikularinteressen zugunsten des Gemeinwohls durchsetzten. Das ist zweifellos zutreffend, nur läßt sich das Problem der illegitimen Einflußnahme nicht allein zu Lasten afghanischer Regierungsbeamter und -funktionäre adressieren.

So steht die Bevölkerung des Landes vor dem Problem, daß die Regierung unter Präsident Hamid Karzai auf undemokratischem Wege zustandegekommen ist. Sie wurde unter Ausschluß all derjenigen Afghanen installiert, die mit der Eroberung des Landes nicht einverstanden sind und sich daher gegen die Besatzer zur Wehr setzen. Dabei haben sich jene oligarchischen Strukturen durchgesetzt, die das Land seit jeher nach Maßgabe der Waffengewalt, die sie mobilisieren können, beherrschen. Nach dem Sturz der Taliban konnten sich regionale Warlords, Großgrundbesitzer, Stammesführer und Drogenhändler einer neugeschaffenen Legitimität erfreuen, die ihnen aufgrund pragmatischer Erwägungen der Eroberer zugestanden wurde. Mit der demokratischen Emanzipation der afghanischen Bevölkerung hat dies ebensowenig zu tun wie die Durchsetzung der Talibanherrschaft in den 1990er Jahren.

In Afghanistan regieren Einzelpersonen, die mit den Absichten der NATO-Staaten konform gehen, über das Gros der Bevölkerung, die nach wie vor ohnmächtiger Spielball in den Händen fremder Interessen sind. Die Schlüsselstellungen, in denen über die Verwendung der Gelder befunden wird, die die Besatzer für den Wiederaufbau des Landes einsetzen, befinden sich in den Händen von Bürokraten und Fraktionen, denen Erhalt und Ausbau der eigenen Machtstellung weit wichtiger sind als das Wohl der Gesamtbevölkerung, die es als solche überhaupt zu konstituieren gälte. Bislang wird die afghanische Gesellschaft vor allem von der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu den jeweiligen ethnischen und tribalistischen Gruppen definiert, deren Kräfteverhältnis sich durch den Sturz der hauptsächlich der paschtunischen Bevölkerung zugehörigen Taliban konträr zur faktischen Mehrheit der Paschtunen entwickelt hat.

Von daher ist der Versuch, in Afghanistan gouvernementale Strukturen nach dem Vorbild pluralistischer westlicher Gesellschaften zu etablieren, ohne die gleichberechtigte Einbeziehung der Taliban und anderer Gruppen der NATO-Gegner von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dies allerdings käme dem Eingeständnis gleich, daß man etwa dort stände, wo man sich vor neun Jahren befand, und die Opfer dieses Krieges umsonst gestorben wären.

Mit der Unterstellung, die Korruption sei das Hauptproblem bei der Demokratisierung des Landes, werden jedoch nicht nur die tradierten Machtverhältnisse übergangen. Die pekuniäre Einflußnahme der NATO-Staaten verzerrt ihrerseits die Grundlage eines egalitären Aufbaus der Gesellschaft, so er überhaupt beabsichtigt ist. Schon bei der Eroberung des Landes wurden die CIA-Agenten am Boden mit großen Summen ausgestattet, um einzelne Stammesführer und Honoratioren für ihre Sache zu gewinnen. Seitdem stellen die Geldmittel, das die privaten Hilfsorganisationen, deren Mittel zu einem Gutteil von den Regierungen der NATO-Staaten gestellt werden, und die Wiederaufbauhelfer ausgeben, neben dem Drogenhandel die wichtigste Einnahmequelle der afghanischen Volkswirtschaft dar.

Vergabe und Einsatz dieser Finanzmittel sind häufig an die Strategien der Besatzer gebunden. Der Krieg wird nicht nur mit militärischen Mitteln geführt, er ist auch ein Labor der zivil-militärischen Zusammenarbeit, in dem insbesondere die Bundeswehr Strategien für künftige Befriedungsoperationen entwickelt. Bislang ungelöst ist das Problem, daß die Zweckbindung der eingesetzten humanitären Mittel von den NATO-Gegnern als Element der gegen sie gerichteten Kriegführung identifiziert wird. Je mehr zivile Felder von militärischen Strategien bestimmt werden, desto größer ist die Gefahr für alle dort tätigen Personen, in die kriegerische Auseinandersetzung einbezogen zu werden.

Der im Rahmen der Aufstandsbekämpfung unternommene Versuch, Hearts and Minds der Bevölkerung zu gewinnen, repräsentiert ein Zuckerbrot, das ohne Peitsche nicht gedacht werden kann. Zweifellos handelt es sich aus Sicht der Gegner der NATO um eine Form von Korruption, wenn deutsche Soldaten der afghanischen Bevölkerung Geld für zivile Zwecke zur Verfügung stellen. Dementsprechend wirkungslos verpufft diese Maßnahme, werden die Mittel doch gerne genommen, während sich die Empfänger bei den Taliban rückversichern, dafür nicht als Kollaborateure bestraft zu werden. Auf diesem Wege dürfte einiges von den zum Wiederaufbau eingesetzten Geldern in Hände gelangen, die sie für den Kampf gegen die NATO-Truppen verwenden.

Nun hat sich zu allem Überfluß herausgestellt, daß zahlreiche Mitglieder der Regierung Karzai auf der Gehaltsliste der CIA stehen. Eine Person aus dem direkten Umfeld des afghanischen Präsidenten soll Gelder vom US-Auslandsgeheimdienst erhalten, und auch sein Sicherheitsberater Mohammed Zia soll seit Jahren auf diesem Wege von der US-Regierung instrumentalisiert werden. Laut dem früheren afghanischen Innenministerium Ali Jalali hält sich die CIA seit Jahrzehnten wichtige afghanische Politiker und Führer mit Geldzahlungen gewogen, was in Anbetracht des von den USA finanziell unterstützten Aufstands der Mujahedin gegen die afghanische Regierung und ihre sowjetischen Unterstützer in den 1980er Jahre nicht weiter erstaunen kann [1].

Auch von daher erscheint die Analyse, die administrativen und gesellschaftlichen Probleme des Landes seien zu einem Gutteil durch Korruption bedingt, nur dann stichhaltig, wenn auch die finanzielle Einflußnahme der Besatzer in Rechnung gestellt wird. Diese einzustellen wird kaum in Frage kommen, müßten die Regierungen der NATO-Staaten doch dann einen noch entschiedeneren Widerstand gegen ihre Anwesenheit befürchten. In Anbetracht so hoher Verluste wie jener 21 US-Soldaten, die an mehreren Orten des Landes zwischen Mittwoch und Freitag in Afghanistan fielen, kann die NATO es sich schlicht nicht leisten, die finanzielle Flankierung ihrer Kriegführung einzustellen.

Fußnote:

[1] http://english.aljazeera.net/news/asia/2010/08/201082805957267868.html

31. August 2010