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KRIEG/1528: Umzug statt Abzug - USA verstärken Militärpräsenz am Persischen Golf (SB)



Der von dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush ausgerufene weltweite Kriegszug geht in seine nächste Etappe. Unter dem Vorwand, es gelte den "internationalen Terrorismus" zu bekämpfen, wo immer er in Erscheinung trete, Rückzugsgebiete in Anspruch nehme oder Unterstützung finde, proklamierten die Vereinigten Staaten eine weder territorial spezifizierte noch zeitlich terminierte Kampagne, die immer neue Angriffsziele ausweist. Dabei wurde die nationale Sicherheit der USA mit deren militärischen, politischen und ökonomischen Interessen so weitgehend gleichgesetzt, daß sich der permanente Krieg als Normalzustand präventiver Verteidigung legalisieren ließ.

Der Truppenabzug aus dem Irak führt keineswegs eine Zäsur herbei, die die Stationierung der US-Streitkräfte in dieser Region beenden und einen Übergang zum Frieden anbahnen könnte. Wie Präsident Barack Obama angekündigt hat, soll vielmehr die Militärpräsenz am Persischen Golf verstärkt werden. Da man auf eine Konfrontation mit dem Iran oder ein Sicherheitschaos im Irak vorbereitet sein müsse, plane man die Verlegung zusätzlicher Kampftruppen nach Kuwait und die Entsendung weiterer Kriegsschiffe in den Persischen Golf. Washington will zudem die militärische Zusammenarbeit mit den im Golf-Kooperationsrat (GCC) zusammengeschlossenen Ölförderstaaten Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Katar, Kuwait und Oman stärken.

Im Jahr 2008 hatte die Bush-Administration mit der Marionettenregierung in Bagdad ein Abkommen ausgehandelt, das den formellen Abzug US-amerikanischer Kampftruppen bis Dezember 2011 mit der Option einer unbegrenzten Dauerpräsenz eines beträchtlichen Kontingents von bis zu 20.000 Soldaten verband, die als Berater und Ausbilder klassifiziert wurden. Die Farce, das irakische Regime werde um diese Unterstützung bitten, die ihm Washington daraufhin natürlich nicht verweigern könne, ließ sich jedoch nicht über die Bühne bringen. Seit der Invasion 2003 wurden mehr als eine Million Iraker getötet, zahllose weitere zu Flüchtlingen, maßlose Zerstörungen angerichtet und die Lebensverhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung dramatisch verschlechtert. Dies hat dazu geführt, daß keine politische Fraktion bereit war, nun auch die von den US-Militärs geforderte Immunität mitzutragen und sich damit in den Augen ihrer Landsleute restlos zu diskreditieren. Was als Selbstgänger konzipiert war, scheiterte am Widerstand des irakischen Parlaments.

Präsident Obamas Erklärung vom 21. Oktober, er werde nach gut acht Jahren Krieg alle amerikanischen Soldaten bis Jahresende aus dem Irak heimholen und damit sein Wahlversprechen erfüllen, verkehrt die Notlösung zur Friedensoption, die sie mitnichten ist. Längst verhandelt Washington hinter den Kulissen mit der irakischen Regierung über die weitere Unterstützung der einheimischen Sicherheitskräfte, wie auch offiziell eine neue Verhandlungsrunde zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen wird. Führende irakische Militärs haben längst signalisiert, daß sie ohne die Unterstützung internationaler Partner nicht vor 2020 in der Lage seien, Luftraum und Grenzen des Landes zu verteidigen. Dies legt nahe, daß die US-Streitkräfte de facto die Lufthoheit behalten wie auch die irakischen Truppen weiterhin aufrüsten und ausbilden. Im Land bleiben soll auf jeden Fall eine Söldnerarmee von rund 5.500 Mann, die als private Sicherheitsdienstleister im Auftrag des US-Außenministeriums gemeinsam mit 16.000 Zivilisten der US-Botschaft in Bagdad die Besatzung aufrechterhalten.

Das aufzustockende Truppenkontingent in Kuwait ist jedoch nicht nur in der Lage, bei Bedarf in den Irak einzurücken, sondern zugleich Teil des ohnehin konzipierten nächsten strategischen Schritts. Wenngleich die Kriege in Afghanistan und dem Irak aus Sicht der USA und ihrer Verbündeten höchst problematisch verlaufen und vielfach als verloren eingestuft werden, erzwingen die um so hartnäckiger verfolgten Hegemonialinteressen Washingtons mögliche Angriffe auf Syrien und den Iran. Beide Optionen werden seit Jahren mehr oder minder aggressiv diskutiert und stehen in engem Zusammenhang, da ein militärisch herbeigeführter Regimewechsel in Damaskus in einen umfassenden Krieg gegen den Iran zu münden drohte. Die von der US-Regierung angestrebte neue Sicherheitsarchitektur im Persischen Golf massiert das Angriffspotential in dieser Stoßrichtung. Zudem werben US-Diplomaten derzeit in Europa für Sanktionen gegen die iranische Zentralbank und damit ein Wirtschaftsembargo, das erfahrungsgemäß als Vorstufe eines geplanten Angriffskriegs einzustufen ist. Hinzu gesellen sich angeblich aufgedeckte Anschlagspläne in den USA, die man der Führung in Teheran in die Schuhe zu schieben versucht.

Zugleich zeugt die vertiefte Zusammenarbeit mit den reaktionärsten Regimes der Region vom Bestreben Washingtons, soziale Umwälzungen in diesen Monarchien zu unterdrücken. Stabile Herrschaftsverhältnisse in den Golfstaaten sind für die USA eine wesentliche Voraussetzung für die Kontrolle der gesamten arabischen Welt wie auch eine Blockbildung gegen Teheran. Folglich ist die Mißachtung der Menschenrechte, wie sie etwa im Falle Libyens als Rechtfertigung des Angriffskriegs mit offenbar bis zu 50.000 Toten herhalten mußte, hinsichtlich Saudi-Arabiens und der benachbarten Despotien für Washington nicht mehr als ein Kavaliersdelikt. Mit dem Regime in Riad vereinbarte Washington ein im Umfang gewaltiges Waffengeschäft wie sich auch Deutschland mit der geplanten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern sowie der vergebenen Lizenz für die Fertigung des Sturmgewehrs G36 rege an der massiven Aufrüstung des Scheichtums beteiligt.

Wenngleich sich dabei die Absatzinteressen der Rüstungsindustrie mit dem Kalkül der Militärs und den aggressiven Bestrebungen der Falken in Kreisen des politischen Establishments verschränken, griffe man doch zu kurz, darin die alles entscheidenden Mechanismen des Krieges zu verorten. Erst mit der Rückführung auf den expansiven Drang kapitalistischer Verwertung und der daraus resultierenden imperialistischen Offensive kommt man der Dynamik weltweiter Herrschaftssicherung näher, die Frieden allenfalls als wesensverwandte Zwischenetappe permanenter Zugriffsentwicklung kennt. Die Vereinigten Staaten setzen um ihrer Suprematie willen den Kriegszug fort, zumal ihre überlegene Waffengewalt die Grundlage ihrer Wirtschaftsweise darstellt, eine astronomische Verschuldung auf den Rest der Welt umzulasten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wenngleich naheliegt, daß sie sich dabei früher oder später überstrecken und das Ende ihrer Vorherrschaft eingeläutet ist, besteht kein Anlaß zur voreiligen Siegesfeier. Solange die Führung nur wechselt, während Ausbeutung und Unterdrückung auf immer höherem Niveau fortbestehen, kann von einer Bewältigung auch nur der naheliegendsten Probleme keine Rede sein.

1. November 2011