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KRIEG/1579: Für den Krieg in den Städten auch in Deutschland vorbereitet ... (SB)




Als die ersten Aufrufe zum antimilitaristischen Camp War Starts Here [1], das vom 12. bis 17. September in der Altmark bei Hillersleben in Sachsen-Anhalt stattfindet, veröffentlicht wurden, erfuhren viele Bundesbürger erstmals etwas vom geplanten Bau des größten europäischen Zentrums für urbanen Häuserkampf. Was unter dem Namen des Dorfes Schnöggersburg, das unter dem NS-Regime dem damals schon riesigen Truppenübungsplatz weichen mußte, in dem 232 Quadratkilometer großen Areal errichtet werden soll, ist nichts geringeres als die topographische und infrastrukturelle Matrix für die Zukunft des Krieges. Er wird allen Voraussagen nach überwiegend in Städten und großen metropolitanen Ballungsräumen geführt, wie mit dem Paradigma der "asymmetrischen" und "vernetzten" Kriegführung im Rahmen des Terrorkriegs bereits angekündigt wurde. Auf sechs Quadratkilometer des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide sollen über 500 Gebäude mit den dazugehörigen Straßen, Verkehrsmitteln und Industrieanlagen sowie anderen stadttypischen Szenarien errichtet werden. Bislang wurden 100 Millionen Euro für den Bau der Anlage veranschlagt, wobei es üblicherweise nicht bleibt, zumal der bisherige Aufbau des GÜZ durch den Rüstungskonzern Rheinmetall [2] bereits bis zu einer Milliarde Euro in Anspruch genommen hat.

Als ob das nicht genug Gründe für Friedensaktivisten und Antimilitaristen wären, gegen dieses neue Ausbildungszentrum für imperialistische Kriege zu protestieren, legalisierte das Bundesverfassungsgericht am 17. August den Einsatz der Bundeswehr im Innern auch unterhalb des erklärten Staatsnotstandes [3]. Wie angesichts der sozialen Repression, mit der die neoliberale Austeritätspolitik und des Krisenmanagement der EU-Troika gegen die europäischen Bevölkerungen durchgesetzt wird, unschwer zu erraten ist werden damit Vorbereitungen zur militärischen Aufstandsbekämpfung getroffen. In der jungen Welt [4] verwies Claudia Haydt am 4. September anhand einer öffentlichen Quelle darüber hinaus auf die Absicht der Bundesregierung, auch Polizeieinheiten des Bundes und der Länder auf dem GÜZ üben zu lassen.

Es scheint fast so, als würden die Initiatoren des War Starts Here Camps von den Vorbereitungen für den sozialen Krieg im Innern überholt, so entschieden gehen die Verfassungsorgane bei der Militarisierung von Staat und Gesellschaft zu Werk. Neben armutsbedingten Aufständen sind allerdings noch andere Szenarios denkbar, die den Einsatz für den Häuserkampf ausgebildeter Kräfte von Militär und Polizei aus der Sicht sicherheitsstaatlicher Ermächtigung notwendig erscheinen lassen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen bei einem kurdischen Kulturfest in Mainz brachen keinesfalls aus heiterem Himmel über die dort eingesetzten Polizeikräften herein, wie viele Berichte suggerieren. Der angebliche Auslöser, einen Jugendlichen mit einer verbotenen politischen Fahne nicht auf das Festgelände zu lassen, illustriert, das dieser Eskalation eine lange Geschichte politischer Repression vorausgeht.

Kurdische Aktivistinnen und Aktivisten werden in der Bundesrepublik im Einklang mit der türkischen Regierung massiv unterdrückt, zudem finden die an ihnen in dem NATO-Staat begangenen Menschenrechtsverletzungen so gut wie keine Erwähnung in deutschen Medien. Kaum eine Gruppe politischer Flüchtlinge wird in der Bundesrepublik so massiv an der Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie politische Meinungsäußerung gehindert wie Kurdinnen und Kurden, die für politische Gleichberechtigung und kulturelle Autonomie in ihren Herkunftsländern eintreten. Die Kollaboration der Bundesregierung mit der Regierung in Ankara ist nur ein Beispiel von mehreren, bei denen außenpolitische und geostrategische Interessen Deutschlands mittelbar zur Unterdrückung politischer Organisationen in der Bundesrepublik führen. Sollte Deutschland selbst mit der Bundeswehr in Kriege in der Region des Nahen und Mittleren Osten eintreten, dann könnte gerade bei einer mehrere hunderttausend Menschen zählenden ethnischen Minderheit innerhalb der Bundesrepublik schnell die Situation jenes inneren Notstandes eintreten, für dessen bewaffnete Durchsetzung in Schnöggersburg trainiert werden soll.

9. September 2012

Fußnoten:

[1] http://warstartsherecamp.org/

[2] http://www.rheinmetall-defence.com/index.php?lang=2&fid=5105

[3] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/volk1575.html

[4] http://www.jungewelt.de/2012/09-04/056.php