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KRIEG/1784: KSK - jenseits jeder Kontrolle ... (SB)



Die Befürchtung, dass im KSK Rechtsextremisten dienen, ist leider alles andere als ein Hirngespinst.
Tobias Lindner (Verteidigungsexperte der Grünen im Bundestag) [1]

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ist der am besten ausgebildete und ausgerüstete Truppenteil der deutschen Streitkräfte. Zugleich werden seine Einsätze geheimgehalten und unterliegen de facto keiner parlamentarischen Kontrolle. Aus vier Spezialisten gebildete Kommandotrupps des KSK können autonom in feindlichem Gebiet unter extremen Bedingungen operieren. Angesichts dieser Voraussetzungen mutet der Verdacht, unter diesen Kommandosoldaten existiere ein rechtsextremes Netzwerk, besonders bedrohlich an, da es sich um Experten im Umgang mit Waffen und anderen Kampfmitteln handelt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) stuft derzeit rund 20 KSK-Soldaten als sogenannte Verdachtsfälle ein, was bei einer derart kleinen Einheit, der nur 1000 Männer angehören, ungewöhnlich hoch anmutet. In den vergangenen 18 Monaten wurden mehrere KSK-Soldaten vom Dienst suspendiert, weil sich die Verdachtsmomente gegen sie erhärtet hatten.

Das legt zwangsläufig die Frage nahe, ob das Milieu dieser militärischen Spezialeinheit in besonderem Maße ein Nährboden für rechtsextreme Umtriebe sein könnte, die auch andernorts in der Bundeswehr aufgedeckt worden sind. Nicht minder bedeutsam ist jedoch die Anschlußfrage nach dem Charakter des KSK selbst, da eine Kritik zwangsläufig zu kurz greift, die zwar eine konsequente Ermittlung und Ahndung rechtsextremer Bestrebungen im Kommando Spezialkräfte fordert, aber zugleich diese Speerspitze des deutschen Militarismus als solche ausblendet oder gar hofiert.

Im aktuellen Fall sind Fahnder bei den Ermittlungen gegen rechtsextreme Soldaten beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr auf ein regelrechtes Waffenlager eines aktiven KSK-Soldaten gestoßen. Bei der Razzia im Landkreis Nordsachsen hoben es Einsatzkräfte der Sonderkommission Rex des Landeskriminalamts Sachsen, der Polizeidirektion Leipzig sowie der Bereitschaftspolizei Sachsen bei dem Soldaten aus. Im Zuge der mehrstündigen Durchsuchung des Grundstücks fanden die Ermittler unter anderem ein Sturmgewehr vom Typ AK-47, mehrere Chargen Munition und eine größere Menge Plastiksprengstoff. Laut einer Unterrichtung des Wehrressorts an den Bundestag wurde der Soldat verhaftet und anschließend von den Behörden zu dem Waffenfund befragt. Der wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommene Angehörige der Eliteeinheit hat vermutlich seine Auslandseinsätze genutzt, um sich privat aufzurüsten, und das Sturmgewehr aus Afghanistan nach Deutschland geschmuggelt, hieß es in Sicherheitskreisen.

Wie zum Hintergrund des Vorgangs bekannt wurde, hatte der Militärgeheimdienst den Kommandosoldaten schon seit April 2017 wegen seiner rechtsextremen Gesinnung im Visier, beobachtete ihn und erhielt so die Hinweise auf das Waffenlager. Anfang 2020 machte der MAD die zivilen Fahnder in Sachsen auf den 45jährigen Oberstabsfeldwebel des Kommandos aufmerksam und übermittelte Hinweise, daß er möglicherweise in seiner Wohnung ein Waffenlager angelegt haben könnte. Die Bundeswehr leitete parallel zu den Ermittlungen des LKA ein Disziplinarverfahren gegen den Kommandosoldaten ein.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete bei einer Rede im Bundestag am selben Tag die Razzia als großen Erfolg. "Niemand, der in radikaler Art und Weise in unseren Streitkräften auffällt, hat in der Bundeswehr Platz", versicherte die Ministerin. "Wir gehen jedem Fall mit Härte und Konsequenz nach." Sie kündigte im Fall des Oberstabsfeldwebels ein striktes Vorgehen an: "Er wird keine Uniform mehr tragen und auch keine Liegenschaft der Bundeswehr mehr betreten." Zudem sprach Kramp-Karrenbauer erneut von der Möglichkeit, daß sich in der weitgehend abgeschotteten Einheit ein rechtsextremes Netzwerk gebildet haben könnte. Dem stimmte auch der eingangs zitierte grüne Verteidigungsexperte Tobias Lindner zu, wobei die Opposition mahnte, die Ministerin dürfe es nicht bei solchen Ankündigungen belassen. Der Waffenfund zeige deutlich, daß es sich um eine reale Gefahr handle. Jetzt gelte es mit Nachdruck zu klären, wie groß ein mögliches Netzwerk in der Truppe ist.

Zufällig trat am selben Tag der Chef des MAD im Verteidigungsausschuß des Bundestags auf, um den erstmals erstellten jährlichen Bericht des Geheimdiensts vorzustellen. Über die Durchsuchungen konnte Christof Gramm nichts sagen, da die Beamten zu diesem Zeitpunkt gerade erst mit ihrer Razzia begonnen hatten. Er betonte jedoch noch einmal, daß die Eliteeinheit KSK weiterhin ein "Arbeitsschwerpunkt" des MAD sei.

Parallel zu dem Fall in Sachsen hat der militärische Geheimdienst einen weiteren Kommandosoldaten, der nicht mehr beim KSK eingesetzt ist, als Rechtsextremisten enttarnt. Dabei soll es sich um einen Stabsfeldwebel handeln, der gegenwärtig in den USA bei einer Verbindungsstelle zu den amerikanischen Streitkräften eingesetzt ist. Laut den Ermittlungen des MAD steht er der "Identitären Bewegung" nahe, die der Verfassungsschutz als Beobachtungselement einstuft. Nach Erkenntnissen des MAD soll der betroffene Soldat Geld an die "Identitäre Bewegung" gespendet haben. Wegen der Nähe zu dieser rechtsextremen Gruppierung war bereits im vergangenen Jahr ein Kommandosoldat suspendiert worden. Der jetzt enttarnte Stabsfeldwebel soll so schnell wie möglich aus den USA nach Deutschland zurückkehren. Hier erwartet ihn ein Disziplinarverfahren. Die Bundeswehr ist dem Vernehmen nach fest entschlossen, ihn aus den eigenen Reihen zu entfernen.

Zugleich legten Sicherheitskreise Wert auf die Feststellung, daß die überwiegende Mehrheit der KSK-Soldaten verfassungstreu sei. Angesichts der Verdachtsfälle habe man die politische Bildung in der Eliteeinheit bereits deutlich verstärkt. Was die Bundeswehr insgesamt betrifft, hat sich der Militärische Abschirmdienst 2019 mit insgesamt 363 "Verdachtspersonen" wegen möglicher rechtsextremer Umtriebe befaßt. Das war eine Zunahme um 93 Fälle, wie dem Jahresreport des Nachrichtendienstes zu entnehmen ist. Bei acht Angehörigen der Bundeswehr bestätigte sich demnach der Verdacht auf Rechtsextremismus, bei 27 weiteren gab es Erkenntnisse zu fehlender Verfassungstreue. Die 363 rechten Verdachtsfälle machen etwa drei Viertel aller Vorgänge bei der Extremismusabwehr des Bundesamts für den Militärischen Abschirmdienst aus. Der Rest verteilt sich auf Islamismus (77), Ausländerextremismus (17), Reichsbürger (16) und Linksextremismus mit neun Fällen. [2]

Größeres Aufsehen erregte der Fall des terrorverdächtigen Oberleutnants Franco A. Der rechtsextreme Offizier soll Anschläge auf prominente Politiker wie Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen geplant und eine perfide Tarnung inszeniert haben. Er ließ sich 2015 als syrischer Flüchtling registrieren. Offenbar wollte er die Attentate als Angriffe von Islamisten darstellen, um in der Bevölkerung den Haß auf Flüchtlinge und Muslime zu schüren. Die Bundesanwaltschaft wirft Franco A. die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Wann der Prozeß am Oberlandesgericht Frankfurt (Main) beginnt, ist derzeit noch offen.

Dem Kommando Spezialkräfte, das am 20. September 1996 offiziell seinen Dienst in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw aufnahm, war ideologische Nähe zum Rechtsextremismus von Beginn an nicht fremd. Reinhard Günzel, Kommandeur des KSK bis Ende 2003, stellt in seinem Buch "Geheime Krieger", das er 2005 gemeinsam mit dem GSG-9-Gründer Ulrich Wegener und dem ehemaligen Wehrmachtsoffizier Wilhelm Walther in dem zum Verlagskomplex des rechtsextremen Verlegers Dietmar Munier gehörenden Pour le Mérite Verlag veröffentlichte, das KSK in die Tradition der Wehrmachts-Spezialeinheit Division Brandenburg. Daraufhin stellte die Linksfraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage, ob das KSK die Division Brandenburg, der Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung vorgeworfen werden, als traditionsstiftend sehe. Die Bundesregierung antwortete, daß das Traditionsverhältnis der KSK auf der "besonderen Qualifikation und dem Stolz, eine harte und fordernde Ausbildung erfolgreich durchlaufen zu haben", beruhe und Mutmaßungen über "rechtsextremistische Auffassungen Brigadegeneral a. D. Günzels während seiner aktiven Dienstzeit als Kommandeur des KSK" jeglicher Grundlage entbehrten. Günzel wurde jedoch am 4. November 2003 von Bundesverteidigungsminister Peter Struck wegen eines Unterstützerbriefes an den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann entlassen. Dieser hatte in einer Rede über Kollektivschuld mit Verweis auf Verbrechen der Oktoberrevolution geäußert, "Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als 'Tätervolk' bezeichnen".

Anfang April 2008 veröffentlichte Der Spiegel, daß der KSK-Hauptmann Daniel K. das Mitglied der bundeswehrkritischen Soldatenvereinigung Darmstädter Signal, Oberstleutnant Jürgen Rose, in einer E-Mail bedroht habe: "Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht." Darüber hinaus sei Rose als "Feind im Innern" bezeichnet worden, den man "zerschlagen" müsse. Die Bundeswehrführung reagierte mit einer Disziplinarmaßnahme, beließ es jedoch bei einem einfachen Verweis. Hingegen wurde Rose laut einem Spiegel-Bericht von Mitte Juni 2008 mit einer Disziplinarbuße von 3000 Euro belegt, weil er das KSK als "Kloake" bezeichnet und der Einheit rechte Tendenzen vorgeworfen hatte. Rose wurde vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet und betätigt sich als Zivilist weiterhin im Umfeld des Darmstädter Signals und der Friedensbewegung. Daniel K. wurde 2019 mit Vorwürfen konfrontiert, der Reichsbürgerbewegung nahezustehen, und auch aufgrund von Erkenntnissen des MAD suspendiert. Nach mehreren Vorwürfen gegen Soldaten des KSK, in rechtsextremistische Vorfälle verwickelt zu sein, stellte das Verteidigungsministerium fest, daß es im KSK keine "Schattenarmee" gebe.

Anfang 2020 führte der MAD den Umstand, daß das KSK von rechtsextremistischen Verdachtsfällen in besonderem Maße betroffen sei, auf das elitäre Selbstbewußtsein der abgeschotteten Einheit zurück, deren intensiven Beziehungsgeflechte auch zu Risiken führten. In einer vertraulichen Unterrichtung räumte der MAD-Präsident vor Abgeordneten des Bundestags ein, daß sich mindestens neun von rund 20 sogenannten Verdachtsfällen bestätigt hätten und entsprechende Sanktionen gegen die Soldaten angeordnet worden seien. Nur in einem der 20 Fälle hatte sich der Verdacht bis März 2020 als unbegründet herausgestellt.


Fußnoten:

[1] www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-ermittler-finden-ak-47-und-sprengstoff-bei-ksk-elitesoldaten-a-975b48bc-4ebd-4311-a7c7-d3686a1b93c0

[2] www.tagesspiegel.de/politik/waffenfund-bei-ksk-mann-haftbefehl-gegen-elitesoldat-der-bundeswehr-erlassen/25830524.html

15. Mai 2020


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