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INTERVENTION/003: Südsudan - 20.000 Flüchtlinge in Gefahr, Kämpfe drohen auf Lager Yida überzugreifen (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2011

Südsudan:
20.000 Flüchtlinge in Gefahr - Kämpfe drohen auf Lager Yida überzugreifen

von Jared Ferrie

Yida, Südsudan, 14. Dezember (IPS) - Mehr als 20.000 Menschen, die durch Kämpfe im sudanesischen Bundesstaat Südkordofan vertrieben wurden, haben in dem Lager Yida im Südsudan Zuflucht gefunden. Doch nun zieht in dem Grenzgebiet die Gefahr eines Krieges auf.

Mehr als 20.000 Menschen leben im Flüchtlingslager Yida - Bild: © Jared Ferrie/IPS

Mehr als 20.000 Menschen leben im Flüchtlingslager Yida
Bild: © Jared Ferrie/IPS

In der ersten Dezemberhälfte brachen in Jaw Gefechte aus. Sowohl der junge Staat Südsudan als auch der Sudan beanspruchen die Region an der Grenze zwischen dem Bundesstaat Südsudanesische Unity und Südkordofan. Das Lager Yida ist nur 20 Kilometer von dem Kampfgebiet entfernt. Die Vereinten Nationen wollen die Flüchtlinge an andere Orte bringen. Doch die Flüchtlinge weigern sich schon wieder den Ort zu wechseln.

Der Sprecher des südsudanesischen Militärs, Philip Aguer, beschuldigt die Regierung des Sudans, Jaw am 4. Dezember mit Antonow-Bombern und MIG-Kampffliegern angegriffen zu haben. Die Regierung in Khartum beansprucht Jaw für sich und geht dort gegen Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee Nord (SPLM-N) militärisch vor.


Südsudan der Unterstützung von Rebellen bezichtigt

Die Gruppe, die in den sudanesischen Staaten Blauer Nil und Südkordofan aktiv ist, war einst Teil der Rebellenbewegung, die in dem afrikanischen Land einen 20-jährigen Bürgerkrieg gegen die sudanesische Regierung geführt hatte. Der Konflikt endete mit der Bildung eines unabhängigen Staates im Süden. Die Regierung des Südsudans versichert, dass sie nach der Unabhängigkeitserklärung am 9. Juli alle Verbindungen zu den Rebellen abgebrochen habe. Der Norden bezichtigt den Südsudan dagegen, die Aufständischen weiterhin zu unterstützen.

Beide Länder reichten Beschwerden beim UN-Sicherheitsrat ein und warfen sich gegenseitig vor, die Souveränität des jeweils anderen Staates zu verletzen. Am 8. Dezember erklärte Hervé Ladsous, Untergeneralsekretär für Friedensmissionen, vor dem Gremium, dass die Zusammenstöße in Jaw und anderen Grenzgebieten den Sudan und seinen südlichen Nachbarn in einen Krieg stürzen könnten.

Die Flüchtlinge in Yida waren direkt betroffen, als Hilfsorganisationen am 4. Dezember die Krisenregion verließen und die Nahrungsmittellieferungen auf dem Luftweg für fast eine Woche unterbrochen wurden. Am 10. Dezember flog die Organisation 'Samaritan's Purse' ihre letzten Vorräte aus Bentiu ein, der Hauptstadt von Unity.


500 Kinder unterernährt

Für eine 85-Jährige kam jede Hilfe zu spät, nachdem sie vier Tage lang gehungert hatte. Wie der Gesundheitsbeauftragte in dem Lager, Joseph Konda, erklärte, sind zurzeit auch etwa 500 Kinder mangelernährt. Zu ihnen gehört der einjährige Hamuda, der über eine Nasensonde künstlich ernährt wird. Die Haut des Kleinkinds hängt schlaff am Körper, der gesamte Babyspeck ist aufgezehrt.

Hamudas Mutter Toona Josephine stammt aus einem Dorf in Südkordofan. Wie sie berichtete, hatten sie und andere Dorfbewohner einen viertägigen Fußmarsch zurückgelegt, um bis nach Yida durchzukommen. Sie alle seien geflohen, nachdem die sudanesische Armee ihre Ortschaft bombardiert habe und Bodentruppen einmarschiert seien.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR will erreichen, dass sich Josephine und die anderen Flüchtlinge an drei Orten niederlassen, die 80 bis 100 Kilometer weiter südlich liegen. UNHCR hält die Namen der Orte geheim, um zu verhindern, dass Rebellen die Gebiete verminen.

"Wir fürchten, dass sich die Kämpfe bis nach Yida ausbreiten, das bereits aus der Luft angegriffen wurde", teilte das Flüchtlingshilfswerk am 9. Dezember mit. Die UN und die USA machen den Sudan für die Attacke am 10. November verantwortlich. "Das UNHCR arbeitet verstärkt darauf hin, die Flüchtlinge aus dem unsicheren Grenzgebiet an andere Orte im Innern des Südsudans zu bringen, wo ihnen mehr Sicherheit und Hilfe gewährt werden kann."


Flüchtlinge wollen Lager nicht verlassen

Doch die Flüchtlinge bleiben lieber in Yida, weil sie sich nicht zu weit von ihren Heimatorten entfernen wollen. Der Leiter des Camps, Hussaine Al Gumbullah, erklärte IPS, dass das UNHCR ein Areal vorgeschlagen hat, auf dem sich höchstens 9.000 Menschen aufhalten könnten. An dem neuen Ort mangele es an einer grundlegenden Infrastruktur. Außerdem liege das Gebiet in einer Senke, die während der Regenzeit überflutet werde. Dort seien zudem pro-sudanesische Milizen aktiv.

In Yida hingegen bewegt sich das Gemeinschaftsleben seit dem Zustrom der ersten Flüchtlinge im Juni allmählich in geordnete Bahnen. Um Sisha- und Teestuben herum entfaltet sich ein reges Markttreiben. In dem Camp gibt es auch Betonbauten, in denen sich eine Klinik und eine Essenausgabestelle befinden.

Al Gumbullah warnte außerdem vor Landminen in den als Alternative vorgeschlagenen Gebieten. In der Hoffnung, die Flüchtlinge doch zum Umzug bewegen zu können, erklärte UNHCR hingegen, die Orte seien sicherer als Yida. Das Hilfswerk versprach, dass der UN-Minenräumungsdienst UNMAS das Areal auf Sprengkörper untersuche.


Zustrom aus dem Sudan hält an

Gegen Yida spricht nach Ansicht der Weltorganisation auch, dass die Lieferung von Hilfsgütern aufgrund der schwierigen Sicherheitslage ins Stocken gerate. Unterdessen steigt die Zahl der Flüchtlinge in Yida um täglich 60 bis 100 Menschen an. Im Staat Oberer Nil strömen jeden Tag sogar rund 650 Sudanesen über die Grenze, um den Gefechten zu entgehen. Die meisten von ihnen bleiben in dem Lager Doro, wo sich derzeit etwa 20.000 Menschen aufhalten.

UNHCR rechnet damit, dass weiterhin Flüchtlinge in Scharen in den Südsudan kommen werden. Im Staat Oberer Nil wurde kürzlich eine Flüchtlingsgruppe von 10.000 Menschen entdeckt. Wahrscheinlich seien Tausende weitere in Orten entlang der Grenze gestrandet. Nach Erkenntnissen des UN-Hilfswerks haben sich etwa 33.000 Sudanesen nach Äthiopien durchgeschlagen. Mit bisher rund 50.000 Menschen habe aber der Südsudan seit Ausbruch der Kämpfe in Südkordofan im Juni den größten Teil der Flüchtlinge aufgenommen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.un.org/Docs/sc/
http://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/home
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106203

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2011