Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KRIEG


KOLLATERAL/023: Saudi-Arabien - Humanitäre Hilfe als Entschädigung für zivile Opfer im Jemen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2015

Saudi-Arabien: Humanitäre Hilfe als Entschädigung für zivile Opfer im Jemen - Bombardierungen gehen weiter

von Thalif Deen


Bild: © ra.az/cc by 2.0

Marokko hat sich mit mindestens sechs Kampfflugzeugen an der Operation 'Sturm der Entschlossenheit' beteiligt
Bild: © ra.az/cc by 2.0

New York, 23. April (IPS) - "Saudi-Arabiens rechte Hand weiß offenbar nicht, wohin sich der linke Fuß bewegt". Mit dieser Vermischung von Metaphern kommentierte ein asiatischer Diplomat die paradoxe Haltung des Wüstenstaates im Militärkonflikt im Jemen.

Die Saudis, die eine Koalition arabischer Staaten anführen, werden beschuldigt, wahllos Ziele im Jemen bombardiert und damit den Tod von 1.080 Menschen verursacht zu haben. Mehr als 4.300 Personen wurden verletzt. Außerdem wird Saudi-Arabien vorgeworfen, eine weitreichende humanitäre Krise ausgelöst zu haben.

Als ob die Regierung in Riad den Jemen für ihr brachiales Vorgehen entschädigen wollte, hat sie dem Land "für humanitäre Einsätze " 274 Millionen US-Dollar zugesagt, wie die Vereinten Nationen bekanntgaben.

Saudi-Arabien hatte seine fast einmonatigen Angriffsflüge auf Druck der USA vorübergehend eingestellt. Befragt nach dem Grund der US-Intervention erklärte ein US-Vertreter, der sich Anonymität ausbat, in Anspielung auf die vielen zivilen Opfer: "Der Kollateralschaden ist zu hoch".

Die Angriffe, die Fabriken und Wohnviertel in Schutt und Asche legten, trafen auch ein Warenlager der internationalen Hilfsorganisation 'Oxfam'. Mitarbeiter erklärten, dass sich in dem Gebäude ausschließlich Hilfsgüter befunden hätten. Sie begrüßten die Ankündigung, die Operation 'Sturm der Entschlossenheit' zu beenden.

Grace Ommer, die Oxfam-Vertreterin im Jemen, erklärte gegenüber IPS, dass die Luftangriffe und die Gewalt in den vergangenen vier Wochen den Tod von mindestens 900 Menschen verursacht hätten. Mehr als die Hälfte der Opfer seien Zivilisten. "Die Nachricht, dass die Luftangriffe zumindest vorübergehend eingestellt werden, ist willkommen, und wir hoffen, dass damit der Weg für eine diplomatische Lösung des Konflikts geebnet ist."


Militäroperation verschärft humanitäre Krise

Aufgrund der großen Instabilität und Unsicherheit und der fortgesetzten Bodenkämpfe müssten alle Konfliktparteien den Hilfsorganisationen den Zugang zu den Gebieten erlauben, in denen Millionen bedrängte Menschen auf die Hilfslieferungen warteten, fügte Ommer hinzu. Die Oxfam-Vertreterin wies ferner darauf hin, dass der Jemen das ärmste Land im Nahen Osten sei. 16 Millionen Menschen - mehr als 60 Prozent der Bevölkerung - seien auf Hilfe angewiesen. Die jüngste Eskalation der Gewalt habe die humanitäre Krise nur noch verschärft.

Doch Ommers Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts hat sich offenbar nicht erfüllt. Inzwischen wurden die Angriffe auf Stellungen und Waffenlager der schiitischen Houthi-Rebellen wieder aufgenommen, die den jemenitischen Präsidenten Abdu Rabbu Mansour Hadi im Januar aus dem Amt geputscht hatten.

Sara Hashash von 'Amnesty International' erklärte gegenüber IPS, dass mehr als 120.000 Menschen seit Beginn der von Saudi-Arabien angeführten Militärkampagne vor einem Monat vertrieben worden seien und dass damit eine schwere humanitäre Krise in Gang gesetzt worden sei.

UN-Sprecher Stephane Dujarric erklärte gegenüber Journalisten, dass mit den von Saudi-Arabien zugesagten Hilfsgeldern 7,5 Millionen Jemeniten in den drei kommenden Monaten versorgt werden könnten. "Diese Gelder werden die Versorgung von 2,6 Millionen Menschen mit dem Lebensnotwendigsten einschließlich Nahrungsmitteln ermöglichen. Fünf Millionen Menschen erhalten Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen. 1,4 Millionen Menschen können geschützt werden und 79.000 Menschen Nahrungsmittelhilfen erhalten."

Bei den Luftangriffen in der dritten Aprilwoche war auch eine Molkerei getroffen worden. 31 Arbeiter kamen dabei ums Leben, die nächste Nachbarschaft wurde dem Erdboden gleichgemacht. Dabei starben 25 Menschen.


Mögliches Kriegsverbrechen

"Wiederholte Luftanschläge gegen eine Molkerei in der Nähe von Militärbasen zeigen, wie wenig sich die beiden jemenitischen Konfliktparteien um die zivile Bevölkerung scheren", meinte dazu Joe Stork, Vizechef der Nahost/Nordafrika-Abteilung von 'Human Rights Watch' (HRW). "Bei dem Angriff könnte es sich um ein Kriegsverbrechen handeln. Die involvierten Länder sollten die entsprechenden Schritte unternehmen. Dazu gehören auch Entschädigungszahlungen für die Opfer."

Dem von Saudi-Arabien geführten und für die Luftanschläge verantwortlichen Bündnis gehören Ägypten, Bahrain, Jordanien, Katar, Kuwait, Marokko, der Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate an. "Sollten die USA die Luftangriffe geheimdienstlich oder anderweitig direkt unterstützt haben", so Stork, "wären sie Teil des Konflikts und dazu verpflichtet, das Leid für die Zivilbevölkerung möglichst gering zu halten und mutmaßlichen Verstößen nachzugehen". (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/saudis-compensate-civilian-killings-with-274-million-in-humanitarian-aid-to-yemen/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang