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STANDPUNKT/026: Politisierung der Protestbewegung nährt Hoffnung auf einen Kurswechsel (Naturfreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 22. September 2010

Die Politisierung der Protestbewegung nährt die Hoffnung auf einen Kurswechsel


Berlin, 22. September 2010 - Anti-Atomkraft, Stuttgart 21, Schulproteste: Die Medien spekulieren über eine bundesweite Neubelebung der Protestbewegung und ziehen Vergleiche mit dem Entstehen der Grünen in den 70er Jahren. Doch auch wenn das gesellschaftliche Unbehagen bis tief in die Mitte des Bürgertums reiche, sei bisher noch keine klare Linie erkennbar, erklärt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller. "Unsere Gesellschaft ist in einer kritischen Phase, weil der Protest noch keine programmatischen Stützpfeiler hat, welche die Demokratie stärken könnten", so Müller weiter.

Die Medien spekulieren über eine Neubelebung der Protestbewegung und ziehen Vergleiche mit dem Entstehen der Grünen in den 70er Jahren. Scheinbar kehrt das Alte zurück, auch der Aufschwung der Grünen in den Meinungsumfragen wird dahin gehend interpretiert.

Doch das Unbehagen in der Bevölkerung ist zum großen Teil ein Unbehagen des traditionellen Bürgertums. Auch die Grünen sind längst konventionalisiert in den Denkweisen der 80er Jahre und haben keine echte Antwort auf die große Frage, wie ein neuer Fortschritt heute aussehen könnte. Ansonsten würde innerhalb der grünen Partei nicht über eine schwarz-grüne Koalition spekuliert. Schließlich wird unsere Zukunft von erbitterten Verteilungskämpfen bestimmt werden - angesichts knapper werdender Rohstoffe, sinkender Wachstumsraten und einer immer stärker zusammenwachsenden Welt. Eine zukunftsfähige Politik kann aber nicht auf machttaktischen Spekulationen basieren, sondern muss die Themen soziale Gerechtigkeit und ökologische Verträglichkeit miteinander verbinden.

Die gesellschaftliche Verunsicherung reicht tief bis in die Mitte des Bürgertums, doch ist bisher keine klare Linie erkennbar. Stuttgart 21, Anti-Atomkraft, Schulproteste: Das Unbehagen wächst, kennt aber noch keine Antwort. Von daher ist die Gefahr des Populismus sehr groß. Die Folgen sind nicht nur Vertrauensverluste bei den großen Volksparteien, insbesondere wenn sie Regierungsverantwortung tragen, sondern - weit mehr - eine Erschütterung der Demokratie.

Offenkundig sind alle Parteien fixiert auf ihre traditionellen Rollen, sodass es wieder einmal einer "außerparlamentarischen Opposition" bedarf. Die Parteien müssen lernen, in der Dimension eines neuen Fortschritts Politik zu machen, statt sich mit alten Denkweisen und taktischem Kalkül durchzumauscheln.

Unsere Gesellschaft ist in einer kritischen Phase, weil der Protest noch keine programmatischen Stützpfeiler hat, welche die Demokratie stärken könnten. Es ist eine Suchbewegung, in der die Parteien in der Regel nicht über ein kurzfristiges Taktieren hinauskommen. So zieht das Politikverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel unser Land ebenso nach unten wie auch die erschreckende Verengung auf ökonomische Interessen.

Die größte Hoffnung auf einen Kurswechsel ist die Politisierung der Protestbewegung. Wir NaturFreunde Deutschlands als Verband der Nachhaltigkeit werden unseren Beitrag dazu leisten, dass die Protestbewegung mehr als modische Anti-Stimmung ist und sich politisch weiter engagiert für die zukunftsfähige Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit.

Ohne eine Regulierung der Finanzmärkte, ohne eine Stärkung des öffentlichen Sektors und ohne eine Demokratisierung der Wirtschaft wird dieses Ziel nicht erreicht werden können. Und auch nicht ohne eine Repolitisierung der Gesellschaft.


Die NaturFreunde Deutschlands: ein politischer Bildungsverein

Die NaturFreunde Deutschlands - Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur e.V. führen Menschen in die Natur, in der sie sich erholen und weiterbilden, um besser an der Gesellschaft teilhaben und diese selbst mitgestalten zu können sowie mehr Freiheit zu erleben. Dabei haben die NaturFreunde ein Freiheitsverständnis, das sich nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern auch auf die Gesellschaft und Bewahrung der natürlichen Umwelt bezieht.

Die NaturFreunde Deutschlands sind parteipolitisch und religiös unabhängig und treten seit 1895 ein für eine offene, demokratische und sozial gerechte Welt. Sie orientieren sich traditionell am Leitbild der Nachhaltigkeit und setzen dies in ihrer Projektarbeit wie auch in ihren Reise- und Freizeitangeboten um.

In Deutschland gibt es in allen Bundesländern NaturFreunde-Landesverbände, die Vereinsleben und Projekte auf regionaler Ebene koordinieren. In den rund 650 deutschen Orts-, Bezirks- und Regionalgruppen engagieren sich über 75.000 Mitglieder. Zumeist ehrenamtlich bewirtschaften diese auch die über 400 deutschen Naturfreundehäuser als offene Stätten der Begegnung. Dachverband der internationalen NaturFreunde-Bewegung mit mehr als 500.000 Mitgliedern in 50 Mitglieds- und Partnerorganisationen ist die NaturFreunde Internationale (NFI) mit Sitz in Wien.

www.naturfreunde.de


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Quelle:
Presseinformation vom 22.09.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010