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STANDPUNKT/050: Welche Rolle spielt Europa im arabischen Umbruch? (NFD)


NaturFreunde Deutschlands - 31. Januar 2011

Aufstieg und Fall undemokratischer Staaten
Welche Rolle spielt Europa im arabischen Umbruch?


Berlin, 31. Januar 2011 - Zu den Umbrüchen in der arabischen Welt und die Rolle der europäischen Staaten bei der Unterstützung der dort herrschende Diktatoren erklärt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands, Michael Müller, folgendes:

Das wissen wir auch: Wenn Demokratie und Freiheit nicht mit sozialer Gerechtigkeit gefüllt sind, also mehr Chancen für die Menschen verwirklichen, sind auch sie bedroht. Natürlich besteht - zumal in arabischen Ländern - die Gefahr, dass Umbrüche und Veränderungen Stabilität und Berechenbarkeit zerstören. Doch ohne Demokratie und Freiheit kann auf Dauer keine Gesellschaftsordnung erfolgreich sein, auch wenn sie durch eine sich immer weiter ausbreitende Gewalt und Korruption ein enges Netz der Absicherung ihrer Macht aufgebaut hat. Das zeigt sich in den arabischen Ländern, die sich nicht mehr mit Einschüchterung, autoritärer Gewalt und totaler Überwachung still halten lassen oder in denen autokratische Verhältnisse nur durch viele Gas- oder Öldollars abgesichert werden.

Angst ist das Herrschaftsmittel versteinerter Despoten - mit Hilfe einschüchternder Bürokratien, willfähriger Polizei und kalter Militärs. Diese undemokratischen Regimes sind mit ihrem Machterhalt beschäftigt und verlieren gerade deshalb den Boden unter den Füßen. Das dauert, weil die Statik der Macht durch ihre Brutalität verfestigt ist, aber der Prozess der Erosion ist unaufhaltsam, selbst wenn westliche Regierungen diesen Zustand akzeptieren oder sogar unterstützen, wie das in Ägypten seit Jahrzehnten der Fall ist. Die Unzufriedenheit über die Spaltung und die Bevormundung des Volkes, die Blockade der Chancen und die Unterdrückung der Freiheit sind stärker als die Diktatur des Terrors.

Die arabische Welt ist im Umbruch, auch weil sie zu lange in verkrusteten Verhältnissen eingemauert war. Dieser Prozess zeigt sich überall. Vielen Potentaten bleibt nur die Alternative, entweder noch mehr Unterdrückung und Überwachung zu setzen oder den Weg für grundlegende Reformen zu öffnen, was aber meist gleichbedeutend mit ihren eigenen Ende wäre. Weil sich wenig ändert, bricht Unzufriedenheit auf und lehnt sich gegen die alten Systeme auf. Die Lage spitzt sich zu, die arabische Welt erlebt eine neue Phase der Instabilität.

Einer der Wurzeln des Konfliktes liegt in der bis 1989 zweigeteilten Welt, in der die Absicherung eigener Interessen wichtiger war, als sich für Menschenrechte und Demokratie einzusetzen. Es ging um Verbündete, die auch dann gestützt wurden, wenn sie Reformen und Veränderungen unterdrückten. In den Ländern des nahen und mittleren Ostens, wo der Zugang zu den natürlichen Ressourcen das höchste Interesse der Supermächte war und ist, existieren noch immer viele Relikte der untergegangenen Welt. Die Unruhen in Tunesien, Ägypten, Jemen und anderswo sind auch ein Erbe der puren Machtpolitik, die seit Jahrzehnten Diktaturen stützt, aber jetzt vor den Folgen des eigenen Versagens warnt und Angst vor den Folgen Bürgerrevolten hat.

Natürlich kann das Ergebnis fatal sein, wenn der Zusammenbruch überholter Ordnungen zum Rückfall in mittelalterliche Ideologien führt. Doch auch hier gibt es Ursache und Wirkung, weil westliche Werte durch eigenes Handeln diskreditiert wurden. Die Bilder aus Tunesien und Ägypten zeigen, dass es den Menschen in erster Linie um Freiheit geht. Wenn der Westen nicht Klarheit schafft, wie er es mit der Würde und den humanen Hoffnungen der Menschen hält, dann wächst auch die Wut auf eine verlogene Doppelmoral.

Die Welt wird neu geordnet. Von den großen Strategen in den europäischen Machtzentralen sind bisher nur austauschbare Floskeln zu hören. Sie warten ab und äußern hinter vorgehaltener Hand Angst vor islamistischen Kräften. Sie sollten sich vielmehr um die eigene Glaubwürdigkeit kümmern.

Was die NaturFreunde Deutschlands, ein Verband der aus der europäischen Solidaritätsbewegung entstanden ist, jetzt verlangen, ist weit mehr. Eine ebenso eindeutige wie auch selbstkritische Parteinahme der europäischen Regierungen für die Menschenrechte. Und eine Rolle Europas in der globalen Welt, die den Widerspruch zwischen Anspruch und Taten endgültig beendet. Bisher zeichnen sich Berlin, Paris und London wahrlich nicht darin aus, über den Tellerrand ihrer kurzfristigen Interessen hinauszuschauen.


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Quelle:
Presseinformation vom 31.01.2011
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2011