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STANDPUNKT/066: Revolution und Konterrevolution (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 8. März 2011

Revolution und Konterrevolution

Von Uli Brockmeyer


Bürgerliche Medien berichten seit Tagen sehr oft und geradezu begeistert über »Revolutionen« in Nordafrika - und bemühen sich, einige Tatsachen wegzulassen und andere zu verdrehen.

Vergessen möchten sie gern, daß sie sich zu Beginn der Hungerrevolte in Tunesien und des danach folgenden Volksaufstandes in Ägypten stark geziert haben, sich mit den wahren Gründen der Unruhen zu beschäftigen, und sich außerdem weigerten, die in den beiden Ländern autokratisch herrschenden Präsidenten auch als solche zu bezeichnen. Ebenso wie die Bestimmer in den USA und in den EU-Ländern wollen sie nicht gern daran erinnert werden, daß sie Ben Ali und Mubarak noch wenige Tage vor ihrem Sturz durchaus als Demokraten bezeichnet haben.

Plötzlich wurde dann die mächtige Volksbewegung in jenen Ländern zu einer »Revolution« hochstilisiert. Allerdings ist man in den Führungsetagen der westlichen Konzerne, der Regierungen und der Medien peinlich darauf bedacht, zu verhindern, daß es in Tunesien und Ägypten zu wirklichen Revolutionen - ohne Anführungszeichen - kommt, denn das würde bedeuten, daß nicht nur einige Staatsführer und Beamte verjagt werden, sondern daß es zu echten Veränderungen kommt, nämlich in erster Linie bei den Besitzverhältnissen. Solange die Bodenschätze dieser Länder, die größeren Betriebe und Banken und zum Beispiel auch der devisenträchtige Suez-Kanal nicht wirklich in das Eigentum des Volkes übergehen, kann von einer Revolution nicht die Rede sein.

Nach dem gleichen Muster verfährt man heute mit den Revolten in den anderen Ländern der Region, wie in Bahrain, im Jemen, in Oman, in Algerien, in Marokko, in Jordanien und inzwischen sogar in Saudi-Arabien und in Kuwait. Dort sollen lediglich ein paar Reformen herbeigeredet werden, aber - so Allah will - keine tiefgreifenden Veränderungen.

Bei Libyen geht man entgegengesetzt vor. Dort sind nämlich die Öl- und Gasvorkommen verstaatlicht, und ein großer Teil der Einnahmen wird für soziale Zwecke verwendet - wenn auch der »Revolutionsführer« offenbar nicht wenig davon für sich und seine Familie beansprucht. Aber nicht deshalb will der Westen ihm an den Kragen, und auch nicht wegen des gewaltsamen Vorgehens Gaddafis und seiner Milizen gegen revoltierende Menschen, sondern weil man ihm nicht verzeihen kann, daß er seinerzeit die Ressourcen des Landes dem direkten Zugriff der westlichen Konzerne entzogen und außerdem einen wichtigen Militärstützpunkt der USA einfach geschlossen hat. Deshalb unterstützt man die Aufständischen, damit aus der früheren Revolution Gaddafis endlich eine Konterrevolution werden möge.

Ein wenig Pech haben die USA und ihre getreuen Verbündeten an anderen Orten der Welt. Die medial herbeigeredete »Jasminrevolution« in China läßt auf sich warten, zumal die Führung des Landes einige Zeichen der Zeit erkannt hat und gegen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich im Lande vorgehen will.

Noch schlimmer hat es die USA in Kuba erwischt. Dort hat sich nämlich herausgestellt, daß mindestens zwei Anführer von sogenannten Dissidentengruppen eigentlich im Auftrag der kubanischen Sicherheitsorgane tätig waren. Sie machen in diesen Tagen so manche Tricks der von den USA finanzierten »Opposition« öffentlich - allerdings unbeachtet von den westlichen bürgerlichen Medien, die immer noch darauf warten, daß »Dissidenten« in Havanna einen richtigen Aufstand organisieren...


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Quelle:
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2011