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STANDPUNKT/529: Afrikanischer Think Tank 'Accord' ruft zur ersten globalen Friedenskonferenz auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2015

UN: Afrikanischer Think Tank 'Accord' ruft zur ersten globalen Friedenskonferenz auf

von Vasu Gounden *


DURBAN, SÜDAFRIKA (IPS) - Während der Zeremonie des vom 'African Centre for the Constructive Resolution of Disputes' (ACCORD) ausgelobten Afrikanischen Friedenspreises 2015 forderte ich am 21. November dieses Jahres die Vereinten Nationen auf, die erste globale UN-Friedenskonferenz einzuberufen.

Meinen Appell startete ich während der Verleihung des Friedenspreises an die Kommission der Afrikanischen Union (AU), in Anerkennung ihrer zentralen Rolle bei der Förderung von Frieden und Entwicklung in Afrika. Der AU-Vorsitzende Nkosazana Dlamini-Zuma nahm die Auszeichnung von der ACCORD-Vorsitzenden Graça Machel entgegen.

In den vergangenen Monaten haben uns das Fernsehen und die sozialen Netzwerke die grausamen Albträume vor Augen geführt, die die Menschheit derzeit plagen. Viele Teile der Welt sind von Terrorismus, gewaltsamen Aufständen und verheerenden Konflikten betroffen. Kein Winkel unserer Erde ist vor diesen Problemen und ihren Folgen gefeit.


Kriegsmuster haben sich verändert

Die weltweiten Konflikte haben an Komplexität und Intensität zugenommen. Das frühere Muster von Kriegen, bei denen sich zwei Nationen über ihre Grenzen hinweg bekämpften, ist nicht länger die Norm. Heute gibt es vor allem interne Konflikte, die durch zahlreiche Missstände ausgelöst werden. Aufgrund der raschen Expansion amorpher Gruppen radikaler und gewaltbereiter Individuen werden diese Konflikte immer komplexer.

Wie die derzeitigen Probleme in Syrien und im Irak, in Libyen, Nigeria, im Jemen und in der Ukraine deutlich zeigen, hat Gewalt zerstörerische Folgen und fügt diesen Gesellschaften Narben zu, die in den kommenden Generationen sichtbar bleiben werden. Unsere globale Gemeinschaft kann es sich nicht länger leisten, ausschließlich mit militärischen Mitteln zu reagieren. Andererseits können es sich Staaten auch nicht leisten, Situationen, die über ihre unmittelbaren Interessen und Grenzen hinausgehen, mit Gleichgültigkeit zu begegnen. Wir brauchen ein neues Friedensparadigma.

Angesichts einer exponentiell wachsenden Bevölkerung, einer Urbanisierung von nie dagewesenem Ausmaß, die oftmals zu ungeplanten Städten führt, eines destabilisierenden Klimawandels, eines wackeligen globalen Finanzsystems, zunehmender Arbeitslosigkeit, Massenmigration und einer immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich unternimmt unser Planet einen Wettlauf mit der Zeit, um eine nachhaltige Zukunft zu schaffen und zu verhindern, dass diese weltweiten Herausforderungen die globale Instabilität weiter beschleunigen und verfestigen.

Bei unserer Beschäftigung mit dem Klimawandel haben wir erkannt, dass derartige Probleme Konflikte auslösen können. Auch Klimaanpassungsmaßnahmen müssen daher konfliktsensitiv sein. Angesichts der Tatsache, dass die Menschheit beispiellose technische Neuerungen und unglaubliche demografische Chancen nutzen kann, um eine bessere Zukunft aufzubauen, müssen wir die kollektiven Erfahrungen unserer globalen Gemeinschaft in nachhaltige Bahnen lenken. Ein dauerhafter globaler Frieden ist dringend notwendig. Je tiefgreifender die Probleme werden, desto mehr steht auf dem Spiel. Tatenlosigkeit könnte die Tür zu einer Zukunft verschließen, nach der viele streben. Wir müssen also rasch handeln!

Ein kollektiver politischer Dialog ist der einzig richtige Weg, um miteinander verbundene Probleme auf eine nachhaltige und ganzheitliche Art und Weise zu lösen. In seiner 23-jährigen Geschichte und im Kontakt mit Regierungen, bewaffneten Gruppen, der Zivilgesellschaft sowie mit regionalen, kontinentalen und multilateralen Organisationen hat ACCORD erkannt, dass diese Maxime zutreffend ist.


Globale Friedenssysteme stehen unter Druck

Unsere globalen Friedenssysteme sind zerbrechlicher geworden und stehen unter stärkerem Druck, da Konflikte und Probleme immer komplexer werden. Unser Dialog muss sich auf Strategien fokussieren, mit denen aktuelle Krisen beigelegt werden, eine weitere Verschlechterung der Lage verhindert wird sowie nachhaltiger Frieden und Wohlstand für alle garantiert werden.

Außerdem ist es dringend nötig, eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen und eine gegenseitige Solidarität unter allen Menschen zu fördern. Wir müssen diese Bemühungen unterstützen, indem wir einen Übergang von einem ausschließlichen Fokus auf 'nationale Interessen' zu einem kollektiven Fokus auf 'globale Verantwortung' anleiten. Es gibt keine einfachen Antworten. Keine Nation hat für sich allein eine Lösung für unsere heutigen Probleme und - was noch wichtiger ist - für die Herausforderungen von morgen zu bieten.

Seit ihrer Gründung haben die Vereinten Nationen mehrere Weltkonferenzen abgehalten. Bis jetzt hat es jedoch keine von den UN unterstützte Weltkonferenz gegeben, die explizit auf Frieden ausgerichtet gewesen wäre. Die gesamte menschliche Gemeinschaft in einem Forum zusammenzubringen, um ernsthaft miteinander zu beraten, hat in der Vergangenheit zu bahnbrechenden globalen Zusagen seitens Regierungen, des privaten Sektors und nichtstaatlicher Akteure geführt.

Globale Konferenzen schaffen einen Raum, in dem sich alle auf gleicher Augenhöhe begegnen können. Viele Fortschritte auf dem Gebiet der Menschenrechte, der sozialen Entwicklung, des Klimawandels und der Gleichstellung der Geschlechter beruhen auf neuen Grundlagen, die durch globale Konferenzen und einen globalen Dialog geschaffen worden sind. Solche Grundlagen führen zu Paradigmenwechseln mit praktischen Folgen.


ACCORD will erste Globale Friedenskonferenz 2019 erreichen

Wir hoffen daher, dass die Republik Südafrika in Zusammenarbeit mit anderen afrikanischen Nationen und unter der Ägide der Afrikanischen Union der UN-Vollversammlung vorschlagen kann, 2019 in Durban die erste globale UN-Konferenz für Frieden anlässlich des 25. Jahrestages von Südafrikas Übergang zur Demokratie auszurichten.

Zwei Jahre vor einer solchen Konferenz wollen wir 2017 zur Unterstützung einer globalen Friedensdebatte internationale Experten aus verschiedenen Disziplinen zu einem Treffen zusammenbringen.

Während wir gemeinsam der Zukunft entgegenblicken, erinnern wir uns daran, dass Südafrikas friedlicher Übergang das Ergebnis kollektiven globalen Handelns war. Diese Anstrengungen und ihr Ergebnis haben viele Menschen inspiriert und ermutigt. Einhelliger und kollektiver Widerstand gegen die Apartheid, in Afrika und darüber hinaus, waren von entscheidender Wichtigkeit für das Entstehen eines friedlichen und demokratischen Südafrikas, gegen alle Erwartungen. Deshalb fordern wir die gesamte Welt auf, abermals in einem freien und friedlichen Südafrika zusammenzukommen, um mit dem gleichen Geist kollektiver Einheit einen Weg in Richtung eines globalen Friedens zu entwerfen. Jetzt ist der richtige Moment! (Ende/IPS/ck/30.12.2015)

* Vasu Gounden ist der Gründer und Exekutivdirektor des 'African Centre for the Constructive Resolution of Disputes' (ACCORD) mit Sitz in Durban, Südafrika. Seit fünf Jahren wird ACCORD vom 'Global Go to Think Tank'-Index der Universität von Pennsylvania zu den weltweit führenden 100 Think Tanks gerechnet.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/accord-calls-for-first-global-conference-on-peace/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2015

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