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STANDPUNKT/656: Der Besuch (Uri Avnery)


Der Besuch

von Uri Avnery, 26. Mai 2017


GOTT SEI gedankt für Oren Hazan.

Ohne ihn wäre es ein äußerst langweiliger Besuch gewesen.

Israels Kabinettsminister standen zum offiziellen Empfang von Präsident Donald Trump aufgereiht am Fuß des Flugzeugs in der brennenden Sonne.

Es war sehr heiß, es gab keinen Schatten, für die Männer waren dunkle Anzüge obligatorisch. Ganz furchtbar.

Viele Kabinettsminister wollten nicht kommen. Der Ministerpräsident hatte sie mit unheilvollen Drohungen gezwungen.

Aber siehe da, als Trump aus der Präsidenten-Maschine stieg, war die Reihe derer, die ihn empfingen, endlos. Nicht nur alle Minister standen da aufgereiht, sondern auch eine große Anzahl von Eindringlingen. Es war zu spät, sie zu entfernen.

Der prominenteste unter ihnen war Oren Hazan. Als einfacher Abgeordneter der Knesset in der ersten Amtszeit mit einer wohlbekannten Begabung für Vulgarität drängte er sich in die Reihe der Kabinettsminister. Als Präsident Trump sich seiner ausgestreckten Hand näherte, zückte Hazan sein Mobiltelefon und schickte sich an, sich mit dem Präsidenten zu fotografieren. Dieser war so überrascht, dass er verlegen mitspielte.

Innerhalb von Sekunden war das Foto in aller Welt und auf vielen Webseiten. In Amerika scheint es wenig Eindruck gemacht zu haben. Aber Oren war stolz. Es gab seinem Image sogar noch mehr Auftrieb als die Gerichtsverhandlung, in der entschieden worden war, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass er die Kunden seines Kasinos in Bulgarien mit Prostituierten belieferte.

Es war, als ob jemand meine Behauptung von letzter Woche hätte bestätigen wollen, dass die Knesset zurzeit voller "parlamentarischen Gesindels" sei. Oren Hazan passt wunderbar in diese Kategorie.


ES GAB zwei Trumps in dieser Woche. Der eine reiste durch den Nahen Osten und wurde überall gefeiert. Der zweite war in Washington, wo er von allen Seiten angegriffen wurde, wegen Inkompetenz angeprangert und sogar mit künftiger Amtsenthebung bedroht.

Verglichen mit seinen Problemen zu Hause, waren seine arabischen Nächte phantastisch.

Sein erster Halt war in Saudi-Arabien. Das Wüstenkönigreich zeigte sich von seiner besten Seite. Die königliche Familie, die aus ein paar Hundert Prinzen besteht (Prinzessinnen zählen nicht) sah wie die Verwirklichung all seiner geheimen Träume aus. Er wurde wie ein Geschenk Allahs empfangen. Sogar Melania, sittsam und still wie gewöhnlich, wurde es erlaubt, dabei zu sein (und das in einem Königreich, in dem es Frauen nicht erlaubt ist, Auto zu fahren.)

Wie üblich unter orientalischen Königen wurden Geschenke ausgetauscht. Das Geschenk für Trump war ein Vertrag über die Lieferung von Waffen im Wert von 110 Milliarden Dollar, der Arbeit für Massen amerikanischer Arbeiter bringt, als auch eine Investition in amerikanische Unternehmen.

Nach seinem kurzen Aufenthalt, einschließlich einem Treffen mit einer großen Gruppe arabischer Herrscher, flog Trump mit riesigem Enthusiasmus für alles Arabische wieder weg.

Nach einem zweistündigen Flug war er in einer vollkommen anderen Welt: in Israel.


SAUDI ARABIEN und Israel haben keine gemeinsame Grenze. Obwohl an einem Punkt - dem Golf von Aqaba - nur ein paar Meilen jordanisches Gebiet sie voneinander trennen, könnten die beiden Staaten ebensogut auf zwei verschiedenen Planeten liegen.

Im Gegensatz zur Romantik des Wüstenkönigreichs, in dem Jagdfalken hochgeschätzt, Pferde bewundert und Frauen hinter verschlossenen Türen gehalten werden, ist Israel ein sehr prosaischer Platz. Trump lernte schnell, wie prosaisch.

Vor der Flugplatz-Zeremonie hatte sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schwer damit getan, seine Minister davon zu überzeugen, überhaupt zum Flugplatz zu kommen. Es war ein sehr heißer Tag - der Ben-Gurion-Flughafen ist ein besonders heißer Platz und ein schwerer, dunkler Geschäftsanzug ist in Israel ein Alptraum.

Aber am Ende war die Ehre, teilnehmen zu dürfen, zu überwältigend. Es warteten nicht nur alle Kabinettsminister, sondern eine ziemlich große Anzahl gewöhnlicher (im doppelten Sinne) Parlamentarier und ihresgleichen drängten sich in die Empfangsreihe. Sie muss dem hochgeschätzten Gast endlos erschienen sein. Hazan war nur einer von vielen, allerdings der bunteste.

Sie wollten nicht nur Händeschütteln. Jeder einzelne von ihnen hatte noch etwas sehr Bedeutendes zu bemerken. Also musste der arme Trump höflich jedem zuhören und jeder fügte seine historischen Bemerkungen hinzu, meistens über die Heiligkeit des ewigen Jerusalems.

Der Polizeiminister hatte eine dringende Nachricht für Trump: In Tel Aviv hatte es eben einen Terroranschlag gegeben. Später stellte sich heraus, dass dies ein gewöhnlicher Straßenunfall war. Nun, ein Polizeiminister kann nicht immer genau informiert sein.

(Mein bescheidener Rat: Stellt an solch heißen Tagen bitte ein Zelt mit Klimaanlage am Flughafen auf.)



EIN WORT über die Damen.

Ich vermute, dass Melania Trump in ihrem Ehevertrag gelobt hat, bei solchen Anlässen schön und still zu sein. Nach dem Motto: sei schön und halt den Mund.

Also stand sie da: unnahbar, schlank, wie eine Statue, ihr Profil den Kameras zugewendet.

Sarah Netanjahu ist das ganze Gegenteil. Sie ist nicht ganz so schlank wie Melania und sie ist gewiss nicht still. Im Gegenteil, sie hört nicht auf zu quasseln. Sie hat anscheinend einen zwangshaften Wunsch, in jeder Szene im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

Als es dem Mikrofon gelang, ein Stückchen ihres Geplauders einzufangen, erzählte sie gerade, dass in der Vorfreude auf diesen Besuch die Wände der offiziellen Residenz neu gestrichen worden waren. Also nicht sehr intelligent.

Ich denke nicht, dass es für Sarah'le sehr klug ist, sich neben eine internationale Schönheitskönigin wie Melania zu stellen (Das ist nur so ein Gedanke).


DIES ALLES erinnert mich an ein Buch, das ich vor langer Zeit gelesen habe. Der erste britische Kolonial-Distriktoffizier in Jerusalem schrieb vor fast hundert Jahren seine Memoiren.

Die Briten kamen nach Palästina im Namen der Balfour-Erklärung, die den Juden eine nationale Heimstätte versprach. Selbst wenn die Erklärung nur ein Vorwand für das Britische Empire war, sich Palästina anzueignen, waren die Briten tatsächlich von Liebe zu diesem Land erfüllt. Sie waren auch sehr freundlich zu den Juden.

Nicht lange. Die Kolonial-Offiziere kamen, trafen Juden und Araber und verliebten sich in die Araber. Gastfreundschaft ist ein Teil der orientalischen Kultur, seit langem arabische Tradition. Die Briten liebten die arabische Aristokratie.

Sie waren viel weniger entzückt von den zionistischen Funktionären, die meist aus Ost-Europa kamen, die nie aufhörten zu fordern und zu klagen. Sie redeten zu viel. Sie stritten. Keine schönen Pferde. Keine Falken. Keine edlen Manieren.

Am Ende der britischen Herrschaft waren nur sehr wenige britische Verwalter begeisterte Judenliebhaber.


WAS DEN politischen Inhalt des Besuches betrifft, so war er ein Wettbewerb der Lügen. Trump ist ein guter Lügner. Aber Netanjahu ist er nicht gewachsen.

Trump sprach ohne Ende über Frieden. Da er die Probleme sehr wenig kennt, kann er das durchaus ernst gemeint haben. Jedenfalls brachte er das Wort wieder aufs Tapet, nachdem es die Israelis fast aller Schattierungen aus ihrem Vokabular gestrichen hatten. Sogar Peaceniks ziehen es jetzt vor, über "Trennung" zu sprechen (was meiner Meinung nach das Gegenteil von Frieden ist).

Netanjahu liebt Frieden, aber es gibt Dinge, die er mehr liebt - die Annektierung zum Beispiel und Siedlungen.

In einer seiner Ansprachen war ein Satz versteckt, den scheinbar außer mir niemand bemerkt hat. Er sagte, dass "Sicherheit" im Lande - er meinte vom Mittelmeer bis zum Jordan - ausschließlich in den Händen Israels liegen werde. Das bedeutet, einfach gesagt, eine ewige Besatzung, die die palästinensische Entität auf etwas wie Bantustans reduziert.

Trump bemerkte es nicht. Wie sollte er auch?


FRIEDEN IST nicht nur ein Wort. Es ist eine politische Situation. Zuweilen ist es sogar ein seelischer Zustand.

Trump kam mit dem Eindruck nach Israel, dass die saudischen Prinzen ihm gerade einen Deal angeboten hatten - Israel befreit Palästina, die sunnitischen Araber und die Israelis werden eine glückliche Familie und sie kämpfen gemeinsam gegen den bösen alten schiitischen Iran. Wunderbar.

Nur Netanjahu denkt nicht im Traum daran, Palästina zu befreien. Der ferne Iran ist ihm wirklich scheißegal. Er will Ost-Jerusalem, die Westbank und indirekt auch den Gazastreifen behalten.

Trump ging also nach Hause, glücklich und zufrieden. Und in ein paar Tagen wird all dies vergessen sein.

Und wir müssen unser Problem selbst lösen.



Copyright 2017 by Uri Avnery

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
Redigiert von der Schattenblick-Redaktion

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Quelle:
Uri Avnery, 26.5.2017
www.uri-avnery.de
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2017

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