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LAIRE/1107: Australien schiebt srilankische Flüchtlinge ab (SB)


Gewaltausbruch in australischem Flüchtlingslager

Weltweit finden Flüchtlinge immer seltener Schutz


In einem Flüchtlingslager auf den zu Australien gehörenden Weihnachtsinseln war es am vergangenen Samstag zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen rund 150 afghanischen und srilankischen Insassen gekommen. Dabei wurden mehr als 37 Personen verletzt. [1] Obgleich die Ursache des Konflikts nach Behördenangaben noch ermittelt wird, lassen sich sehr wohl einige Zusammenhänge aufzeigen und Überlegungen anstellen, was den Gewaltausbruch ausgelöst haben könnte bzw. was zu ihm beigetragen hat.

In letzter Zeit wurde der Asylantrag einiger Flüchtlinge aus Sri Lanka nicht anerkannt, wohingegen die Afghanen meistens aufgenommen werden. Nun verhält es sich aber so, daß die tamilischen Einwohner Sri Lankas in diesem Sommer einem Vernichtungsfeldzug der Regierungsarmee, der bis heute nicht abgeschlossenen ist, ausgesetzt waren. Das Militär hat versucht, bewaffnete Kämpfer der Befreiungstiger (LTTE- Liberation Tigers of Tamil Eelam) zu vernichten, faktisch erwies sich die "Operation" - sprich: Einkesselung, um so ein sichereres Ziel für den Beschuß zu haben - als unterschiedslose Attacke gegen sämtliche Eingekesselten. Rund 300.000 Tamilen wurden in Lagern verbracht, in denen sie Folter, Mißbrauch und Krankheiten ausgesetzt sind.

Wenn srilankische Flüchtlinge in ihre ursprüngliche Heimat abgeschoben werden, sind sie einer akuten Gefahr für Gesundheit und Leben ausgesetzt. Dabei spielt es keine Rolle, daß einige von ihnen nicht aus aktuellem Anlaß in Australien um Asyl bitten, sondern bereits seit bis zu fünf Jahren in indonesischen Flüchtlingslagern gelebt haben. Darüber berichteten australische Medien am Beispiel der tamilischen Flüchtlinge von der "Oceanic Viking". Wobei der Eindruck entsteht, als könnte das ein triftiger Grund sein, ihr Anliegen, Australien zu erreichen, a priori abschlägig zu bescheiden. [2]

In den letzten Monaten hat sich der Strom an Flüchtlingen aus Sri Lanka, aber auch aus Afghanistan und Irak, nach Australien verzehnfacht. [3] Ein sicheres Zeichen dafür, daß die Not in diesen Ländern wächst. Auf den Weihnachtsinseln ist das sogenannte Flüchtlingslager - Hochsicherheitsgefängnis wäre die treffendere Bezeichnung - überfüllt. Die australische Regierung hat im vergangenen Monat einen Ausbau des Lagers um 800 Betten auf die Kapazität von 2000 Betten angekündigt.

Ungeachtet dieser und weiterer Maßnahmen zum vermeintlichen Wohl der Flüchtlinge kritisieren Flüchtlingsorganisationen wie Refugee Action Collective (Vic), daß sich die Flüchtlingspolitik des seit 2007 amtierenden sozialdemokratischen Premierministers Kevin Rudd nur unwesentlich von der seines konservativen Amtsvorgängers John Howard unterscheidet. [4] Auch unter Rudds Führung versucht die australische Küstenwache, die aus Südostasien stammenden Flüchtlingsboote abzuwehren und die Flüchtlinge allenfalls auf eine der Nordaustralien vorgelagerten Inseln zu verbringen. Aufs Festland sollen sie jedoch nicht.

Ende Oktober hatte sich ein srilankischer Lagerinsasse mehr als sieben Stunden lang auf einen 15 Meter hohen Mast geflüchtet und gedroht, daß er sich umbringt, wenn versucht würde, ihn mit Gewalt von dort herunterzuholen. Schließlich gab er dem Drängen der Verwaltung nach und kletterte wieder hinab. Er und zwei weitere Männer berichteten, sie seien überlistet und dazu verleitet worden, zu unterschreiben, daß sie freiwillig ausgewiesen werden, berichtete Ian Rintoul von der Refugee Action Coalition. [5] Er hält Kontakt zu einigen Flüchtlingen und erklärte, daß vor allem die Überfüllung des Lagers Spannungen erzeugt, die sich dann entladen. Aufgrund der vielen Flüchtlinge sei der Zugang zu Waschräumen und Toiletten eingeschränkt; außerdem sei die Internetverbindung abgeschnitten worden. [6]

Australien, Japan, Nordamerika und die Europäische Union betreiben eine rigorose Abschottungspolitik, sind aber zumindest in Afghanistan und Irak wesentlich an der generellen Verschlechterung der Lebensverhältnisse beteiligt. Der srilankischen Regierung wiederum wurden von westlichen Politikern teils wortstark Sanktionen angedroht, doch Taten blieben aus. Der mörderische Feldzug von Premierminister Mahinda Rajapaksa von der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) gerät allmählich in Vergessenheit, es bleibt seine "Heldentat", den Bürgerkrieg beendet zu haben.

Nach UN-Angaben befinden sich weltweit 15 Millionen Menschen auf der Flucht. Der Klimawandel, die Ressourcenverknappung und die Wirtschaftskrise werden ebenso zu einer allgemeinen Erhöhung der Flüchtlingszahl beitragen wie die zunehmend repressiveren Tendenzen durch die Verletzung der Menschenrechte im Namen der selbigen, die faktische Aufhebung des absoluten Folterverbots, das Begehen von Angriffskriegen unter dem Vorwand des humanitären Interventionismus.


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Anmerkungen:

[1] "Dutzende Asylbewerber bei Unruhen verletzt", Spiegel Online, 23. November 2009
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,662764,00.html

[2] "Asylum seekers living in Indonesia for years", ABC NEWS, 1. November 2009
http://www.abc.net.au/news/stories/2009/11/01/2729755.htm?site=news

[3] "Clashes at Christmas Island camp", BBC NEWS, 23. November 2009
http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/asia-pacific/8373560.stm

[4] Refugee Action Collective (Vic)
http://www.rac-vic.org/

[5] "Detainee denied refugee status stages protest", ABC News, 30. Oktober 2009
http://www.abc.net.au/news/stories/2009/10/30/2729372.htm?site=news

[6] "Brawling detainees threatened with deportation", ABC, 23. November 2009
http://www.abc.net.au/news/stories/2009/11/23/2751302.htm?site=news

24. November 2009