Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → MEINUNGEN


LAIRE/1303: Dank Griechenland bleibt Bundeshaushalt ausgeglichen (SB)


Krisengewinner Deutschland


Nachdem inzwischen allgemein bekannt ist, daß ein bedeutender Teil der Gelder, die von den "Institutionen" EZB, IWF und Europäische Union in Form von sogenannten Hilfspaketen für Griechenland freigegeben werden, sofort wieder dahin zurückfließen, wo sie herkommen, wird jetzt gemeldet, daß insbesondere Deutschland auch auf andere Weise von der Krise profitiert. Nach Berechnungen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ergeben sich für Deutschland als Folge der Krise Einsparungen in Höhe von 100 Milliarden Euro innerhalb der letzten viereinhalb Jahre. [1]

Begründet wird dies damit, daß Investoren stets bestrebt sind, ihre Gelder sicher anzulegen, sobald eine Krise droht, und deutsche Staatsanleihen als besonders sicherer Hafen gelten. Bereits als sich der Wahlsieg der linksgerichteten Partei Syriza abzeichnete, seien Gelder aus Griechenland abgezogen worden. Selbst wenn es seine Schulden nicht vollständig abtragen würde, hätte Deutschland noch immer Vorteile von der Krise, da sein Anteil an den Rettungspaketen für Griechenland (über den Europäischen Stabilitätsmechanismus - ESM, die EZB und den IWF) den Berechnungen zufolge bei schätzungsweise 90 Mrd. Euro liegt.

Die Zahlen belegten "eindeutig", daß Deutschland aus der Griechenlandkrise finanziell profitiert hat. Das hätten zwar auch andere Länder wie die USA, Frankreich und die Niederlande, "aber in einem deutlich kleineren Ausmaß".

Der von den Hallenser Wirtschaftsforschern aufgezeigte Weg der Profitmaximierung des Krisengewinners Deutschland zu Lasten Griechenlands ist nicht der einzige Mechanismus des Finanztransfers von Süden nach Norden. Zu einem guten Teil dienen die Hilfspakete, um die so hart verhandelt wird, der Begleichung des Schuldendienstes. So werden zum Beispiel griechische Banken gerettet, an denen wiederum ausländisches Kapital beteiligt ist. Während die eine Hand gibt, nimmt die andere wieder weg. Auf der Strecke bleibt die griechische Bevölkerung. Ihre Not und ihr Mangel an Nahrungsmitteln, Brennstoff, medizinischer Versorgung, Wohnraum, Arbeitsplätzen, etc. macht sich für Deutschland bezahlt.

Im übrigen werden die Schulden aufgrund der Verzinsung weit über die ursprünglich gegebene Summe höhergetrieben, was die Griechenlandkrise für die Gläubiger zu einer langfristig sicheren Einnahmequelle macht. Die griechischen Schulden sind "stabil", die griechische Volkswirtschaft hat auf absehbare Zeit keine Chance, sie zu begleichen.

Ein wesentlicher Nutzen der unentrinnbaren Verschuldung besteht darin, daß sich nun die Schuldherrn und andere Interessenten das griechische Staatseigentum aneignen dürfen, beispielsweise Inseln, Hafenanlagen, Flughäfen, Bergwerke, Unternehmen, Immobilien, etc. Durch Privatisierungen sollen 50 Milliarden Euro eingenommen werden. Die griechische Regierung hat jedoch eine denkbar schlechte Verhandlungsposition. Erstens wurde ihr aufoktroyiert, daß sie alle Schritte, ja, selbst alle Vorüberlegungen zu möglichen Schritten, mit der Troika absprechen muß, zweitens wird sie genötigt sein, weit, weit unter Wert zu verkaufen.

Das Startgitter wurde gehoben, der Galopp der Investoren und Schnäppchenjäger hat begonnen. Beispielsweise steht der deutsche Flughafenbetreiber Fraport in Verhandlungen mit der griechischen Regierung über den Erwerb von mindestens vierzehn Regionalflughäfen. Besonders pikantes Detail:Mehrheitseigner bei Fraport ist die öffentliche Hand, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt. Griechisches Staatsvermögen würde somit zugunsten Deutschlands privatisiert.

Der Geschäftsabschluß könnte dann so aussehen: Die Fraport-Gesellschaft übernimmt die Flughäfen, und eigentlich bräuchte die Zahlung gar nicht erst nach Griechenland überwiesen zu werden, man könnte das Geld einbehalten und einfach nur einen Teil der Schulden streichen. Schlagartig würden die Flughäfen der öffentlichen Hand in Deutschland und nicht mehr dem griechischen Staat gehören, ohne daß irgend etwas anderes als ein Buchungsvorgang passiert wäre.

So geht Privatisierung.

Und Konsolidierung des Haushalts auf Kosten anderer. Wie hieß es doch gleich in einer Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums? "Das deutsche Stabilitätsprogramm für das Jahr 2015 verdeutlicht: Durch entschlossenes Handeln gelang es der Bundesregierung, die Staatsfinanzen in Deutschland wieder auf den richtigen Kurs zu bringen." [2]

Was es mit dem "entschlossenen Handeln" auf sich hat, erschließt sich aus der Feststellung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH): "Der ausgeglichene Haushalt in Deutschland ist zu einem großen Teil auf Zinseinsparungen aufgrund der Schuldenkrise zurückzuführen."

Entschlossen wird Griechenland ausgenommen.


Fußnoten:

[1] http://www.iwh-halle.de/d/publik/presse/30-15.pdf

[2] http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2015/04/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-deutsches-stabilitaetsprogramm-2015.html

10. August 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang