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DILJA/1220: Honduras - 35.000 Soldaten und Polizisten führen Zwangswahlen durch (SB)


Honduras, 29. November 2009 - eine Wahl zwischen Pest und Cholera

Das Micheletti-Regime zieht die Farce einer Präsidentschaftswahl durch, um die Unterstützung des Westens wieder salonfähig zu machen


Am kommenden Sonntag wird in dem mittelamerikanischen Staat Honduras unter aktiver Beteiligung bewaffneter Sicherheitskräfte ein Vorgang durchgeführt werden, von dem das derzeit faktisch regierende Putschregime um Roberto Micheletti glauben machen möchte, daß es sich um reguläre und damit anerkennenswerte Präsidentschaftswahlen handelt. Um dies allen Ernstes anzunehmen oder auch nur in Erwägung zu ziehen, muß der Militärputsch vom 28. Juni gegen den rechtmäßigen Präsidenten des Landes, Manuel Zelaya, ignoriert, relativiert oder bagatellisiert werden; schließlich weiß doch jedes Schulkind, daß in einem Staat, in dem ein gewaltsamer Staatsstreich stattgefunden hat, unter der damit eingeleiteten Kontrolle der Putschisten keine Wahl durchgeführt werden kann, die demokratischen Ansprüchen genügt.

Das am 30. Oktober unter maßgeblicher Vermittlung der USA zwischen dem nach Honduras zurückgekehrten rechtmäßigen Präsidenten Zelaya, der wie ein Gefangener im eigenen Land in der brasilianischen Botschaft Schutz und Aufnahme fand, und dem Putschregenten Micheletti getroffene Abkommen hatte sich binnen kurzem als eine Mogelpackung erwiesen, die einzig zu dem Zweck inszeniert worden war, Zelayas Entmachtung zu relativieren, ohne tatsächlich die Kernforderung nach seiner Wiedereinsetzung ins Amt zu erfüllen. Vereinbarungsgemäß hätte eine Regierung der nationalen Einheit bis zum 5. November gebildet werden müssen, um mit Zelayas Zustimmung und Mitwirkung in die sogenannten Präsidentschaftswahlen vom 29. November gehen zu können. Die eingebauten Fallstricke erwiesen sich jedoch in kürzester Frist als so gravierend, daß dem gestürzten Präsidenten nichts anderes übrigblieb, als das Abkommen für gegenstandslos zu erklären und eine Verschiebung des Wahltermins zu fordern.

"Wir haben beschlossen, dieses Theater des Herrn Micheletti nicht mehr mitzumachen", so Zelaya, der dem Putschistenregime vorwarf, einen "großen politischen Wahlbetrug" vorzubereiten. Das ist noch milde ausgedrückt, da anläßlich dieses Ereignisses eine Generaloffensive der Putschisten gegen die landesweite Widerstandsbewegung zu befürchten ist. Insgesamt 35.000 Militärs, Polizisten und Reservisten sollen die sogenannten Wahlen "sichern", sprich gegen die zu erwartenden Proteste mit repressiven Mitteln durchsetzen. Die internationale Gemeinschaft hält sich angesichts der nahenden und voraussagbaren Konfrontation und Eskalation in auffälliger Weise bedeckt. In einem ihr nicht genehmen Staat hätte sie ein solches Szenario - Wahlen, bei denen die Wähler und Wählerinnen auf Schritt und Tritt mit Soldaten und Polizisten konfrontiert sind - von vornherein als undemokratisch und diktatorisch gegeißelt.

Von einer freien Entscheidung der Wahlberechtigten kann unter solchen Umständen nicht die Rede sein. Erschwerend kommt hinzu, daß De-facto-Regent Micheletti ganz so, als würde er legislative, exekutive und judikative Befugnisse in seiner Hand vereinen, in der Presse bekanntgegeben hat, daß, wer zum Wahlboykott aufruft, sich strafbar machen und verfolgt werden würde. Nach allgemeinem westlichen Demokratieverständnis beinhaltet die Wahlfreiheit auch die Freiheit, einer Wahl fernzubleiben. In diesem besonderen Fall gehen die Uhren jedoch anders. Da der Versuch, durch die militärisch abgesicherte Durchführung sogenannter Präsidentschaftswahlen einen Amtsträger präsentieren zu können, dem im Verhältnis zu dem westlichen Staaten nicht mehr der Stallgeruch eines Putschisten anhaftet, fehlschlagen würde, wenn sich nur ein minimaler Prozentsatz an dem Manöver beteiligt, wird gegen Boykottaufrufe und drohende Wahlenthaltungen mit allen Mitteln zu Felde gezogen.

Neben Michelettis unverhohlener Drohung gegen den insbesondere von der Widerstandsfront erhobenen Boykottaufruf sind es auch viele Unternehmer des Landes, die massiv Einfluß nehmen bzw. Druck ausüben, indem sie von ihren Beschäftigten unter der Androhung, daß diese ansonsten den Arbeitsplatz verlieren, einen Nachweis über ihre Wahlbeteiligung einfordern. Wenige Tage vor dem "Wahl"-Termin ist die Widerstandsfront auch verstärktem direkten Druck ausgesetzt. Viele ihrer Mitglieder und Mitstreiter erhielten Morddrohungen, Demonstrationen wurden verboten, kritische Medien wie der Fernsehsender 36 gestört. Die honduranischen Wahlberechtigten haben zudem nur eine geringe Auswahl zwischen möglichen Präsidentschaftskandidaten, da viele Bewerber ihre Kandidatur zurückgezogen haben, um nicht durch ihre Teilnahme eine undemokratische "Wahl" zu legitimieren. Die Wahl zwischen dem Unternehmer Porfirio Lobo von der Nationalen Partei und dem Bauunternehmer Elvin Santos von der Liberalen Partei kommt dabei einer Wahl zwischen Pest und Cholera gleich; beide stehen felsenfest im Lager der Putschisten.

Eine weitere Kandidatin, der Chancen auf das Amt der Vizepräsidentin eingeräumt worden waren, Margarita Elvir, ist kürzlich abgesprungen, weil sie sich nicht zur Komplizin "der Bösen" machen lassen wollte, "die sich für diesen Putsch hergegeben haben". In Honduras selbst besteht kaum die Gefahr, daß, wer auch immer nach diesen Vorgängen zum "Präsidenten" erklärt werden wird, auf eine breite Anerkennung und Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen wird. Viele lateinamerikanische Staaten, so Argentinien und Brasilien in einer gemeinsam von ihren Oberhäuptern, Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, verfaßten Erklärung, haben bereits vorab klargestellt, daß sie das Ergebnis dieser Wahl nicht anerkennen werden. Das linke Staatenbündnis ALBA, in dem Honduras formal noch immer Mitglied ist, hält es natürlich genauso, und so kommt den eindeutig zweideutigen Worten der US-Administration umso mehr Gewicht zu.

Ihre tatsächliche Parteinahme für die Putschisten hatte sich einmal mehr schon an dem Punkt der zwischen Micheletti und Zelaya getroffenen Vereinbarung der Wiedereinsetzung Zelayas offenbart. Diese war von einer Diskussion bzw. einer Abstimmung in dem (von Micheletti kontrollierten) Parlament abhängig gemacht worden, doch nicht einmal diese Abmachung wurde von seiten der Putschisten eingehalten. Parlamentspräsident José Alfredo Saavedra hatte am Dienstag vergangener Woche angekündigt, daß das Parlament erst nach den Wahlen, am 2. Dezember, über eine Rückkehr Zelayas in sein Amt diskutieren würde. Die Taktik der Putschisten, die Erfüllung der ohnehin dünnen Zusagen immer weiter hinauszuzögern, hatte schon zuvor auf einer Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) für Unmut gesorgt. OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza hatte bekanntgegeben, daß die Organisation keine Wahlbeobachter entsenden würde, solange die Krise nicht gelöst sei, während der US-Repräsentant, Botschafter Lewis Amselem, den Kritikern entgegenhielt, das zwischen Micheletti und Zelaya geschlossene Abkommen hätte keine "sofortige Wiedereinsetzung Zelayas" beinhaltet.

Und während das Micheletti-Regime die gewaltsame Unterdrückung aller Proteste am sogenannten Wahltag vorbereitet, ist in Washington zu vernehmen, daß die ausgebliebene Wiedereinsetzung Zelayas in sein Amt kein nennenswertes Problem sei. Aus dem Außenministerium wurde verlautbart, das Ergebnis werde "je nach den Umständen" anerkannt. Unschwer vorauszusagen ist somit, daß am Tag danach aus den Hauptstädten der führenden westlichen Staaten eine bestenfalls von dem taktischen Bestreben, nicht allzu offensichtlich als Unterstützer einer im Kern undemokratischen "Wahl" in Erscheinung zu treten, ausgebremste Anerkennung des Wahlsiegers zu vernehmen sein wird, und ganz sicher wird der neue deutsche Außenminister, dessen Partei als einzige den Sturz Zelayas nicht verurteilte, dabei keine Ausnahme machen.

25. November 2009