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DILJA/1222: Putschistenwahlen in Honduras - der Frontverlauf wird immer klarer (SB)


Schein- bzw. Zwangswahlen können einen Putsch nicht ungeschehen machen

In Honduras könnte nach dem 29. November ein offener Bürgerkrieg drohen


Der 61jährige Großgrundbesitzer und Agrarunternehmer Porfirio Lobo Sosa, Präsidentschaftskandidat der Nationalpartei von Honduras, wird in bestimmten politischen Kreisen und den ihnen zugeneigten Medien von nun an als Wahlsieger und zukünftiger Präsident des mittelamerikanischen Landes gehandelt werden. Namentlich die USA haben bereits durchblicken lassen, daß sie die "Wahlen", als welche die honduranische Oligarchie sowie weitere ausländische Strippenzieher die in einem Klima von Gewalt, polizeilicher und militärischer Repression am Sonntag durchgeführte Inszenierung verstanden wissen wollen, begrüßen. Begrüßenswert ist in der Tat, daß Washington, geprägt vom Regierungsstil des derzeitigen Präsidenten, seine ambivalente Haltung in Hinsicht auf den am 28. Juni in Honduras durchgeführten Militärputsch zugunsten einer klareren Positionierung aufgegeben hat.

Entsprechende Schritte seitens europäischer Regierungen werden aller Voraussicht nach nicht mehr lange auf sich warten lassen. So hat die deutsche Bundesregierung es abgelehnt, wie in zwei von den Grünen bzw. der Linkspartei am 26. November im Bundestag eingebrachten Anträgen gefordert, sich vorab der Haltung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) anzuschließen und zum Ausdruck zu bringen, "dass die Ergebnisse der für den 29. November 2009 geplanten Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen nur dann anerkannt werden können, wenn Manuel Zelaya in das Präsidentenamt zurückkehrt, die Einschränkungen der Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit aufgehoben werden und die Verfolgung von politischen Gegnern endet", wie es im Antrag der Grünen wörtlich hieß. Da jedoch absehbar war, daß das Putschistenregime in Tegucigalpa nicht eine der genannten Bedingungen erfüllen würde, die Bundesregierung jedoch augenscheinlich daran interessiert ist, an einer nachträglichen Legalisierung der durch den Putsch geschaffenen Verhältnisse mitzuwirken, hielt man sich in Berlin bedeckt.

Weder der Antrag der Grünen noch ein ähnlich lautender der Linkspartei, in dem darüber hinaus noch eine aktive Unterstützung der honduranischen Widerstandsfront gegen das Putschregime durch die deutsche Bundesregierung eingefordert worden war, trafen im Bundestag auf eine mehrheitsfähige Zustimmung. Die Regierungskoalition, aber auch die SPD hielten den Anträgen deren vermeintliche Einseitigkeit entgegen mit der Begründung, daß auch der im Juni gestürzte Präsident Manuel Zelaya, der nach wie vor als einziger für dieses Amt demokratisch legitimiert ist, gegen die Verfassung von Honduras verstoßen habe. Ein solche Darstellung ist nachweislich falsch und dokumentiert das Interesse derer, die sie faktenresistent auch viele Monate nach dem Staatsstreich noch immer für ihre Zwecke in Anspruch nehmen, an einer Fortsetzung bzw. Scheindemokratisierung faktisch diktatorischer Verhältnisse.

Die Vorgänge vom Sonntag als "Wahlen" zu bezeichnen verbietet sich schlichtweg und ganz unabhängig davon, ob die Angaben der Putschisten, denen zufolge es eine bislang unerreicht hohe Wahlbeteiligung gegeben habe, oder der in einem Kommuniqué der Widerstandsfront bekundete mehrheitlich befolgte Wahlboykott für plausibel gehalten wird. Zu befürchten steht allerdings, daß die massiven Repressionen, mit denen Polizei und Militär vor, während und nach den vermeintlichen Wahlen gegen die Bevölkerung vorgegangen sind, in der Folgezeit noch gesteigert werden, weil sich die internationale Rückendeckung für das nun angeblich weißgewaschene Regime zu dessen Gunsten auswirken wird. Je mehr Porfirio Lobo Sosa von den westlichen Staaten als designierter "Präsident" von Honduras anerkannt wird, umso mehr werden sie den tatsächlichen Amtsinhaber Manuel Zelaya und mehr noch die landesweite Widerstandsfront zu diskredieren und ins Unrecht zu setzen versuchen.

Die Repression in Honduras selbst ist inzwischen so weit vorangetrieben worden, daß sogar gegen Angehörige des Justizapparates vorgegangen wird, wenn sie nicht tun, was von ihnen verlangt wird. So geht der Oberste Gerichtshof, der in das Komplott zum Sturz Zelayas involviert war, gegen Richter disziplinarisch vor, die den Staatsstreich als Staatsstreich bezeichnen. Am sogenannten Wahltag wurden sogar zwei Beobachter des lateinamerikanischen Kirchenrates verhaftet; eine Führungspersönlichkeit der Widerstandsbewegung, der Koordinator in Nacaome, Gradis Espinal, wurde am 24. November wenige Stunden nach seiner Festnahme durch das Militär tot aufgefunden. Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln jedoch nicht in solchen Fällen, sondern gehen Anzeigen - nicht selten vom Militär - wegen der für illegal erklärten Aufrufe zum Wahlboykott nach.

An der grundlegend undemokratischen und insofern illegitimen Situation der De-facto-Regierung von Honduras hat sich nach diesem Prozedere und unabhängig von der Frage, wer der Öffentlichkeit als "Präsident" präsentiert wird, nicht das Geringste geändert. Jari Dixon Herrera, ein seit zwölf Jahren in Honduras tätiger Staatsanwalt, hatte in einem in dem Onlinemagazin telepolis bereits am 13. August veröffentlichten Interview [1] Aufschluß über die gerade auch in den westlichen Staaten weitverbreitete Behauptung, Präsident Zelaya habe einen Verfassungsbruch begangen, was seine Absetzung durch das Militär rechtfertige, gegeben. Aus juristischer Sicht stellte Herrera darin klar, daß das Militär in Honduras zu Festnahmen überhaupt nicht befugt ist und daß zum Zeitpunkt der Verschleppung Präsident Zelayas kein Haftbefehl gegen ihn vorgelegen hatte. Seinen Angaben zufolge wurde der den Medien präsentierte Haftbefehl erst zwei Tage später ausgestellt und rückdatiert, wofür er zum Beweis ein Buch im Sekretariat des Obersten Gerichtshofes anführte, in dem handschriftlich jede eingegangene Anklage vermerkt wird. Da nach dem Zeitpunkt, an dem angeblich gegen Zelaya Haftbefehl erlassen worden war (25. Juni) schon weitere Einträge vermerkt worden waren, wurde kurzerhand ein neues Buch angefangen.

Der honduranische Staatsanwalt stellte desweiteren klar, daß das Parlament, der Nationalkongreß, von der Verfassung her überhaupt nicht befugt ist, einen Präsidenten abzusetzen oder neu zu wählen. Er darf lediglich dessen Amtsführung negativ oder positiv bewerten, was im ersten Fall zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnte, dessen einzelne Schritte genau festgelegt sind. Hätte Präsident Zelaya tatsächlich, wie ihm zum Vorwurf gemacht wurde, um einen Putschvorwand zu schaffen, einen Gesetzesverstoß begangen, hätte die Justiz gegen ihn Anklage erheben können. Die Polizei hätte ihn festnehmen und zur Vernehmung bringen können; eine Verschleppung ins Ausland, durchgeführt durch das Militär, stellte einen klaren Verstoß gegen die Verfassung dar.

Herrera vertrat auch die Auffassung, daß der Staatsstreich eigentlich schon am 25. Juni stattgefunden habe, weil General Romeo Vásquez Velásquez, der Oberkommandierende der Streitkräfte, an diesem Tag die Durchführung der Vorbereitungen für das für den 28. Juni geplante Referendum verweigert hatte. Dies stellte einen offenen und in einer Demokratie nicht zu rechtfertigenden Affront des Militärs gegenüber dem gewählten Präsidenten des Landes dar, der Velásquez daraufhin abzusetzen versuchte. Der General verweigerte auch seine Absetzung und wurde darin durch den Obersten Gerichtshof unterstützt, obwohl dieser zu einem solchen Schritt juristisch gar nicht befugt war. Die noch immer kolportierten Vorwürfe, Zelaya habe durch die Vorbereitungen für eine Verfassungsgebende Versammlung in Verletzung der geltenden Verfassung seine Wiederwahl betreiben wollen, entbehrt jeder Grundlage. Wären das Referendum über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung wie auch diese selbst, ein entsprechendes Votum der Wähler vorausgesetzt, durchgeführt worden, wäre dies für Zelaya und die ihm unterstellte Absicht, noch länger amtieren zu wollen, in jedem Fall zu spät gekommen. Über die seit dem Putsch in Honduras herrschenden Verhältnisse fällte der Jurist ein klares und fundiertes Urteil [1]:

Mit dem Putsch ist eine der Gewalten, die Exekutive, zerstört worden. Damit ist die staatliche Ordnung außer Kraft gesetzt. Seit dem 28. Juni existiert in Honduras keine legale staatliche Ordnung mehr. Die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung könnte diese Situation überwinden - oder die Rückkehr des gewählten Präsidenten in sein Amt.

All dies könnte auch der deutschen Bundesregierung, ein entsprechendes Interesse vorausgesetzt, bekannt sein. Es versteht sich von selbst, daß "Wahlen", die unter diesen Bedingungen durchgeführt wurden, von vornherein keinerlei demokratische Legitimation haben können. Präsident Zelaya hat folgerichtig eine Annullierung der Wahlen und eine Neudurchführung nach der Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen gefordert. Am Mittwoch will der Nationalkongreß darüber entscheiden, ob ihm in der verbleibenden Restzeit seiner Amtszeit die Rückkehr genehmigt wird. Da ein solcher Schritt einzig und allein dazu dienen würde, den Putschwahlen eine zusätzliche Scheinlegitimität zu verleihen, hat Zelaya bereits klargestellt, daß er für dergleichen nicht zur Verfügung steht. Da die westlichen Staaten, wie bereits eingetreten bzw. absehbar ist, ungeachtet all dessen zur offenen Unterstützung des aus Putschwahlen hervorgegangenen "Siegers" antreten werden, könnte dem Land womöglich sogar eine Zuspitzung des Konfliktes bis hin zu einem offenen Bürgerkrieg drohen.

[1] "In Honduras hat eindeutig ein Putsch stattgefunden", Interview mit Jari Dixon Herrera, von Harald Neuber, telepolis, 13.08.2009, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30920/1.html

1. Dezember 2009