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AFRIKA/1781: Salva Kiir - US-Frontmann gegen Regierung Sudans (SB)


Südsudans Präsident Salva Kiir in Washington

Geopolitische Interessen der USA decken sich mit Machtgelüsten eines ehemaligen südsudanesischen Warlords


Am Montagmorgen trafen sich US-Präsident George W. Bush und der Präsident des halbautonomen Südsudan Salva Kiir Mayardit zu einem Gespräch in Washington. Die Bemühungen der US-Administration, eine ihr genehme Regierung in Sudan zu installieren, reichen weit zurück. So waren die neunziger Jahre geprägt von einem blutigen Konflikt zwischen der vom Westen unterstützten Sudanesischen Volksbefreiungsarmee SPLA und der Zentralregierung unter dem Putschisten Präsident Omar al Bashir. Die US-Regierung hat jahrelang klandestin und offen Partei für die SPLA ergriffen. Die hätte ohne entschiedene westliche Unterstützung den Bürgerkrieg wohl kaum so lange durchgehalten und zum Erfolg geführt.

Von den Vereinten Nationen wurde im Rahmen der "Operation Lifeline Sudan" zehn Jahre lang die größte Luftbrücke seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufrechterhalten. Palettenweise wurden Hilfspakete über dem weitgehend von der SPLA beherrschten Süden abgeworfen. Angeblich bestand die Hauptfunktion dieser Initiative in der Bekämpfung des Hungers in der Zivilbevölkerung. Wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß diese versorgt wurde - eher weniger als mehr -, so haben sich auch die SPLA-Soldaten an den Hilfspaketen bedient. Für jeden Dollar, der nicht in die Versorgung der Soldaten fließen mußte, konnten Waffen und Munition gekauft werden.

Während die sudanesische Regierungsarmee dafür bekannt war, daß sie die Bevölkerung ganzer Landstriche vertrieb, ohne sich um das Los der Menschen zu kümmern, und ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung Bombenangriffe auf südsudanesische Dörfer, in denen sich angeblich SPLA-Kämpfer versteckt hielten, flog, tat sich die SPLA durch Raub, Plünderung und Sklavenhandel hervor. Außerdem hatte sie mehrere tausend Kindersoldaten in ihre Reihen gepreßt, was allerdings erst allgemein bekannt wurde, als die Kinder Hilfsorganisationen übergeben wurden und die SPLA für diese "gute Tat" auch noch Lob einheimste. Die Kinder und Heranwachsenden waren in den Kampf gezogen, mußten Feld- und Hausarbeiten verrichten oder ihren Herren für noch unschönere Dinge zu Diensten sein.

Die Perversion wurde dadurch überboten, daß die vorwiegend christliche SPLA in der hiesigen Mainstream-Berichterstattung als die Guten dargestellt wurde, die gegen das böse islamische Regime zu Felde zieht. Unter anderem in der Schweiz angesiedelte christliche Hilfsorganisationen hatten viel Geld ausgegeben, um sudanesische Sklaven freizukaufen. Die Nachfrage bestimmte das Angebot ... der Sklavenhandel blühte auf, die Kopfpreise wurden von den Befreiern nach oben getrieben. Die SPLA war dafür bekannt, daß sie sich als Sklavenhändler ausgab und kurz vor dem Kontakt mit der Hilfsorganisation zusammengetriebene Dorfbewohner verkauft hat.

Bis heute wurde die Geschichte des Kampfs der SPLA gegen die Zentralregierung nicht aufgearbeitet, noch immer wird an der Dichothomie zwischen der niederträchtigen islamischen Zentralregierung in Khartum und der unterdrückten christlichen SPLA festgehalten. Die Schätzungen, in welchem Ausmaß die USA den Südsudan seit Anfang der neunziger Jahre finanziell unterstützt haben, schwanken zwischen einem dreistelligen Millionenbetrag und über eine Milliarde Dollar.

Anfang dieses Jahrzehnts hat der US-Sondergesandte John Danforth den Konfliktparteien aus dem Norden und Süden die Pistole auf die Brust gesetzt und gefordert, daß sie sich endlich auf einen Waffenstillstand einigen sollten, andernfalls sich die USA vollständig als Vermittler zurückziehen würden. Im Jahr 2003 schlossen die Streitparteien Frieden, wobei sie die Verfügungsgewalt über die seit Jahren heiß umkämpften Ölfördergebiete in Zentralsudan unter sich aufteilten. Die heutige Krisenprovinz Darfur in Westsudan hingegen wurde nicht bedacht.

Die Tinte des Friedensabkommens war kaum trocken, überfielen bewaffnete Banden Polizeistationen und Garnisonen in Darfur. Eine von zwei aufständischen Organisationen nannte sich SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) - die Namensähnlichkeit zur SPLA war kein Zufall. Die Absicht der SPLA und ihrer Förderer in Washington bestand offensichtlich darin, die Zentralregierung nicht zur Ruhe kommen zu lassen.

Der Plan, dem mehrere hunderttausend Darfurer zum Opfer fielen, ging auf. Heute besitzt der Südsudan eine Autonomieregierung. Dessen Präsident Salva Kiir ist zugleich Vizepräsident in der gemeinsamen sudanesischen Regierung. Sein Treffen mit dem scheidenden US-Präsidenten George W. Bush Anfang dieser Woche in Washington ist mehr als nur von symbolischer Bedeutung. Salva Kiir wird sich selbstverständlich für die gute Zusammenarbeit mit den USA bedanken, und er wird sich als ein Mann präsentieren, den es zu unterstützen lohnt, sollte er bei den Präsidentenwahlen noch in diesem Jahr gegen al Bashir antreten. Damit ist zu rechnen. Gegen Bashir wird zur Zeit eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof angestrengt. Sollte der Haftbefehl in Kraft treten, wäre von Salva Kiir zu erwarten, daß er diesen Umstand im Wahlkampf für sich ausschlachtet.

Was genau im Weißen Haus besprochen wurde, ist nicht bekannt, sieht man einmal von den üblichen Good-will-Bezeugungen ab. Aus der jüngeren Geschichte heraus liegt die Annahme jedoch auf der Hand, daß Kiir zum Statthalter der USA in Gesamtsudan aufgebaut werden soll. Dann könnte es zu einer Einflußverschiebung weg von China, das derzeit den Hauptanteil an sudanesischem Erdöl abnimmt, hin zu den Vereinigten Staaten, die zur Zeit aufgrund eines Anti-Sudan-Gesetzes Handelsbeschränkungen mit dem Land unterliegen, kommen.

Weil Bashir dies weiß, wird er alle Anstrengungen unternehmen, um nicht als Angeklagter vor dem ICC in Den Haag zu landen und über sich richten zu lassen. Gut vorstellbar wäre, daß die Wahlen unter einem Vorwand verschoben werden. Ebenfalls gut vorstellbar wäre, wenn ein Krieg zwischen Nord- und Südsudan dazu den Vorwand lieferte. Beide Seiten rüsten nämlich massiv auf, wie unlängst in Erinnerung gerufen wurde, als somalische Piraten einen Frachter mit Panzern aus russischer Fertigung in ihre Gewalt brachten. Angeblich waren die Panzer für Kenia bestimmt - nur daß Kenia überhaupt keine russischen Panzer besitzt und sie in der seiner Armee Fremdkörper wären. Offensichtlich waren die Panzer für Südsudan bestimmt.

Die Zentralregierung im Norden und die Autonomieregierung im Süden rüsten vehement auf und verlegen ihre Truppen in Richtung der Abyei genannten, erdölreichen Region in Zentralsudan. Eine internationale Schiedskommission hatte zwar entschieden, daß die Abyei weitgehend dem Süden zugeschlagen gehört, doch wird das Urteil von al-Bashir nicht akzeptiert, ist es doch mit erheblichen Einnahmeverlusten für seine Regierung verbunden. Ein Waffengang scheint kaum noch abwendbar - auch das dürfte ein Gesprächsthema zwischen Bush und Kiir gewesen sein.

Die USA haben ein geostrategisches Interesse an Sudan, dem flächengrößten Land Afrikas. Es markiert die Grenze zwischen dem arabischen und dem schwarzafrikanischen Raum, verfügt über einen breiten Küstenstreifen am Roten Meer, der wichtigen Seeverbindung zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean, und übt Kontrolle über den Nil aus, an dessen Lebensader wiederum der US-Verbündete Ägypten hängt. Abgesehen von den Erdölvorkommen Sudans sind dies alles gewichtige Gründe, weswegen die USA ihre globalhegemonialen Interessen in Sudan in Gefahr sehen, sollte es dort jemals einer islamisch geprägten Regierung gelingen, mit allen marginalisierten Landesteilen Frieden zu schließen, das Land prosperieren zu lassen und weiterhin intensive Geschäftsbeziehungen mit China zu pflegen.

6. Januar 2009