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AFRIKA/1804: Papst auf Missionsreise in Kamerun (SB)


Salbungsvolle Worthülsen

Benedikt XVI. besucht Kamerun und Angola


Die erste Reise als Papst auf den afrikanischen Kontinent führt Benedikt XVI. in die ehemalige deutsche Kolonie Kamerun. Dort, und bei seiner nächsten Etappe Angola, läßt er bitten: Zahlreiche Bischöfe aus fast allen afrikanischen Staaten reisen an, um sich von ihrem Oberhaupt Anweisungen in Form eines Arbeitspapiers abzuholen. Nicht daß sie es nötig hätten, denn die afrikanischen Bischöfe gelten als ausgeprochen brav. Doch auf eine gewisse ideologische Ausrichtung im Vorfeld der Bischofssynode vom 4. bis 25. Oktober dieses Jahres im Vatikan, die sich nach 1994 zum zweiten Mal mit Afrika befaßt, kann der Papst nicht verzichten.

Der Katholizismus verzeichnet auf dem schwarzen Kontinent einen durchschnittlichen Zuwachs von drei Prozent, was nach Ozeanien (fast fünf Prozent) der weltweit höchste Wert ist. Der Pontifex kann also im Grunde genommen recht zufrieden sein mit der Entwicklung, wenngleich die Konkurrenz nicht schläft. Auch der Islam und die Evangelikalen weisen nicht unerhebliche Rekrutierungserfolge auf. Somit erfüllt die Reise des Kirchenoberhaupts mehrere wichtige Funktionen. Zum einen sollen die erfolgreich missionierten Gebiete gesichert werden, zum anderen werden die eigenen Reihen vom ehemaligen Leiter der Glaubenskongregation des Vatikans mit Hilfe des Arbeitspapiers, das den langen Titel "Die Kirche in Afrika im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens" trägt, an die kurze Leine genommen.

Ähnlich wie in Südamerika sind die afrikanischen Bischöfe mitunter näher am Volk als an Rom. Am Elend der Lebensverhältnisse vieler Afrikaner, zumindest aber an der Beschränktheit der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, kann ein Bischof vor Ort ungeachtet seiner sicherlich überdurchschnittlich komfortablen Lebensumstände schwerlich vorbeisehen. Aus der Sicht Roms muß aber jeglichen Fraternisierungstendenzen der Geistlichkeit mit dem gemeinen Volk entgegengewirkt werden, sobald die Glaubensdoktrin in Frage gestellt wird. So wendet sich der Papst gegen Verhütungsmittel und gegen Abtreibung - angesichts der grassierenden HIV/Aids-Epidemie stellt dies eine Ignoranz gegenüber den Nöten der Menschen und eine Überheblichkeit dar, die sich allein aus der eigenen privilegierten Lebenssituation herleitet.

Der unbedingte Schutz des Lebens, wie es der Papst reklamiert, wird von ihm an anderer Stelle vollkommen mißachtet. Wo war die katholische Kirche, als die Milizen der christlichen SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) Mitglieder der Dinka und Nuer verfolgten, Kindersoldaten in ihre eigenen Reihen preßten und sogar Sklavenhandel betrieben? Wo blieb die entschiedene Stimme Roms für das Leben der Menschen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß katholische Priester aktiv am Ruanda-Genozid 1994 beteiligt waren? Der Einsatz des Papstes für den Erhalt des Lebens ist selektiv und damit interessengesteuert.

Welches Interesse verfolgt die katholische Kirche, wenn sie den Gebrauch von Kondomen verteufelt und damit der Verbreitung der Immunschächekrankheit Aids Vorschub leistet? Offensichtlich sollen hier Sünder mit der Seuche bestraft werden, denn wer ausschließlich mit dem Ehepartner Geschlechtsverkehr hat, kann sich ja nicht anstecken, so die abgehobenen Lehre.

Der Missionserfolg der katholischen Kirche in Afrika dürfte weniger damit zu tun haben, daß die Einwohner Enthaltsamkeit und Zölibat für besondere Errungenschaften der menschlichen Zivilisation halten, sondern mit dem persönlichen Einsatz von katholischen Nonnen, Priestern und anderen Hilfskräften vor Ort, die sich bemühen, das Leben der Menschen erträglicher zu machen. Die Hilfskräfte stecken in einem Dilemma, sehen sie doch, daß eine Aids-Bekämpfung ohne die Propagierung von Verhütungsmitteln aussichtslos ist.

Nun besucht also der Papst Afrika. Dort wird er predigen, daß sich die Menschen nicht mehr gegenseitig die Köpfe einschlagen sollen - und er wird die sich aus der Globalisierung ergebenden sozioökonomischen Verhältnisse vollkommen ignorieren; er wird mahnen, daß Afrika angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise von den reichen Ländern nicht links liegen gelassen werden darf - und geflissentlich daran vorbeisehen, daß der Vatikan ebenfalls zu den reichen Ländern gehört und in Finanzgeschäfte verstrickt ist; er wird den Menschen Mut, Bescheidenheit und Duldsamkeit zusprechen - und auf ein Jenseits verweisen, in dem sich das dann bezahlt machen soll, während die hiesigen Verhältnisse unangetastet bleiben. Die Papstreise wird zeigen, daß man ein Land besuchen und zugleich weit von seinen Bewohnern entfernt bleiben kann.

17. März 2009