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AFRIKA/1808: Südafrika - Dalai Lama sorgt für Unfrieden (SB)


Antirassismus- und Friedenskonferenz in Südafrika ohne den Dalai Lama

Kein Visum für geistliches Oberhaupt der Tibeter


Der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, darf nicht an einer Antirassismus- und Friedenskonferenz in Südafrika teilnehmen. Mit dieser Entscheidung hat sich die südafrikanische Regierung unter Präsident Kgalema Motlanthe reichlich Kritik eingehandelt. Ausgerechnet der Empfänger des Friedensnobelpreises 1989 und zahlreicher westlicher Ehrentitel, der weltweit bekannte Botschafter des Friedens und der Gewaltlosigkeit ist in Südafrika unerwünscht? Das mutet seltsam an, und wenn auch der Verweis eines Sprechers Motlanthes auf Südafrikas gute Beziehungen zu China - unausgesprochen: die durch den Besuch des Dalai Lama belastet wären - eine hinreichende Erklärung für die Absage wäre, so birgt sie womöglich noch andere Aspekte.

Immerhin ist die Rolle des Dalai Lama bei den Unruhen im Vorfeld der Olympischen Spiele im August 2008 in Peking undurchsichtig. Er hat sich zwar stets für Frieden ausgesprochen, aber im gleichen Atemzug Dinge gesagt, die sinngemäß lauten wie, daß die Tibeter großen Zorn verspüren als geknechtetes Volk. Wer sich angesichts der von Tibetern begonnenen Übergriffe unter anderem auf Han-Chinesen und deren Geschäfte in Tibets Hauptstadt Lhasa in solch vagen, von ihrer Botschaft her jedoch nicht mißzuverstehenden Andeutungen ergeht, relativiert seinen eigenen Appell zur Gewaltlosigkeit und setzt sich dem Verdacht aus, die Lunte in Brand stecken, aber die Streichholzschachtel hinter Rücken verstecken zu wollen.

Doch an dieser Stelle soll nicht die Geschichte des angespannten Verhältnisses zwischen Tibet und China, nicht die einstige Zwangsherrschaft der tibetanischen Klöster mit Sklaverei und Folter der unterdrückten Bevölkerung, nicht die Verwicklung des Dalai Lama in die Machenschaften des US-Geheimdienstes CIA und auch nicht die globalhegemonialen Ambitionen der USA, die nur allzu gern ihren Stiefel in ein aus China herausgelöstes Tibet setzen würden und einiges zum Erreichen dieses Ziels unternehmen, diskutiert werden.

Südafrikas Regierung hat die gleichen Rechte wie jede andere Regierung auch. Sie darf die ihr nicht genehmen Personen abweisen, und es ist nicht das erste Mal, daß eine Regierung solche oder ähnliche politische Entscheidungen aus wirtschaftlichen Gründen fällt. China ist ein sehr wichtiger Handelspartner Südafrikas - warum dies aufs Spiel setzen, sagt sich der Kapstaat. Immerhin wurde den Organisatoren der Friedenskonferenz am 27. März in Johannesburg, bei der angesichts der im nächsten Jahr in Südafrika auszutragenden Fußballweltmeisterschaft "über den Beitrag des Sports zur Völkerverständigung und Überwindung des Rassismus" (NZZ online, 24.3.2009) diskutiert werden soll, bereits im vergangenen Monat die Visumsverweigerung gegenüber dem Dalai Lama mitgeteilt worden.

Der südafrikanische Bischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sowie der frühere Premierminister Südafrikas Frederik Willem de Klerk kündigten an, daß sie an der Konferenz nicht teilnehmen werden, wenn nicht auch der Dalai Lama eingeladen wird. Das bedeutet, daß der Konflikt, den Teile des Klerus Tibets mit der chinesischen Zentralregierung haben, Unfrieden in Südafrika stiftet. Dabei wäre es von allergrößter Wichtigkeit für das Land, seine enorm hohe Kriminalitätsrate zu senken. Das gilt selbstverständlich grundsätzlich, aber die Fußballweltmeisterschaft wäre eine passende Gelegenheit, deutlich mehr Anstrengungen, vor allem zur Verbesserung des Lebensstandards der ärmeren Bevölkerungsteile, in Richtung dieses Ziels zu unternehmen als bisher.

Bekannte Persönlichkeiten wie Tutu und de Klerk könnten durchaus etwas dazu beitragen, wenngleich sicherlich nur wenig, daß die Zahl der Diebstähle, Raubüberfälle, Vergewaltigungen und Morde gesenkt wird. Es bleibt aber nicht mehr viel Zeit, um rechtzeitig bis zur Weltmeisterschaft die unverzichtbaren strukturellen Voraussetzungen zu ändern, damit die Menschen es nicht mehr nötig haben, kriminell zu werden. Zumindest würde ein Anfang den Menschen eine Perspektive geben, daß eineinhalb Jahrzehnte nach Ende der Rassentrennung die soziale Apartheid nicht weiter vorangetrieben wird wie bisher. Einem Großteil der Menschen in den Townships mangelt es noch immer an der Möglichkeit, ihre Grundbedürfnisse nach sauberem Wasser, Nahrung, Energie und einem Dach über dem Kopf zu stillen.

Neben profanen wirtschaftlichen Gründen für die Absage an den Dalai Lama bekommt ein weiteres Argument der Regierung, weswegen er kein Visum erhält, nämlich daß seine Anwesenheit die Aufmerksamkeit von den Vorbereitungen zur Weltmeisterschaft ablenken würde, einiges an Gewicht. Wo der Exiltibeter steht und geht, wird auf jeden Fall auch über Tibet diskutiert. Ob er abgesehen von Allgemeinplätzen tatsächlich etwas zur Befriedung der krassen Konfliktlage in Südafrika beizutragen hätte, wäre mit Blick auf frühere Reden und Ansprachen "Seiner Heiligkeit" nicht zu erwarten.

Es wäre sicherlich ein Akt der Noblesse und nicht zuletzt der Glaubwürdigkeit, wenn der Dalai Lama, vielleicht mit Verweis auf den bedauerlichen Konflikt, den seine Person unabsichtlich ausgelöst hat, erklärte, daß er keineswegs unter allen Bedingungen an der Friedenskonferenz in Südafrika teilnehmen wolle, und er Tutu und de Klerk bäte, sie möchten ihre Absage noch einmal auf seine ausdrückliche Bitte hin überdenken, denn immerhin ginge es doch um die Menschen in Südafrika, die Opfer der hohen Gewaltbereitschaft im Land seien, und nicht um einen geographisch weit entfernten Konflikt.

25. März 2009