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AFRIKA/1876: Manöver in Uganda - Schleichende Militarisierung durch AFRICOM (SB)


Exercise Natural Fire 10

US-Streitkräfte führen gemeinsam mit fünf ostafrikanischen Staaten mehrtägige Militärübung durch


Im vergangenen Jahr hat sich das US-Verteidigungsministerium mit seinem Versuch, das neu gegründete militärische Kommando AFRICOM von Stuttgart in ein afrikanisches Land zu verlegen, eine kräftige Abfuhr eingehandelt. Bis auf Liberia war kein Staat bereit, eine dauerhafte US-amerikanische Militärpräsenz auf seinem Territorium zuzulassen. Dabei hatten AFRICOM-Kommandant General William E. Ward und andere hochrangige Vertreter aus Militär und Politik pfundweise Kreide gefressen, um eine möglichst einschmeichelnde Stimme zu erhalten, als sie bei sämtlichen für sie in Frage kommenden Regierungen vorstellig wurden. Genutzt hat es nichts. Verständlicherweise wollte niemand glauben, daß ein eigenes militärisches Kommando für Afrika eine im wesentlichen andere Funktion hat als eben eine militärische.

Die unermüdlichen Beteuerungen der US-Gesandten, daß erstmals bei einer solchen Kommandostelle - neben AFRICOM sind dies CENTCOM, EUCOM, NORTHCOM und PACOM - auch zivile Mitarbeiter unter anderem des US-Außenministeriums und der staatlichen Hilfsorganisation USAID beteiligt sein werden, kann nicht überzeugen, denn die Vereinigten Staaten unterhalten bereits einen Reihe von Botschaften in Afrika und leisten Entwicklungshilfe. Die Strukturen, um die von AFRICOM ausgewiesenen zivilen Absichten zu verfolgen, sind längst vorhanden. Man sollte einem diplomatischen Korps zwar nicht unterstellen, daß es ein anderes Ziel verfolgt als das Militär, aber umgekehrt ist selbstverständlich auch nicht einzusehen, warum das US-Verteidigungsministerium plötzlich versucht, sich ein semiziviles Deckmäntelchen umzuhängen. Allein der Versuch, das zu tun, muß den Argwohn der afrikanischen Regierungen wecken.

Wenn jedoch etwas von der US-Regierung zu lernen ist, dann ihre Beharrlichkeit, mit der sie ihre Ziele verfolgt, selbst wenn sie dabei nicht im ersten Schritt den erwünschten Erfolg erzielt. Mit der Gründung AFRICOMS hat der militärische Einfluß der USA auf Afrika zugenommen. Viele Aktivitäten, wie zum Beispiel die seit zehn Jahren regelmäßig mit ostafrikanischen Staaten durchgeführte Katastrophenschutzübung "Exercise Natural Fire 10", gehen zwar nicht auf die Gründung AFRICOMS zurück, doch stehen die Manöver inzwischen unter einem anderen Stern, eben dem des AFRICAN COMMAND. Und für den Wechsel von Deutschland nach Afrika soll ab 2012 erneut Anlauf genommen werden.

Eine andere vorstellbare Option besteht darin, daß das US-Verteidigungsministerium zunächst nicht mehr einen einzigen, großen Stützpunkt in Afrika aufbaut, solange dieser zum Stein des Anstoßes wird, sondern mehrere kleinere Basen. Beispielsweise in Uganda, mit dem bereits eine enge militärische Zusammenarbeit besteht.

So mußte kürzlich der für die Landstreitkräfte zuständige Kommandant der ugandischen Armee UPDF (Uganda Peoples Defence Forces), Lt. Gen. Katumba Wamala [1], erklären, daß die mehr als 1300 Soldaten aus den USA und mehreren ostafrikanischen Staaten, die in dem nordugandischen Bezirk Kitgum eintreffen, nicht gekommen sind, um Krieg zu führen oder die Einheimischen zu vertreiben, sondern um an der Übung "Natural Fire" teilzunehmen. Die Bevölkerung bräuchte sich nicht zu ängstigen, es gebe keinen versteckten Plan hinter der Übung. [2] Einige Lokalpolitiker und führende Persönlichkeiten hätten den Einwohnern erzählt, daß die Streitkräfte gekommen seien, um ihnen das Land wegzunehmen. Das sei ein Irrtum. Die fremden Soldaten würden voraussichtlich am 26. Oktober 2009 wieder abziehen, sagte der ugandische General bei seiner öffentlichen Erklärung im Bomah Hotel in Kitgum. Die Soldaten nähmen an einer Katastrophenschutzübung teil. In diesem Zeitraum würden sie unter anderem auch Reparaturarbeiten an der High School in Kitgum durchführen und medizinische Hilfe leisten.

So einfach und überschaubar, wie es der ugandische General hier darstellt, ist es nun doch nicht. Die Stützpunkte, die für die Zeit der in diesem Jahr letzten Übung AFRICOM auf dem afrikanischen Kontinent in Kitgum und Entebbe errichtet wurden, sollen zwar angeblich nach Ende der Übung, die vom 16. bis 25. Oktober geht und mit je 133 Soldaten aus Uganda, Ruanda, Tansania, Kenia, Burundi und 536 aus den USA durchgeführt wird, wieder abgebaut werden. Aber die Befürchtung der örtlichen Bevölkerung, daß fremde Soldaten fremde Interessen verfolgen, ist durchaus nachvollziehbar. Das Mißtrauen sitzt tief. Zumal die Rolle der Regierungsarmee UPDF im langjährigen Konflikt mit der nordugandischen Rebellenarme LRA (Lord's Resistance Army) des Joseph Kony durchaus zwielichtig ist. Gerüchten zufolge kam es mindestens partiell zur Zusammenarbeit zwischen den Streitparteien, so daß die LRA sogar in eigens eingerichtete Schutzdörfer eindringen und Kinder entführen konnte.

Darüber hinaus hat die ugandische Hauptstadt Kampala in der vergangenen Woche schwere Unruhen erlebt. Dabei verloren mindestens vierzehn Personen ihr Leben, über 100 wurden verletzt. [3] Verständlicherweise sind die Nerven der ugandischen Bevölkerung angespannt. Polizei und Militär haben bei der Eindämmung der Unruhen zusammengearbeitet. Mindestens 550 Personen wurden festgenommen. [4] Der vage Verdacht, daß die Regierungen Ugandas und der USA insgeheim kooperieren, wird auch dadurch genährt, daß Washington zwei ehemalige Militärs zu Botschaftern für Uganda und dessen Nachbarland Tansania ernannt hat. [5]

Der neue Botschafter für Uganda, Jerry Lanier, leitete zuvor eine Sicherheitseinheit innerhalb des Africa Bureau im US State Department und war als Berater für AFRICOM tätig. Alfonoso Lenhardt, ehemaliger General des US Army Recruiting Command sowie Präsident und CEO des US National Crime Prevention Council, wurde als Botschafter für Tansania berufen. Beide erklärten im Juli bei Senatsanhörungen, daß sie sich insbesondere dem Kampf gegen Terrorismus widmen wollen.

Anfang dieses Monats haben die ostafrikanischen Staaten bereits die dreiwöchige Militärübung "Ex-Mlima Kilimanjaro 2009" in den tansanischen Regionen von Arusha und Tanga begonnen. [6] Das Manöver steht ganz im Zeichen der tieferen Integration der ostafrikanischen Staatengemeinschaft EAC (East African Community) und ist als Vorbereitung auf die mit den US-Streitkräften geplante Katastrophenschutzübung "Natural Fire" zu sehen. Die unterscheidet sich in mancher Hinsicht nicht von einer reinen Militärübung, in der die Eindämmung von Unruhen erprobt wird. Auch im Falle einer Naturkatastrophe wie eines Vulkanausbruchs oder einer Überschwemmungen müssen Menschenmassen unter Kontrolle gebracht und in sichere Bereiche - Lager - gelenkt werden. Das koordinierte Vorgehen zwischen den Soldaten vor Ort und der Einsatzleitung ist auf jeden Fall eine universelle militärische Fähigkeit.

"Natural Fire" zählt zu einer Reihe regelmäßiger Militärübungen, die US-Streitkräfte mit afrikanischen Partnern durchführen. Bei "Medflag" sollen medizinische Notmaßnahmen, u. a. Seucheneindämmung wie zum Beispiel Quarantänemaßnahmen, geübt werden; bei "Africa Endeavor" werden die Kommunikationsfähigkeiten entwickelt; "Golden Spear" dient dem Katastrophenschutz; "Flintlock" stärkt die militärische Wehrhaftigkeit nordafrikanischer Regierungsarmeen gegenüber Aufständischen. Darüber hinaus finden regelmäßige Programme zur Verbesserung der sogenannten friedenserhaltenden Maßnahmen, unter anderem im Rahmen der "African Contingency Operations Training and Assistance" (ACOTA), statt. Darüber hinaus wird in State Partnership Programs eine Zusammenarbeit der US-Nationalgarde mit acht afrikanischen Staaten organisiert. All das und vieles mehr findet unter der Ägide von AFRICOM statt. [7]

Bei den Äußerungen von US-Militärs und -Politikern zu AFRICOM wird regelmäßig der Wunsch nach Vertrauensbildung betont. Gern zeigen sich US-Soldaten beim Aufbau einer Schule, der Einrichtung einer lokalen Krankenstation, dem Bohren eines Brunnens oder Reparaturarbeiten von Infrastruktureinrichtungen. Die vertrauensbildenden Maßnahmen erfüllen keinen Selbstzweck, sondern sollen helfen, die eigentlichen Interessen der USA in Afrika durchzusetzen. Treffenderweise wird dies in der Analyse "Winning Hearts and Minds through Medicine" der Air War College Air University [8] als "weiche" militärische Intervention bezeichnet und nicht etwas als zivile Maßnahme. Mehr als bisher sollten die Möglichkeiten der medizinischen Hilfe von AFRICOM genutzt werden, nicht nur "um Krankheiten zu verhindern und menschliches Leid in diesen Ländern zu lindern", sondern auch um "die Freundschaften und Interoperabilitäten, die AFRICOM anstrebt, zu schmieden und zu stärken", heißt es dort.

Die Gründung von AFRICOM und die vielfältigen militärischen Aktivitäten der USA auf dem afrikanischen Kontinent sind Bestandteil des Strebens nach Globalhegemonie. Die kann niemals allein mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden, nicht einmal im militärisch relativ schwachen Afrika. Deshalb lag es nahe, daß AFRICOM eine zivile Komponente verliehen wurde und diese nun immer wieder besonders betont wird.


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Anmerkungen:

[1] "Uganda Government News: US soldiers not in Uganda to grab land", 13. September 2009
http://www.ugpulse.com/articles/daily/news.asp?about=US+soldiers+not+in+Uganda+to+grab+land+&ID=12004

[2] "East Africa: U.S., Region in Military Training", New Vision (Kampala), 12. September 2009
http://allafrica.com/stories/200909141136.html

[3] "East Africa: Kampala Calm But Still Tense", New Vision (Kampala), 12. September 2009
http://allafrica.com/stories/200909140003.html

[4] "Uganda: 500 Suspects Held, 14 Dead in City Riot", The Monitor (Kampala), 13. September 2009
http://allafrica.com/stories/200909130001.html

[5] "US names 'military' envoys to Uganda and Tanzania", The East African, 29. July 2009
http://www.friendsforpeaceinafrica.org/news/412-us-names-military-envoys-to-uganda-and-tanzania.html

[6] "EAC armies set for another joint exercise", The New Times, 14. September 2009
http://www.newtimes.co.rw/index.php?issue=14018&article=19912

[7] "AFRICOM's General Ward Visits African Union", U.S. AFRICOM Public Affairs Stuttgart, 8. November 2007
http://www.africom.mil/getArticle.asp?art=1577&lang=0

[8] "WINNING HEARTS AND MINDS THROUGH MEDICINE: THE JOINT MILITARY MEDICAL SERVICENIQUE AFRICAN OPPORTUNITY", David W. Bobb, Lt Col, USAF, BSC, AIR WAR COLLEGE AIR UNIVERSITY, 14. Februar 2008
www.au.af.mil/awc/africom/.../bobb-winning_hearts_and_minds.pdf

15. September 2009